Kant: AA III, Kritik der reinen Vernunft ... , Seite 097 |
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Text (Kant):
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| 01 | Glied der Eintheilung gesetzt wird, alle übrige ausgeschlossen werden und | ||||||
| 02 | so umgekehrt), gedacht werden. | ||||||
| 03 | Nun wird eine ähnliche Verknüpfung in einem Ganzen der Dinge | ||||||
| 04 | gedacht, da nicht eines als Wirkung dem andern als Ursache seines Daseins | ||||||
| 05 | untergeordnet, sondern zugleich und wechselseitig als Ursache in | ||||||
| 06 | Ansehung der Bestimmung der andern beigeordnet wird (z. B. in einem | ||||||
| 07 | Körper, dessen Theile einander wechselseitig ziehen und auch widerstehen); | ||||||
| 08 | welches eine ganz andere Art der Verknüpfung ist, als die, so im bloßen | ||||||
| 09 | Verhältniß der Ursache zur Wirkung (des Grundes zur Folge) angetroffen | ||||||
| 10 | wird, in welchem die Folge nicht wechselseitig wiederum den Grund bestimmt | ||||||
| 11 | und darum mit diesem (wie der Weltschöpfer mit der Welt) nicht | ||||||
| 12 | ein Ganzes ausmacht. Dasselbe Verfahren des Verstandes, wenn er sich | ||||||
| 13 | die Sphäre eines eingetheilten Begriffs vorstellt, beobachtet er auch, wenn | ||||||
| 14 | er ein Ding als theilbar denkt; und wie die Glieder der Eintheilung im | ||||||
| 15 | ersteren einander ausschließen und doch in einer Sphäre verbunden sind, | ||||||
| 16 | so stellt er sich die Theile des letzteren als solche, deren Existenz (als Substanzen) | ||||||
| 17 | jedem auch ausschließlich von den übrigen zukommt, doch als in | ||||||
| 18 | einem Ganzen verbunden vor. | ||||||
| 19 | § 12. |
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| 20 | Es findet sich aber in der Transscendentalphilosophie der Alten noch | ||||||
| 21 | ein Hauptstück vor, welches reine Verstandesbegriffe enthält, die, ob sie | ||||||
| 22 | gleich nicht unter die Kategorien gezählt werden, dennoch nach ihnen als | ||||||
| 23 | Begriffe a priori von Gegenständen gelten sollten, in welchem Falle sie | ||||||
| 24 | aber die Zahl der Kategorien vermehren würden, welches nicht sein kann. | ||||||
| 25 | Diese trägt der unter den Scholastikern so berufene Satz vor: quodlibet | ||||||
| 26 | ens est unum, verum, bonum. Ob nun zwar der Gebrauch dieses Princips | ||||||
| 27 | in Absicht auf die Folgerungen (die lauter tautologische Sätze gaben) | ||||||
| 28 | sehr kümmerlich ausfiel, so daß man es auch in neueren Zeiten beinahe | ||||||
| 29 | nur ehrenhalber in der Metaphysik aufzustellen pflegt, so verdient doch ein | ||||||
| 30 | Gedanke, der sich so lange Zeit erhalten hat, so leer er auch zu sein scheint, | ||||||
| 31 | immer eine Untersuchung seines Ursprungs und berechtigt zur Vermuthung, | ||||||
| 32 | daß er in irgend einer Verstandesregel seinen Grund habe, der nur, wie | ||||||
| 33 | es oft geschieht, falsch gedolmetscht worden. Diese vermeintlich transscendentale | ||||||
| 34 | Prädicate der Dinge sind nichts anders als logische Erfordernisse | ||||||
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