Kant: AA II, Aufsätze, das Philanthropin ... , Seite 450 |
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| 01 | zu Lehrern zu bilden, ein Samkorn, vermittelst dessen | ||||||
| 02 | sorgfältiger Pflege in kurzer Zeit eine Menge wohl unterwiesener Lehrer | ||||||
| 03 | erwachsen kann, die ein ganzes Land bald mit guten Schulen bedecken | ||||||
| 04 | werden. | ||||||
| 05 | Die Bemühungen des gemeinen Wesens aller Länder sollten nun | ||||||
| 06 | darauf zuerst gerichtet sein, einer solchen Musterschule von allen Orten | ||||||
| 07 | und Enden Handreichung zu thun, um sie bald zu der ganzen Vollkommenheit | ||||||
| 08 | zu verhelfen, dazu sie in sich selbst schon die Quellen enthält. Denn | ||||||
| 09 | ihre Einrichtung und Anlage sofort in anderen Ländern nachahmen zu | ||||||
| 10 | wollen und sie selbst, die das erste vollständige Beispiel und Pflanzschule | ||||||
| 11 | der guten Erziehung werden soll, indessen unter Mangel und Hindernissen | ||||||
| 12 | in ihrem Fortschritt zur Vollkommenheit aufhalten, das heißt so viel: als | ||||||
| 13 | den Samen vor der Reife aussäen, um hernach Unkraut zu ernten. | ||||||
| 14 | Eine solche Erziehungsanstalt ist nun nicht mehr bloß eine schöne | ||||||
| 15 | Idee, sondern zeigt sich mit sichtbaren Beweisen der Thunlichkeit dessen, | ||||||
| 16 | was längst gewünscht worden, in thätigen und sichtbaren Beweisen. Gewiß | ||||||
| 17 | eine Erscheinung unserer Zeit, die, obzwar von gemeinen Augen übersehen, | ||||||
| 18 | jedem verständigen und an dem Wohl der Menschheit theilnehmenden | ||||||
| 19 | Zuschauer viel wichtiger sein muß, als das glänzende Nichts auf dem | ||||||
| 20 | jederzeit veränderlichen Schauplatze der großen Welt, wodurch das Beste | ||||||
| 21 | des menschlichen Geschlechts, wo nicht zurückgesetzt, doch nicht um ein Haar | ||||||
| 22 | breit weiter gebracht wird. | ||||||
| 23 | Der öffentliche Ruf und vornehmlich die vereinigte Stimmen gewissenhafter | ||||||
| 24 | und einsehender Kenner aus verschiedenen Ländern werden | ||||||
| 25 | die Leser dieser Zeitung schon das Dessauische Educationsinstitut | ||||||
| 26 | (Philanthropin) als dasjenige einzige kennen gelehrt haben, was diese | ||||||
| 27 | Merkmale der Vortrefflichkeit an sich trägt, wovon es eine nicht der geringsten | ||||||
| 28 | ist: daß es seiner Einrichtung gemäß alle ihm im Anfange etwa | ||||||
| 29 | noch anhängende Fehler natürlicher Weise von selbst abwerfen muß. Die | ||||||
| 30 | dawider sich hie oder da regende Anfälle und bisweilen Schmähschriften | ||||||
| 31 | (deren eine, nämlich die Mangelsdorfische, neuerlich von Herrn Basedow | ||||||
| 32 | mit der eigenthümlichen Würde der Rechtschaffenheit beantwortet | ||||||
| 33 | worden) sind so gewöhnliche Griffe der Tadelsucht und des sich auf seinem | ||||||
| 34 | Miste vertheidigenden alten Herkommens, daß eine ruhige Gleichgültigkeit | ||||||
| 35 | dieser Art Leute, die auf alles, was sich als gut und edel ankündigt, | ||||||
| 36 | jederzeit hämische Blicke werfen, vielmehr einigen Verdacht wegen der | ||||||
| 37 | Mittelmäßigkeit dieses sich erhebenden Guten erregen müßte. | ||||||
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