Kant: AA II, Der einzig mögliche ... , Seite 074 |
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01 | sehr wenig klärer und einfacher sind, als die Sache selbst. Dieses ist der | ||||||
02 | Fall bei unserer Erklärung von der Existenz. Ich gestehe gerne, daß durch | ||||||
03 | dieselbe der Begriff des Erklärten nur in einem sehr kleinen Grade deutlich | ||||||
04 | werde. Allein die Natur des Gegenstandes in Beziehung auf die Vermögen | ||||||
05 | unseres Verstandes verstattet auch keinen höhern Grad. | ||||||
06 | Wenn ich sage: Gott ist allmächtig, so wird nur diese logische Beziehung | ||||||
07 | zwischen Gott und der Allmacht gedacht, da die letztere ein Merkmal | ||||||
08 | des erstern ist. Weiter wird hier nichts gesetzt. Ob Gott sei, das ist, | ||||||
09 | absolute gesetzt sei oder existire, das ist darin gar nicht enthalten. Daher | ||||||
10 | auch dieses Sein ganz richtig selbst bei den Beziehungen gebraucht wird, | ||||||
11 | die Undinge gegen einander haben. Z. E. Der Gott des Spinoza ist unaufhörlichen | ||||||
12 | Veränderungen unterworfen. | ||||||
13 | Wenn ich mir vorstelle, Gott spreche über eine mögliche Welt sein allmächtiges | ||||||
14 | Werde, so ertheilt er dem in seinem Verstande vorgestellten | ||||||
15 | Ganzen keine neue Bestimmungen, er setzt nicht ein neues Prädicat hinzu, | ||||||
16 | sondern er setzt diese Reihe der Dinge, in welcher alles sonst nur beziehungsweise | ||||||
17 | auf dieses Ganze gesetzt war, mit allen Prädicaten absolute oder | ||||||
18 | schlechthin. Die Beziehungen aller Prädicate zu ihren Subjecten bezeichnen | ||||||
19 | niemals etwas Existirendes, das Subject müsse denn schon als existirend | ||||||
20 | voraus gesetzt werden. Gott ist allmächtig, muß ein wahrer Satz auch in | ||||||
21 | dem Urtheil desjenigen bleiben, der dessen Dasein nicht erkennt, wenn er | ||||||
22 | mich nur wohl versteht, wie ich den Begriff Gottes nehme. Allein sein | ||||||
23 | Dasein muß unmittelbar zu der Art gehören, wie sein Begriff gesetzt wird, | ||||||
24 | denn in den Prädicaten selber wird es nicht gefunden. Und wenn nicht | ||||||
25 | schon das Subject als existirend vorausgesetzt ist, so bleibt es bei jeglichem | ||||||
26 | Prädicate unbestimmt, ob es zu einem existirenden oder blos möglichen | ||||||
27 | Subjecte gehöre. Das Dasein kann daher selber kein Prädicat sein. Sage | ||||||
28 | ich: Gott ist ein existirend Ding, so scheint es, als wenn ich die Beziehung | ||||||
29 | eines Prädicats zum Subjecte ausdrückte. Allein es liegt auch eine Unrichtigkeit | ||||||
30 | in diesem Ausdruck. Genau gesagt, sollte es heißen: Etwas | ||||||
31 | Existirendes ist Gott, das ist, einem existirenden Dinge kommen diejenigen | ||||||
32 | Prädicate zu, die wir zusammen genommen durch den Ausdruck: Gott, bezeichnen. | ||||||
33 | Diese Prädicate sind beziehungsweise auf dieses Subject gesetzt, | ||||||
34 | allein das Ding selber sammt allen Prädicaten ist schlechthin gesetzt. | ||||||
35 | Ich besorge durch zu weitläuftige Erläuterung einer so einfachen Idee | ||||||
36 | unvernehmlich zu werden. Ich könnte auch noch befürchten die Zärtlichkeit | ||||||
37 | derer, die vornehmlich über Trockenheit klagen, zu beleidigen. Allein ohne | ||||||
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