Kant: AA II, Der einzig mögliche ... , Seite 160 |
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01 | Imgleichen erhellt, daß, wenn von dem, was uns Erfahrung von existirenden | ||||||
02 | Dingen lehrt, der Schluß zu eben derselben Wahrheit soll hinauf | ||||||
03 | steigen, der Beweis nur durch die in den Dingen der Welt wahrgenommene | ||||||
04 | Eigenschaften und die zufällige Anordnung des Weltganzen auf das Dasein | ||||||
05 | sowohl als auch die Beschaffenheit der obersten Ursache kann geführt | ||||||
06 | werden. Man erlaube mir, daß ich den ersten Beweis den ontologischen, | ||||||
07 | den zweiten aber den kosmologischen nenne. | ||||||
08 | Dieser kosmologische Beweis ist, wie mich dünkt, so alt wie die | ||||||
09 | menschliche Vernunft. Er ist so natürlich, so einnehmend und erweitert | ||||||
10 | sein Nachdenken auch so sehr mit dem Fortgang unserer Einsichten, daß | ||||||
11 | er so lange dauren muß, als es irgend ein vernünftig Geschöpf geben wird, | ||||||
12 | welches an der edlen Betrachtung Theil zu nehmen wünscht, Gott aus | ||||||
13 | seinen Werken zu erkennen. Derhams, Nieuwentyts und vieler anderer | ||||||
14 | Bemühungen haben der menschlichen Vernunft in dieser Absicht Ehre | ||||||
15 | gemacht, obgleich bisweilen viel Eitelkeit mit untergelaufen ist, allerlei | ||||||
16 | physischen Einsichten oder auch Hirngespinsten durch die Losung des Religionseifers | ||||||
17 | ein ehrwürdig Ansehen zu geben. Bei aller dieser Vortrefflichkeit | ||||||
18 | ist diese Beweisart doch immer der mathematischen Gewißheit und | ||||||
19 | Genauigkeit unfähig. Man wird jederzeit nur auf irgend einen unbegreiflich | ||||||
20 | großen Urheber desjenigen Ganzen, was sich unsern Sinnen darbietet, | ||||||
21 | schließen können, nicht aber auf das Dasein des vollkommensten unter | ||||||
22 | allen möglichen Wesen. Es wird die größte Wahrscheinlichkeit von der | ||||||
23 | Welt sein, daß nur ein einiger erster Urheber sei,allein dieser Überzeugung | ||||||
24 | wird viel an der Ausführlichkeit, die der frechsten Zweifelsucht trotzt, | ||||||
25 | ermangeln. Das macht: wir können nicht auf mehr oder größere Eigenschaften | ||||||
26 | in der Ursache schließen, als wir gerade nöthig finden, um den | ||||||
27 | Grad und Beschaffenheit der Wirkungen daraus zu verstehen; wenn wir | ||||||
28 | nämlich von dem Dasein dieser Ursache keinen andern Anlaß zu urtheilen | ||||||
29 | haben, als den, so uns die Wirkungen geben. Nun erkennen wir viel | ||||||
30 | Vollkommenheit, Größe und Ordnung in der Welt und können daraus | ||||||
31 | nichts mehr mit logischer Schärfe schließen, als daß die Ursache derselben | ||||||
32 | viel Verstand, Macht und Güte besitzen müsse, keinesweges aber daß sie | ||||||
33 | alles wisse, vermöge etc. etc. Es ist ein unermeßliches Ganze, in welchem | ||||||
34 | wir Einheit und durchgängige Verknüpfung wahrnehmen, und wir können | ||||||
35 | mit großem Grunde daraus ermessen, daß ein einiger Urheber desselben | ||||||
36 | sei. Allein wir müssen uns bescheiden, daß wir nicht alles Erschaffene | ||||||
37 | kennen, und daher urtheilen, daß, was uns bekannt ist, nur einen Urheber | ||||||
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