Kant: AA II, Der einzig mögliche ... , Seite 159 |
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| 01 | Es ist meine Absicht nicht, die Beweise selber zu zergliedern, die man | ||||||
| 02 | dieser Methode gemäß bei verschiedenen antrifft. Es ist leicht ihre Fehlschlüsse | ||||||
| 03 | aufzudecken, und dieses ist auch schon zum Theil von andern geschehen. | ||||||
| 04 | Indessen da man gleichwohl noch immer hoffen könnte, daß ihrem | ||||||
| 05 | Fehler durch einige Verbesserungen abzuhelfen sei, so ersieht man aus | ||||||
| 06 | unserer Betrachtung, daß, es mag auch aus ihnen werden, was da wolle, | ||||||
| 07 | sie doch niemals etwas anders als Schlüsse aus Begriffen möglicher | ||||||
| 08 | Dinge, nicht aber aus Erfahrung werden können und also allenfalls den | ||||||
| 09 | Beweisen der ersten Art beizuzählen sind. | ||||||
| 10 | Was nun den zweiten Beweis von derjenigen Art anlangt, da aus | ||||||
| 11 | Erfahrungsbegriffen von existirenden Dingen auf das Dasein Gottes und | ||||||
| 12 | zugleich seine Eigenschaften geschlossen wird, so verhält es sich hiemit ganz | ||||||
| 13 | anders. Dieser Beweis ist nicht allein möglich, sondern auch auf alle Weise | ||||||
| 14 | würdig durch vereinigte Bemühungen zur gehörigen Vollkommenheit gebracht | ||||||
| 15 | zu werden. Die Dinge der Welt, welche sich unsern Sinnen offenbaren, | ||||||
| 16 | zeigen sowohl deutliche Merkmale ihrer Zufälligkeit, als auch durch | ||||||
| 17 | die Größe, die Ordnung und zweckmäßige Anstalten, die man allenthalben | ||||||
| 18 | gewahr wird, Beweisthümer eines vernünftigen Urhebers von großer | ||||||
| 19 | Weisheit, Macht und Güte. Die große Einheit in einem so weitläuftigen | ||||||
| 20 | Ganzen läßt abnehmen, daß nur ein einziger Urheber aller dieser Dinge | ||||||
| 21 | sei, und wenn gleich in allen diesen Schlüssen keine geometrische Strenge | ||||||
| 22 | hervorblickt, so enthalten sie doch unstrittig so viel Nachdruck, daß sie einen | ||||||
| 23 | jeden Vernünftigen nach Regeln, die der natürliche gesunde Verstand befolgt, | ||||||
| 24 | keinen Augenblick hierüber im Zweifel lassen. | ||||||
| 25 | 4. |
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| 26 | Es sind überhaupt nur zwei Beweise vom Dasein Gottes |
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| 27 | möglich. |
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| 28 | Aus allen diesen Beurtheilungen ist zu ersehen: daß, wenn man aus | ||||||
| 29 | Begriffen möglicher Dinge schließen will, kein ander Argument für das | ||||||
| 30 | Dasein Gottes möglich sei, als dasjenige, wo selbst die innere Möglichkeit | ||||||
| 31 | aller Dinge als etwas angesehen wird, was irgend ein Dasein voraussetzt, | ||||||
| 32 | wie es von uns in der ersten Abtheilung dieses Werks geschehen ist. | ||||||
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