Kant: AA I, Allgemeine Naturgeschichte und ... , Seite 313 |
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01 | das sich vielleicht auf die Dichtigkeit der Partikeln bezog, und nach | ||||||
02 | welchem von einem gewissen Punkte, als dem Orte der dichtesten Häufung, | ||||||
03 | mit den Weiten von diesem Mittelpunkte die Zerstreuung des | ||||||
04 | Urstoffes zunahm: so wird in der ursprünglichen Regung der Natur | ||||||
05 | die Bildung zunächst diesem Centro angefangen und dann in fortschreitender | ||||||
06 | Zeitfolge der weitere Raum nach und nach Welten und | ||||||
07 | Weltordnungen mit einer gegen dieses sich beziehenden systematischen | ||||||
08 | Verfassung gebildet haben. Ein jeder endliche Periodus, dessen Länge | ||||||
09 | zu der Größe des zu vollbringenden Werks ein Verhältniß hat, wird | ||||||
10 | immer nur eine endliche Sphäre von diesem Mittelpunkte an zur Ausbildung | ||||||
11 | bringen; der übrige unendliche Theil wird indessen noch mit | ||||||
12 | der Verwirrung und dem Chaos streiten und um so viel weiter von | ||||||
13 | dem Zustande der vollendeten Bildung entfernt sein, je weiter dessen | ||||||
14 | Abstand von der Sphäre der schon ausgebildeten Natur entfernt ist. | ||||||
15 | Diesem zu Folge ob wir gleich von dem Orte unseres Aufenthalts in | ||||||
16 | dem Universo eine Aussicht in eine, wie es scheint, völlig vollendete | ||||||
17 | Welt und, so zu reden, in ein unendliches Heer von Weltordnungen, | ||||||
18 | die systematisch verbunden sind, haben: so befinden wir uns doch | ||||||
19 | eigentlich nur in einer Naheit zum Mittelpunkte der ganzen Natur, wo | ||||||
20 | diese sich schon aus dem Chaos ausgewickelt und ihre gehörige Vollkommenheit | ||||||
21 | erlangt hat. Wenn wir eine gewisse Sphäre überschreiten | ||||||
22 | könnten, würden wir daselbst das Chaos und die Zerstreuung der | ||||||
23 | Elemente erblicken, die nach dem Maße, als sie sich diesem Mittelpunkte | ||||||
24 | näher befinden, den rohen Zustand zum Theil verlassen und | ||||||
25 | der Vollkommenheit der Ausbildung näher sind, mit den Graden der | ||||||
26 | Entfernung aber sich nach und nach in einer völligen Zerstreuung | ||||||
27 | verlieren. Wir würden sehen, wie der unendliche Raum der göttlichen | ||||||
28 | Gegenwart, darin der Vorrath zu allen möglichen Naturbildungen | ||||||
29 | anzutreffen ist, in einer stillen Nacht begraben liegt voll von Materie, | ||||||
30 | den künftig zu erzeugenden Welten zum Stoffe zu dienen, und von | ||||||
31 | Triebfedern sie in Bewegung zu bringen, die mit einer schwachen | ||||||
32 | Regung diejenige Bewegungen anfangen, womit die Unermeßlichkeit | ||||||
33 | dieser öden Räume dereinst noch soll belebt werden. Es ist vielleicht | ||||||
34 | eine Reihe von Millionen Jahren und Jahrhunderten verflossen, ehe | ||||||
35 | die Sphäre der gebildeten Natur, darin wir uns befinden, zu der | ||||||
36 | Vollkommenheit gediehen ist, die ihr jetzt beiwohnt; und es wird vielleicht | ||||||
37 | ein eben so langer Periodus vergehen, bis die Natur einen eben | ||||||
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