Kant: AA I, Gedanken von der wahren ... , Seite 167 |
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01 | 3. Daß es nicht ohne Unterschied wahr sei: daß die Wirkungen | ||||||
02 | zweier Körper, deren Kräfte lebendig sind, und deren Geschwindigkeit | ||||||
03 | gleich ist, sich bei gleichen Umständen wie ihre Masse verhalten; denn | ||||||
04 | wenn die eine von ihnen kleiner ist, als nach Maßgebung der angeführten | ||||||
05 | Regel sein soll, so geht ihre Wirkung noch dazu von dem Quadratmaße | ||||||
06 | der Geschwindigkeit ab und ist also viel kleiner, als sie nach | ||||||
07 | dem Verhältniß der Massen allein hätte sein sollen. | ||||||
08 | 4. Daß sogar die Veränderung der Figur der Körper ohne Änderung | ||||||
09 | ihrer Masse verursachen könne, daß ihre Wirkung bei den angeregten | ||||||
10 | Umständen die Proportion ihrer Geschwindigkeit habe, obgleich | ||||||
11 | die Kraft das Verhältniß vom Quadrate derselben hat, und daß also | ||||||
12 | ein Körper, der eine lebendige Kraft hat, eine viel kleinere Wirkung | ||||||
13 | thun könne bloß deswegen, weil seine Figur geändert worden, ohne | ||||||
14 | daß weder seine Masse, noch Geschwindigkeit, noch lebendige Kraft, | ||||||
15 | oder die Beschaffenheit der Hinderniß im geringsten eine Veränderung | ||||||
16 | erlitten. Z. E. So muß eine güldene Kugel mit lebendiger Kraft | ||||||
17 | eine viel größere Wirkung thun, als wenn eben dieselbe güldene Masse | ||||||
18 | mit gleicher Geschwindigkeit und Kraft gegen dieselbe Hinderniß anliefe, | ||||||
19 | aber so, daß sie vorher zu einem dünnen und weit ausgedehnten | ||||||
20 | Goldblatt geschlagen worden. Denn obgleich hier in Ansehung der | ||||||
21 | Kraft nichts verändert worden ist, so macht doch die Änderung der | ||||||
22 | Figur, daß seine kleinsten Theile die Hinderniß hier eben so treffen, | ||||||
23 | als wenn sie von einander abgesondert auf dieselbe gestoßen hätten, | ||||||
24 | folglich laut dem kurz vorher Erwiesenen lange nicht mit ihrer lebendigen | ||||||
25 | Kraft und derselben proportional wirken, sondern eine Wirkung | ||||||
26 | ausüben, die dem Maße der schlechten Geschwindigkeit entweder nahe | ||||||
27 | kommt, oder mit ihr übereintrifft; da im Gegentheil, wenn die Masse | ||||||
28 | in der Figur einer soliden Kugel gegen die Hinderniß anläuft, sie auf | ||||||
29 | eine so kleine Fläche derselben trifft, daß die unendlich kleine Momente | ||||||
30 | der Widersetzungen, welche sie in so kleinem Raume antrifft, nicht im | ||||||
31 | Stande sind, die Bewegung dieser Masse aufzuzehren, folglich die lebendige | ||||||
32 | Kraft unversehrt bleibt, um einzig und allein gegen die endlichen | ||||||
33 | Grade der Widerstrebung dieser Hinderniß angewandt zu werden; | ||||||
34 | gleichwie es dagegen klar ist, daß sie mit ihrer ersten Figur eine | ||||||
35 | überaus große Fläche der Hinderniß deckt und folglich bei einerlei | ||||||
36 | Masse einen unglaublich größern Widerstand von der unendlich kleinen | ||||||
37 | Sollicitation, die in jedem Punkte der Hinderniß anzutreffen ist, erleidet | ||||||
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