Kant: AA I, Gedanken von der wahren ... , Seite 113 |
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01 | allein ich glaube, meine Leser werden kein großes Verlangen | ||||||
02 | darnach bezeigen. Wenn man jemals mit Grunde gesagt hat, daß | ||||||
03 | ein großes Buch ein groß übel sei, so würde man es von einem solchen | ||||||
04 | sagen können, welches wie dieses wenig andere Dinge als lauter verschiedene | ||||||
05 | Vertheidigungen eben derselben Sache und zwar einer sehr | ||||||
06 | abstracten Sache anzieht, endlich sie nur zu einem einzigen Endzwecke | ||||||
07 | anzieht, nämlich sie alle zu widerlegen. | ||||||
08 | Wir können indessen diesem Mißbrauche der Weitläuftigkeit nicht | ||||||
09 | so gänzlich absagen, daß wir nicht noch einen Beweis herbei zu ziehen | ||||||
10 | berechtigt sein sollten, von dessen Verschweigung uns gleichwohl die | ||||||
11 | ganze Anzahl der Gegner und Verfechter unserer Streitsache lossprechen | ||||||
12 | würde. Dieser Beweis hat nur wegen des Ranges seines Verfassers | ||||||
13 | einen Anspruch auf eine Stelle in dieser Abhandlung; allein er hat | ||||||
14 | nicht die geringste in Betrachtung des Ansehens, darin er bei den | ||||||
15 | Anhängern beider Parteien steht. Die Leibnizianer haben nicht geglaubt, | ||||||
16 | daß er ihrer Meinung etwas nutzen könne, und man hat nicht | ||||||
17 | gesehen, daß sie zu demselben ihre Zuflucht genommen hätten, so sehr | ||||||
18 | sie auch öfters in die Enge getrieben worden. | ||||||
19 | § 103. |
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20 | Herr Wolff ist derjenige, von dem wir diesen Beweis | Ein Argument | |||||
21 | haben, und den er, mit allem Gepränge der Methode | des Herrn | |||||
22 | ausgeziert, in dem ersten Bande des Petersburgischen | Wolffen. | |||||
23 | Commentarii vorgetragen hat. Man kann sagen: daß die Hindurchführung | ||||||
24 | seines Satzes durch eine große Reihe von vorhergehenden | ||||||
25 | Sätzen, die vermittelst einer gestrengen Methode sehr genau zertheilt | ||||||
26 | und vervielfältigt werden, der Kriegslist einer Armee zu vergleichen | ||||||
27 | ist, welche, damit sie ihrem Feinde ein Blendwerk mache und ihre | ||||||
28 | Schwäche verberge, sich in viele Haufen sondert und ihre Flügel weit | ||||||
29 | ausdehnt. | ||||||
30 | Ein jeder, der seine Abhandlung in dem angeführten Werke der | ||||||
31 | Akademie lesen wird, wird befinden, daß es sehr schwer sei, in ihr dasjenige | ||||||
32 | heraus zu suchen, was darin den rechten Beweis ausmacht, so | ||||||
33 | sehr ist alles vermöge der analytischen Neigung, die sich daselbst hervor | ||||||
34 | thut, gedehnt und unverständlich gemacht worden. Wir wollen | ||||||
35 | uns die Beschaffenheit seines Unternehmens einigermaßen bekannt | ||||||
36 | machen. | ||||||
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