Kant: AA I, Gedanken von der wahren ... , Seite 127

     
           
 

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  01 der Bewegung etwas abgeht. Wenn aber die Zeit dieser Dauer      
  02 unendlich klein ist, so ist sie wie nichts zu rechnen, und der Körper      
  03 ist nur in dem Anfangspunkte, d. i. in einer bloßen Bestrebung zur      
  04 Bewegung. Folglich wenn es ohne fernere Einschränkung, so wie      
  05 Leibnizens Gesetz erheischt, wahr ist, daß des Körpers Kraft in jeder      
  06 wirklichen Bewegung das Quadrat zum Maße hat: so ist sie auch bei      
  07 bloßer Bestrebung zur Bewegung also beschaffen; welches sie selber      
  08 doch verneinen müssen.      
           
  09 Es scheint beim ersten Anblicke, als wenn Leibnizens Woher der    
  10 Gesetz durch die ihm anhängende Einschränkung der endlichen undeterminirte    
  11 verflossenen Zeit genugsam gesichert sei, daß es nicht Begriff der    
  12 auf die Bewegung, deren Dauer unendlich klein ist, könne endlichen Zeit    
  13 gezogen werden; denn die endliche Zeit ist ja ein Begriff, die unendlich    
  14 der ein von der unendlich kleinen Zeit ganz unterschiedliches kleine mit in    
  15 Geschlecht andeutet: also hat es das Ansehen, daß sich schließt.    
  16 bei dieser Einschränkung dasjenige durchaus nicht könne auf die unendlich      
  17 kleine Zeit gezogen werden, was nur unter der Bedingung      
  18 der endlichen zugelassen wird. Es hat dieses auch seine Richtigkeit:      
  19 wenn man von der endlichen Zeit so redet, daß man dabei voraussetzt,      
  20 daß sie bestimmt und ihre Größe determinirt sein müsse, wenn diese      
  21 oder jene Eigenschaft aus ihr als einer Bedingung herfließen soll.      
  22 Wenn man aber eine endliche Zeit erfordert, aber dabei zuläßt, daß      
  23 man sie so groß oder klein nehmen könne, als man wolle: so ist alsdann      
  24 auch die unendlich kleine Zeit mit in ihr Geschlecht eingeschlossen.      
  25 Den Leibnizianern kann dieses nicht unbekannt sein. Denn sie müssen      
  26 wissen, daß ihr Ahnherr das Gesetz der Continuität auf diesem      
  27 Grunde erbauet habe: daß nämlich, wenn man annimmt, A sei größer      
  28 als B, doch so, daß es unbestimmt sei, wie viel oder wenig es größer      
  29 sei, so werde man, ohne den Gesetzen, die unter dieser Bedingung wahr      
  30 sind, Eintrag zu thun, auch sagen können, A sei B gleich, oder, wenn      
  31 man A gegen B anlaufen läßt und annimmt, daß sich B auch bewege,      
  32 so werde man, wenn der Grad dieser seiner Bewegung unbestimmt      
  33 ist, auch annehmen können, daß B ruhe, ohne daß hiedurch dasjenige      
  34 könne aufgehoben werden, was unter jener Bedingung festgesetzt ist,      
  35 und so in andern Fällen mehr.      
           
  36 Wollte man endlich noch sagen, daß Leibnizens Schätzung zwar      
  37 nicht unter der Bedingung der endlichen Zeit, aber dennoch unter der      
           
     

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