Kant: AA II, Versuch den Begriff der ... , Seite 202

     
           
 

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Text (Kant):

 

 

 

 
  01 die Lücke ausfüllen möge, die meine mangelhafte Einsicht hat übrig lassen      
  02 müssen.      
           
  03 Ich verstehe sehr wohl, wie eine Folge durch einen Grund nach der      
  04 Regel der Identität gesetzt werde, darum weil sie durch die Zergliederung      
  05 der Begriffe in ihm enthalten befunden wird. So ist die Nothwendigkeit      
  06 ein Grund der Unveränderlichkeit, die Zusammensetzung ein Grund der      
  07 Theilbarkeit, die Unendlichkeit ein Grund der Allwissenheit etc. etc., und      
  08 diese Verknüpfung des Grundes mit der Folge kann ich deutlich einsehen,      
  09 weil die Folge wirklich einerlei ist mit einem Theilbegriffe des Grundes      
  10 und, indem sie schon in ihm befaßt wird, durch denselben nach der Regel      
  11 der Einstimmung gesetzt wird. Wie aber etwas aus etwas anderm, aber      
  12 nicht nach der Regel der Identität fließe, das ist etwas, welches ich mir      
  13 gerne möchte deutlich machen lassen. Ich nenne die erstere Art eines      
  14 Grundes den logischen Grund, weil seine Beziehung auf die Folge logisch,      
  15 nämlich deutlich nach der Regel der Identität, kann eingesehen werden,      
  16 den Grund aber der zweiten Art nenne ich den Realgrund, weil diese Beziehung      
  17 wohl zu meinen wahren Begriffen gehört, aber die Art derselben      
  18 auf keinerlei Weise kann beurtheilt werden.      
           
  19 Was nun diesen Realgrund und dessen Beziehung auf die Folge anlangt,      
  20 so stellt sich meine Frage in dieser einfachen Gestalt dar: wie soll      
  21 ich es verstehen, daß, weil Etwas ist, etwas anders sei? Eine logische      
  22 Folge wird eigentlich nur darum gesetzt, weil sie einerlei ist mit dem      
  23 Grunde. Der Mensch kann fehlen; der Grund dieser Fehlbarkeit liegt in      
  24 der Endlichkeit seiner Natur, denn wenn ich den Begriff eines endlichen      
  25 Geistes auflöse, so sehe ich, daß die Fehlbarkeit in demselben liege, das      
  26 ist, einerlei sei mit demjenigen, was in dem Begriffe eines Geistes enthalten      
  27 ist. Allein der Wille Gottes enthält den Realgrund vom Dasein      
  28 der Welt. Der göttliche Wille ist etwas. Die existirende Welt ist etwas      
  29 ganz anderes. Indessen durch das eine wird das andre gesetzt. Der      
  30 Zustand, in welchem ich den Namen Stagirit höre, ist etwas, dadurch      
  31 wird etwas anders, nämlich mein Gedanke von einem Philosoph, gesetzt.      
  32 Ein Körper A ist in Bewegung, ein anderer B in der geraden Linie derselben      
  33 in Ruhe. Die Bewegung von A ist etwas, die von B ist etwas anders,      
  34 und doch wird durch die eine die andre gesetzt. Ihr möget nun den      
  35 Begriff vom göttlichen Wollen zergliedern, so viel euch beliebt, so werdet      
  36 ihr niemals eine existirende Welt darin antreffen, als wenn sie darin enthalten      
  37 und um der Identität willen dadurch gesetzt sei, und so in den      
           
     

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