Kant: AA III, Kritik der reinen Vernunft ... , Seite 106 |
|||||||
Zeile:
|
Text (Kant):
|
|
|
||||
01 | Die empirische Ableitung aber, worauf beide verfielen, läßt sich | ||||||
02 | mit der Wirklichkeit der wissenschaftlichen Erkenntnisse a priori, die wir | ||||||
03 | haben, nämlich der reinen Mathematik und allgemeinen Naturwissenschaft, | ||||||
04 | nicht vereinigen, und wird also durch das Factum widerlegt. | ||||||
06 | Der erste dieser beiden berühmten Männer öffnete der Schwärmerei | ||||||
07 | Thür und Thor, weil die Vernunft, wenn sie einmal Befugnisse auf ihrer | ||||||
08 | Seite hat, sich nicht mehr durch unbestimmte Anpreisungen der Mäßigung | ||||||
09 | in Schranken halten läßt; der zweite ergab sich gänzlich dem Scepticism, | ||||||
10 | da er einmal eine so allgemeine für Vernunft gehaltene Täuschung unseres | ||||||
11 | Erkenntnißvermögens glaubte entdeckt zu haben. - Wir sind jetzt im Begriffe | ||||||
12 | einen Versuch zu machen, ob man nicht die menschliche Vernunft | ||||||
13 | zwischen diesen beiden Klippen glücklich durchbringen, ihr bestimmte | ||||||
14 | Grenzen anweisen und dennoch das ganze Feld ihrer zweckmäßigen Thätigkeit | ||||||
15 | für sie geöffnet erhalten könne. | ||||||
16 | Vorher will ich nur noch die Erklärung der Kategorien voranschicken. | ||||||
17 | Sie sind Begriffe von einem Gegenstande überhaupt, dadurch | ||||||
18 | dessen Anschauung in Ansehung einer der logischen Functionen zu Urtheilen | ||||||
19 | als bestimmt angesehen wird. So war die Function des kategorischen | ||||||
20 | Urtheils die des Verhältnisses des Subjects zum Prädicat, | ||||||
21 | z. B. alle Körper sind theilbar. Allein in Ansehung des bloß logischen | ||||||
22 | Gebrauchs des Verstandes blieb es unbestimmt, welchem von beiden Begriffen | ||||||
23 | die Function des Subjects, und welchem die des Prädicats man | ||||||
24 | geben wolle. Denn man kann auch sagen: Einiges Theilbare ist ein | ||||||
25 | Körper. Durch die Kategorie der Substanz aber, wenn ich den Begriff | ||||||
26 | eines Körpers darunter bringe, wird es bestimmt: daß seine empirische | ||||||
27 | Anschauung in der Erfahrung immer nur als Subject, niemals als bloßes | ||||||
28 | Prädicat betrachtet werden müsse; und so in allen übrigen Kategorien. | ||||||
[ Seite 105 ] [ Seite 107 ] [ Inhaltsverzeichnis ] |