Kant: AA III, Kritik der reinen Vernunft ... , Seite 062 |
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01 | Männern einen Einwurf so einstimmig vernommen, daß ich daraus abnehme, | ||||||
02 | er müsse sich natürlicher Weise bei jedem Leser, dem diese Betrachtungen | ||||||
03 | ungewohnt sind, vorfinden. Er lautet also: Veränderungen sind | ||||||
04 | wirklich (dies beweiset der Wechsel unserer eigenen Vorstellungen, wenn | ||||||
05 | man gleich alle äußere Erscheinungen sammt deren Veränderungen leugnen | ||||||
06 | wollte). Nun sind Veränderungen nur in der Zeit möglich, folglich | ||||||
07 | ist die Zeit etwas Wirkliches. Die Beantwortung hat keine Schwierigkeit. | ||||||
08 | Ich gebe das ganze Argument zu. Die Zeit ist allerdings etwas Wirkliches, | ||||||
09 | nämlich die wirkliche Form der innern Anschauung. Sie hat also | ||||||
10 | subjective Realität in Ansehung der innern Erfahrung, d. i. ich habe wirklich | ||||||
11 | die Vorstellung von der Zeit und meinen Bestimmungen in ihr. Sie | ||||||
12 | ist also wirklich, nicht als Object, sondern als die Vorstellungsart meiner | ||||||
13 | selbst als Objects anzusehen. Wenn aber ich selbst oder ein ander Wesen | ||||||
14 | mich ohne diese Bedingung der Sinnlichkeit anschauen könnte, so würden | ||||||
15 | eben dieselben Bestimmungen, die wir uns jetzt als Veränderungen vorstellen, | ||||||
16 | eine Erkenntniß geben, in welcher die Vorstellung der Zeit, mithin | ||||||
17 | auch der Veränderung gar nicht vorkäme. Es bleibt also ihre empirische | ||||||
18 | Realität als Bedingung aller unsrer Erfahrungen. Nur die absolute Realität | ||||||
19 | kann ihr nach dem oben Angeführten nicht zugestanden werden. | ||||||
20 | Sie ist nichts, als die Form unsrer inneren Anschauung.*) Wenn man | ||||||
21 | von ihr die besondere Bedingung unserer Sinnlichkeit wegnimmt, so verschwindet | ||||||
22 | auch der Begriff der Zeit, und sie hängt nicht an den Gegenständen | ||||||
23 | selbst, sondern bloß am Subjecte, welches sie anschauet. | ||||||
24 | Die Ursache aber, weswegen dieser Einwurf so einstimmig gemacht | ||||||
25 | wird und zwar von denen, die gleichwohl gegen die Lehre von der Idealität | ||||||
26 | des Raumes nichts Einleuchtendes einzuwenden wissen, ist diese. Die | ||||||
27 | absolute Realität des Raumes hofften sie nicht apodiktisch darthun zu | ||||||
28 | können, weil ihnen der Idealismus entgegensteht, nach welchem die Wirklichkeit | ||||||
29 | äußerer Gegenstände keines strengen Beweises fähig ist: dagegen | ||||||
30 | die des Gegenstandes unserer innern Sinnen (meiner selbst und meines | ||||||
31 | Zustandes) unmittelbar durchs Bewußtsein klar ist. Jene konnten ein | ||||||
32 | bloßer Schein sein, dieser aber ist ihrer Meinung nach unleugbar etwas | ||||||
33 | Wirkliches. Sie bedachten aber nicht, daß beide, ohne daß man ihre Wirklichkeit | ||||||
*) Ich kann zwar sagen: meine Vorstellungen folgen einander; aber das heißt nur, wir sind uns ihrer als in einer Zeitfolge, d. i. nach der Form des innern Sinnes, bewußt. Die Zeit ist darum nicht etwas an sich selbst, auch keine den Dingen objectiv anhängende Bestimmung. | |||||||
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