Kant: AA I, Die Frage, ob die Erde veralte, ... , Seite 204 |
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01 | allererst in 600 Jahren voll machen, nachdem die Ausdunstung selbiges | ||||||
02 | in eben so viel Jahren völlig ausgetrocknet hätte. Nach dieser Rechnung | ||||||
03 | wäre der Ocean durch den Einfluß aller Bäche und Ströme nun | ||||||
04 | schon seit der Schöpfung zehnmal voll geworden; das Salz aber, das | ||||||
05 | von diesen Flüssen nach der Ausdünstung zurückgeblieben, könnte nur | ||||||
06 | zehnmal so viel austragen, als dasjenige, womit es natürlicher Weise | ||||||
07 | begabt ist; woraus folgen müßte: daß, um den Grad der Salzigkeit | ||||||
08 | des Meeres herauszubekommen, man einen Kubikschuh Flußwasser nur | ||||||
09 | zehnmal dürfe abdünsten lassen, worauf dessen zurückgebliebenes Salz | ||||||
10 | eben so viel, als eine gleiche Quantität Meerwasser nach einer einzelnen | ||||||
11 | Abdünstung zurück läßt, austragen würde; welches gar zu weit von | ||||||
12 | der Wahrscheinlichkeit entfernt ist, als daß es auch nur einen Unwissenden | ||||||
13 | überreden könnte, weil nach Wallerii Rechnung das Wasser | ||||||
14 | in der Nordsee an den Orten, wo wenige Flüsse ins Meer fallen, den | ||||||
15 | zehnten, bisweilen den siebenten, im Bottnischen Meerbusen, wo selbiges | ||||||
16 | sehr mit dem süßen Flußwasser verdünnt ist, dennoch den vierzigsten | ||||||
17 | Theil Salz in sich enthält. Die Erde ist also auf diesen Fuß hinlänglich | ||||||
18 | gesichert, durch den Regen und die Flüsse ihr Salz und Fruchtbarkeit | ||||||
19 | nicht zu verlieren. Es ist vielmehr zu vermuthen, daß das | ||||||
20 | Meer, anstatt das feste Land seiner salzigen Theile zu berauben, selbigem | ||||||
21 | eher von den seinigen mittheile; denn obgleich die Ausdünstung | ||||||
22 | das grobe Salz zurück läßt, so erhebt es doch einen Theil desjenigen, | ||||||
23 | das flüchtig geworden, welches zusammt den Dünsten über das feste | ||||||
24 | Land geführt wird und dem Regen diejenige Fruchtbarkeit ertheilt, dazu | ||||||
25 | dieser selbst vor dem Fließwasser vorzüglich geschickt ist. | ||||||
26 | Die andere Meinung hat einen größeren Grad der Glaubwürdigkeit | ||||||
27 | und stimmt mit sich selber viel besser überein. Manfred, der sie | ||||||
28 | in dem Commentario des Bologneser Instituts so gelehrt als vorsichtig | ||||||
29 | abgehandelt, und dessen Ausführung in dem allgemeinen Magazin der | ||||||
30 | Natur zu finden ist, mag bei Prüfung derselben ihr allein das Wort | ||||||
31 | reden. Er bemerkt: daß der alte Fußboden der Kathedralkirche zu | ||||||
32 | Ravenna, welcher unter dem neuen, mit Schutte bedeckt, angetroffen | ||||||
33 | wird, 8 Zoll niedriger als die Wasserwage des Meeres sei, wenn selbiges | ||||||
34 | Fluth hat, und daher zu der Zeit ihrer Erbauung, wenn das | ||||||
35 | Meer damals nicht niedriger, als jetzt gewesen, bei jeder Fluth hätte | ||||||
36 | müssen unter Wasser gesetzt werden, weil die alten Zeugnisse beweisen, | ||||||
37 | daß das Meer dazumal bis an diese Stadt gegangen sei. Er führt | ||||||
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