Kant: AA I, Allgemeine Naturgeschichte und ... , Seite 228

     
           
 

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Text (Kant):

 

 

 

 
  01 in welchem die Naturen der Dinge zu vereinbarten Absichten entworfen      
  02 worden?      
           
  03 Die Materie, die der Urstoff aller Dinge ist, ist also an gewisse      
  04 Gesetze gebunden, welchen sie frei überlassen nothwendig schöne Verbindungen      
  05 hervorbringen muß. Sie hat keine Freiheit von diesem Plane      
  06 der Vollkommenheit abzuweichen. Da sie also sich einer höchst weisen      
  07 Absicht unterworfen befindet, so muß sie nothwendig in solche übereinstimmende      
  08 Verhältnisse durch eine über sie herrschende erste Ursache      
  09 versetzt worden sein, und es ist ein Gott eben deswegen, weil      
  10 die Natur auch selbst im Chaos nicht anders als regelmäßig      
  11 und ordentlich Verfahren kann.      
           
  12 Ich habe so viel gute Meinung von der redlichen Gesinnung derjenigen,      
  13 die diesem Entwurfe die Ehre thun, ihn zu prüfen, daß ich      
  14 mich versichert halte, die angeführte Gründe werden, wo sie noch nicht      
  15 alle Besorgniß schädlicher Folgen von meinem System aufheben können,      
  16 dennoch wenigstens die Lauterkeit meiner Absicht außer Zweifel setzen.      
  17 Wenn es dem ungeachtet boshafte Eiferer giebt, die es für eine würdige      
  18 Pflicht ihres heiligen Berufs halten, den unschuldigsten Meinungen      
  19 schädliche Auslegungen anzuheften, so bin ich versichert, daß ihr Urtheil      
  20 bei allen Vernünftigen gerade die entgegengesetzte Wirkung ihrer      
  21 Absicht hat. Man wird mich übrigens des Rechts nicht berauben,      
  22 das Cartesius, als er die Bildung der Weltkörper aus blos mechanischen      
  23 Gesetzen zu erklären wagte, bei billigen Richtern jederzeit genossen      
  24 hat. Ich will deswegen die Verfasser der allgemeinen Welthistorie*)      
  25 anführen: "Indessen können wir nicht anders als glauben:      
  26 daß der Versuch dieses Weltweisen, der sich bemüht die Bildung der      
  27 Welt in gewisser Zeit aus wüster Materie durch die bloße Fortsetzung      
  28 einer einmal eingedrückten Bewegung zu erklären, und solches auf      
  29 einige wenige leichte und allgemeine Bewegungsgesetze gebracht, so      
  30 wenig als anderer, die seit dem mit mehrerem Beifall eben      
  31 das versucht haben aus den ursprünglichen und anerschaffenen      
  32 Eigenschaften der Materie zu thun, strafbar oder Gott      
  33 verkleinerlich sei, wie sich manche eingebildet haben, indem dadurch      
  34 vielmehr ein höherer Begriff seiner unendlichen Weisheit      
  35 verursacht wird."      
           
           
    *) I Theil § 88.      
           
     

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