Kant: AA I, Geschichte und Naturbeschreibung ... , Seite 438 |
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| 01 | nöthig, um aus einem einzigen Vorfall die Ursache derselben abzunehmen. | ||||||
| 02 | Man kann sich vornehmlich folgende Ursachen gedenken, welche | ||||||
| 03 | die angeführte Naturbegebenheit hätten hervorbringen können: entweder | ||||||
| 04 | erstlich durch eine Bebung des Meergrundes allenthalben unmittelbar | ||||||
| 05 | unter denjenigen Örtern, wo die See in Rüttelung gerieth, und alsdann | ||||||
| 06 | müßte man Grund angeben, woher die Feuerader, die diese Bebungen | ||||||
| 07 | hervor brachte, bloß unter dem Boden der Seen fortgelaufen sei, ohne | ||||||
| 08 | unter die Länder sich zu erstrecken, die mit diesen Meeren in naher Verbindung | ||||||
| 09 | stehen und oft die Gemeinschaft derselben unterbrechen. Man | ||||||
| 10 | würde sich durch die Frage betreten finden, woher die Erschütterung des | ||||||
| 11 | Bodens, da sie von Glückstadt an der Nordsee bis zu Lübeck an der Ostsee | ||||||
| 12 | und an den mecklenburgischen Küsten sich ausgebreitet hat, nicht in Holstein | ||||||
| 13 | empfunden worden, welches zwischen diesen Meeren mitten inne liegt | ||||||
| 14 | und woselbst nur etwa eine gelinde Bebung dicht an dem Ufer des Gewässers | ||||||
| 15 | verspürt worden, keine aber in dem Innern des Landes. Am deutlichsten | ||||||
| 16 | aber wird man durch die Wallung der weit von dem Meer entlegenen | ||||||
| 17 | Wasser überführt, als des Sees bei Templin, derer in der Schweiz | ||||||
| 18 | und anderer. Man kann leicht erachten, daß, um ein Gewässer durch die | ||||||
| 19 | Bebung des Bodens in ein so gewaltiges Aufwallen zu bringen, die Erschütterung | ||||||
| 20 | gewiß nicht gering sein müsse. Warum aber haben diesen gewaltigen | ||||||
| 21 | Stoß alle umliegende Länder nicht empfunden, unter welchen die | ||||||
| 22 | Feuerader doch nothwendig mußte fortgelaufen sein? Man sieht leicht, | ||||||
| 23 | daß alle Merkmale der Wahrheit dieser Meinung entgegen sind. Eine Erschütterung, | ||||||
| 24 | die der dichten Masse der Erde selber durch einen an einem | ||||||
| 25 | Orte geschehenen heftigen Schlag rund umher eingedrückt worden, so wie | ||||||
| 26 | der Boden in einiger Entfernung bebt, wenn ein Pulverthurm springt, | ||||||
| 27 | verliert in der Anwendung auf diesen Fall auch ganz und gar die Wahrscheinlichkeit | ||||||
| 28 | sowohl aus der schon angeführten Ursache, als wegen des entsetzlichen | ||||||
| 29 | Umfanges, welcher, wenn man ihn mit dem Umfange der ganzen | ||||||
| 30 | Erde vergleicht, einen so beträchtlichen Theil derselben ausmacht, daß | ||||||
| 31 | dessen Bebung nothwendig eine Schüttelung der ganzen Erdkugel hätte | ||||||
| 32 | nach sich ziehen müssen. Nun kann man sich aber aus dem Buffon belehren, | ||||||
| 33 | daß ein Ausbruch des unterirdischen Feuers, welches ein Gebirge, | ||||||
| 34 | das 1700 Meilen lang und 40 breit wäre, eine Meile hoch werfen könnte, | ||||||
| 35 | den Erdkörper nicht einen Daumen breit aus seiner Lage würde verrücken | ||||||
| 36 | können. | ||||||
| 37 | Wir werden also die Ausbreitung dieser Wasserbewegung in einer | ||||||
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