Kant: AA II, M. Immanuel Kants Entwurf und ... , Seite 010 |
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01 | D. Eberhard in besondern Vorlesungen erklären. Die Logik wird nach | ||||||
02 | der Meierischen kurzen Einleitung und die Metaphysik nach der Anweisung | ||||||
03 | des Baumeisters gelesen. Ich habe im verwichenen halben | ||||||
04 | Jahre auf Verlangen einiger Herren diesen Wechsel mit dem zwar gründlichern, | ||||||
05 | aber schwereren Baumgarten zu ihrer Befriedigung angestellt. | ||||||
06 | Man wird indessen die Freiheit der Wahl haben, von welchem von beiden | ||||||
07 | man sich größere Vortheile versprechen wird. In der Mathematik werden | ||||||
08 | die alten Vorlesungen fortgesetzt und neue angefangen. Meine Bemühungen | ||||||
09 | werden glücklich genug sein, wenn sie den Beifall derjenigen, die | ||||||
10 | zwar nicht den größten, doch schätzbarsten Theil ausmachen, nämlich der | ||||||
11 | Vernünftigen, erwerben können. | ||||||
12 | Anhang einer kurzen Betrachtung |
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13 | über die Frage: |
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14 | Ob die Westwinde in unseren Gegenden darum feucht seien, |
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15 | weil sie über ein großes Meer streichen. |
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16 | Wenn man die Ursache der Naturbegebenheiten, die von der Himmelsgegend | ||||||
17 | und Beschaffenheit der Erdstriche abhängen, einsehen will, so läuft | ||||||
18 | man oft Gefahr sein System durch eine nicht vorhergesehene Instanz über | ||||||
19 | den Haufen fallen zu sehen, wenn man nicht vorher verglichene Erscheinungen | ||||||
20 | und Beobachtungen anderer Länder zu rathe gezogen hat. Es | ||||||
21 | fällt jedermann leicht ein, die nasse Witterung, die uns die Westwinde | ||||||
22 | zuziehen, der Lage unseres Landes zuzuschreiben, welchem ein großes Meer | ||||||
23 | gegen Abend liegt. Allein diese so leicht, so natürlich scheinende Erklärung | ||||||
24 | wird durch Vergleichung mit der Witterung anderer Länder sehr zweifelhaft | ||||||
25 | gemacht, wo nicht gänzlich aufgehoben. Musschenbroek, der sonst | ||||||
26 | eben derselben Meinung zugethan ist, wird dennoch darin ein wenig ungewiß, | ||||||
27 | wenn er erwägt, daß der Nordwind in den Niederlanden ein | ||||||
28 | trockener Wind sei, ob er gleich über das große deutsche Meer und selbst | ||||||
29 | über den nordischen Ocean streicht. Er schreibt seine Trockenheit der Kälte | ||||||
30 | desselben zu. Allein wenn im Sommer die Sonne diesen Ocean hinlänglich | ||||||
31 | erwärmt, so fällt dieser Vorwand Weg, und der Wind bleibt dem ungeachtet | ||||||
32 | trocken. Man findet aber in der physischen Geographie noch | ||||||
33 | stärkere Gründe wider die gemeine Meinung. | ||||||
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