Kant: AA II, Der einzig mögliche ... , Seite 075 |
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| 01 | diesen Tadel für etwas Geringes zu halten, muß ich mir diesmal hiezu | ||||||
| 02 | Erlaubniß ausbitten. Denn ob ich schon an der überfeinen Weisheit derjenigen, | ||||||
| 03 | welche sichere und brauchbare Begriffe in ihrer logischen Schmelzküche | ||||||
| 04 | so lange übertreiben, abziehen und verfeinern, bis sie in Dämpfen | ||||||
| 05 | und flüchtigen Salzen verrauchen, so wenig Geschmack als jemand anders | ||||||
| 06 | finde, so ist der Gegenstand der Betrachtung, den ich vor mir habe, doch | ||||||
| 07 | von der Art, daß man entweder gänzlich es aufgeben muß, eine demonstrativische | ||||||
| 08 | Gewißheit davon jemals zu erlangen, oder es sich muß gefallen | ||||||
| 09 | lassen, seine Begriffe bis in diese Atomen aufzulösen. | ||||||
| 10 | 3. |
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| 11 | Kann ich wohl sagen, daß im Dasein mehr als in der bloßen |
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| 12 | Möglichkeit sei? |
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| 13 | Diese Frage zu beantworten, merke ich nur zuvor an, daß man unterscheiden | ||||||
| 14 | müsse, was da gesetzt sei, und wie es gesetzt sei. Was das erstere | ||||||
| 15 | anlangt, so ist in einem wirklichen Dinge nicht mehr gesetzt als in einem | ||||||
| 16 | blos möglichen, denn alle Bestimmungen und Prädicate des wirklichen | ||||||
| 17 | können auch bei der bloßen Möglichkeit desselben angetroffen werden, aber | ||||||
| 18 | das letztere betreffend, so ist allerdings durch die Wirklichkeit mehr gesetzt. | ||||||
| 19 | Denn frage ich: wie ist alles dieses bei der bloßen Möglichkeit gesetzt?, so | ||||||
| 20 | werde ich inne, es geschehe nur beziehungsweise auf das Ding selber, d. i. | ||||||
| 21 | wenn ein Triangel ist, so sind drei Seiten, ein beschlossener Raum, drei | ||||||
| 22 | Winkel u. s. w., oder besser: die Beziehungen dieser Bestimmungen zu | ||||||
| 23 | einem solchen Etwas, wie ein Triangel ist, sind bloß gesetzt, aber existirt | ||||||
| 24 | er, so ist alles dieses absolute, d. i. die Sache selbst zusammt diesen Beziehungen, | ||||||
| 25 | mithin mehr gesetzt. Um daher in einer so subtilen Vorstellung | ||||||
| 26 | alles zusammen zu fassen, was die Verwirrung verhüten kann, so sage ich: | ||||||
| 27 | in einem Existirenden wird nichts mehr gesetzt als in einem blos Möglichen | ||||||
| 28 | (denn alsdann ist die Rede von den Prädicaten desselben), allein | ||||||
| 29 | durch etwas Existirendes wird mehr gesetzt als durch ein blos Mögliches, | ||||||
| 30 | denn dieses geht auch auf absolute Position der Sache selbst. Sogar ist in | ||||||
| 31 | der bloßen Möglichkeit nicht die Sache selbst, sondern es sind bloße Beziehungen | ||||||
| 32 | von Etwas zu Etwas nach dem Satze des Widerspruchs gesetzt, | ||||||
| 33 | und es bleibt fest, daß das Dasein eigentlich gar kein Prädicat von irgend | ||||||
| 34 | einem Dinge sei. Obgleich meine Absicht hier gar nicht ist mit Widerlegungen | ||||||
| 35 | mich einzulassen, und meiner Meinung nach, wenn ein Verfasser | ||||||
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