Kant: AA III, Kritik der reinen Vernunft ... , Seite 181 |
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| 01 | folgen kann (welches in der Zeitfolge der Erscheinungen, wie beim | ||||||
| 02 | zweiten Grundsatze gezeigt worden, nicht geschehen kann). So kann ich | ||||||
| 03 | meine Wahrnehmung zuerst am Monde und nachher an der Erde, oder | ||||||
| 04 | auch umgekehrt zuerst an der Erde und dann am Monde anstellen, und | ||||||
| 05 | darum, weil die Wahrnehmungen dieser Gegenstände einander wechselseitig | ||||||
| 06 | folgen können, sage ich, sie existiren zugleich. Nun ist das Zugleichsein | ||||||
| 07 | die Existenz des Mannigfaltigen in derselben Zeit. Man kann aber | ||||||
| 08 | die Zeit selbst nicht wahrnehmen, um daraus, daß Dinge in derselben Zeit | ||||||
| 09 | gesetzt sind, abzunehmen, daß die Wahrnehmungen derselben einander | ||||||
| 10 | wechselseitig folgen können. Die Synthesis der Einbildungskraft in der | ||||||
| 11 | Apprehension würde also nur eine jede dieser Wahrnehmungen als eine | ||||||
| 12 | solche angeben, die im Subjecte da ist, wenn die andere nicht ist und wechselsweise, | ||||||
| 13 | nicht aber daß die Objecte zugleich seien, d. i. wenn das eine ist, | ||||||
| 14 | das andere auch in derselben Zeit sei, und daß dieses nothwendig sei, damit | ||||||
| 15 | die Wahrnehmungen wechselseitig auf einander folgen können. Folglich | ||||||
| 16 | wird ein Verstandesbegriff von der wechselseitigen Folge der Bestimmungen | ||||||
| 17 | dieser außer einander zugleich existirenden Dinge erfordert, um zu sagen, | ||||||
| 18 | daß die wechselseitige Folge der Wahrnehmungen im Objecte gegründet | ||||||
| 19 | sei, und das Zugleichsein dadurch als objectiv vorzustellen. Nun ist | ||||||
| 20 | aber das Verhältniß der Substanzen, in welchem die eine Bestimmungen | ||||||
| 21 | enthält, wovon der Grund in der anderen enthalten ist, das Verhältniß | ||||||
| 22 | des Einflusses, und wenn wechselseitig dieses den Grund der Bestimmungen | ||||||
| 23 | in dem anderen enthält, das Verhältniß der Gemeinschaft oder Wechselwirkung. | ||||||
| 24 | Also kann das Zugleichsein der Substanzen im Raume nicht | ||||||
| 25 | anders in der Erfahrung erkannt werden, als unter Voraussetzung einer | ||||||
| 26 | Wechselwirkung derselben untereinander; diese ist also auch die Bedingung | ||||||
| 27 | der Möglichkeit der Dinge selbst als Gegenstände der Erfahrung. | ||||||
| 28 | Dinge sind zugleich, so fern sie in einer und derselben Zeit existiren. | ||||||
| 29 | Woran erkennt man aber: daß sie in einer und derselben Zeit sind? Wenn | ||||||
| 30 | die Ordnung in der Synthesis der Apprehension dieses Mannigfaltigen | ||||||
| 31 | gleichgültig ist, d. i. von A durch B, C, D auf E oder auch umgekehrt von | ||||||
| 32 | E zu A gehen kann. Denn wäre sie in der Zeit nach einander (in der Ordnung, | ||||||
| 33 | die von A anhebt und in E endigt), so ist es unmöglich, die Apprehension | ||||||
| 34 | in der Wahrnehmung von E anzuheben und rückwärts zu A | ||||||
| 35 | fortzugehen, weil A zur vergangenen Zeit gehört und also kein Gegenstand | ||||||
| 36 | der Apprehension mehr sein kann. | ||||||
| 37 | Nehmet nun an: in einer Mannigfaltigkeit von Substanzen als Erscheinungen | ||||||
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