Kant: AA III, Kritik der reinen Vernunft ... , Seite 155 |
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| 01 | ist, sondern jeder Theil ein Geldstück ausmachen könnte, welches immer | ||||||
| 02 | Materie zu noch kleineren enthielte. Wenn ich aber unter jener Benennung | ||||||
| 03 | 13 runde Thaler verstehe, als so viel Münzen (ihr Silbergehalt mag sein, | ||||||
| 04 | welcher er wolle), so benenne ich es unschicklich durch ein Quantum von | ||||||
| 05 | Thalern, sondern muß es ein Aggregat, d. i. eine Zahl Geldstücke, nennen. | ||||||
| 06 | Da nun bei aller Zahl doch Einheit zum Grunde liegen muß, so ist die | ||||||
| 07 | Erscheinung als Einheit ein Quantum und als ein solches jederzeit ein | ||||||
| 08 | Continuum. | ||||||
| 09 | Wenn nun alle Erscheinungen, sowohl extensiv als intensiv betrachtet, | ||||||
| 10 | continuirliche Größen sind: so würde der Satz, daß auch alle Veränderung | ||||||
| 11 | (Übergang eines Dinges aus einem Zustande in den andern) continuirlich | ||||||
| 12 | sei, leicht und mit mathematischer Evidenz hier bewiesen werden | ||||||
| 13 | können, wenn nicht die Causalität einer Veränderung überhaupt ganz | ||||||
| 14 | außerhalb den Grenzen einer Transscendental=Philosophie läge und empirische | ||||||
| 15 | Principien voraussetzte. Denn daß eine Ursache möglich sei, welche | ||||||
| 16 | den Zustand der Dinge verändere, d. i. sie zum Gegentheil eines gewissen | ||||||
| 17 | gegebenen Zustandes bestimme, davon giebt uns der Verstand a priori | ||||||
| 18 | gar keine Eröffnung, nicht bloß deswegen, weil er die Möglichkeit davon | ||||||
| 19 | gar nicht einsieht (denn diese Einsicht fehlt uns in mehreren Erkenntnissen | ||||||
| 20 | a priori), sondern weil die Veränderlichkeit nur gewisse Bestimmungen der | ||||||
| 21 | Erscheinungen trifft, welche die Erfahrung allein lehren kann, indessen | ||||||
| 22 | daß ihre Ursache in dem Unveränderlichen anzutreffen ist. Da wir aber | ||||||
| 23 | hier nichts vor uns haben, dessen wir uns bedienen können, als die reinen | ||||||
| 24 | Grundbegriffe aller möglichen Erfahrung, unter welchen durchaus nichts | ||||||
| 25 | Empirisches sein muß: so können wir, ohne die Einheit des Systems zu | ||||||
| 26 | verletzen, der allgemeinen Naturwissenschaft, welche auf gewisse Grunderfahrungen | ||||||
| 27 | gebauet ist, nicht vorgreifen. | ||||||
| 28 | Gleichwohl mangelt es uns nicht an Beweisthümern des großen Einflusses, | ||||||
| 29 | den dieser unser Grundsatz hat, Wahrnehmungen zu anticipiren, | ||||||
| 30 | und sogar deren Mangel so fern zu ergänzen, daß er allen falschen Schlüssen, | ||||||
| 31 | die daraus gezogen werden möchten, den Riegel vorschiebt. | ||||||
| 32 | Wenn alle Realität in der Wahrnehmung einen Grad hat, zwischen | ||||||
| 33 | dem und der Negation eine unendliche Stufenfolge immer minderer Grade | ||||||
| 34 | stattfindet, und gleichwohl ein jeder Sinn einen bestimmten Grad der Receptivität | ||||||
| 35 | der Empfindungen haben muß: so ist keine Wahrnehmung, mithin | ||||||
| 36 | auch keine Erfahrung möglich, die einen gänzlichen Mangel alles | ||||||
| 37 | Realen in der Erscheinung, es sei unmittelbar oder mittelbar (durch welchen | ||||||
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