Kant: AA I, Gedanken von der wahren ... , Seite 087 |
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01 | Lehnsätze setze ich zum Grunde, denn sie sind von beiden Parteien, der | ||||||
02 | Leibnizischen sowohl als der Cartesianischen, gebilligt. Ich setze ferner | ||||||
03 | drittens zum Grunde, daß die Schwere in einen Körper, der sich frei | ||||||
04 | bewegt, in einer endlichen Zeit eine endliche Kraft hineinbringe, oder | ||||||
05 | auch in demselben verzehre, wenn die beiden Kräfte, die, welche dem | ||||||
06 | Körper beiwohnt, und die, womit die Schwere drückt, einander entgegen | ||||||
07 | wirken. Nun ist der angenommene Körper, der um den gegebenen | ||||||
08 | Mittelpunkt in einem Cirkel läuft, dem Drucke der Schwere unaufhörlich | ||||||
09 | ausgesetzt und erleidet also durch die Summe aller unendlich | ||||||
10 | kleinen Schwerdrückungen in einer endlichen Zeit eine endliche Kraft, | ||||||
11 | womit er gegen den Mittelpunkt seiner Umwendung getrieben wird, | ||||||
12 | per Lemma 3. Indessen hält der Körper durch seine eigenthümliche | ||||||
13 | Kraft allen diesen in ihn geschehenen Drückungen das Gleichgewicht, | ||||||
14 | indem er sich immer in eben derselben Entfernung von dem Mittelpunkte | ||||||
15 | erhält. Also hat er in jedweder endlichen Zeit auch eine endliche Kraft | ||||||
16 | in Ansehung der überwundenen Hindernisse der Schwere ausgeübt. | ||||||
17 | Nun ist aus dem, was wir § 79 ersehen haben, klar, daß, wenn ein | ||||||
18 | Körper in schiefer Richtung eine gewisse Anzahl Hindernisse überwunden | ||||||
19 | hat, die zusammen eine endliche Größe der Kraft betragen, er hiebei | ||||||
20 | zugleich (wenn man die Leibnizische Schätzung zugiebt) an seiner ihm | ||||||
21 | beiwohnenden Kraft einen Verlust von einer endlichen Größe erleiden | ||||||
22 | müsse. Folglich verliert der angenommene Körper in jedweder endlichen | ||||||
23 | Zeit seines Cirkellaufes durch die Zurückhaltungen der Schwere | ||||||
24 | eine endliche Kraft und also in einer gewissen bestimmten Zeit seine | ||||||
25 | ganze Kraft und Geschwindigkeit; denn die Geschwindigkeit, die er in | ||||||
26 | seinem Kreislaufe besitzt, ist nur endlich. Lemma 1. | ||||||
27 | Er kann also entweder gar nicht in einem Cirkel laufen, es sei | ||||||
28 | denn, daß er eine unendliche Geschwindigkeit habe, oder man muß zugeben: | ||||||
29 | daß ein Körper durch die Summe aller schrägen Wirkungen | ||||||
30 | hier unendlich viel mehr ausrichten könne, als er in geradem Anlaufe | ||||||
31 | Kraft besitzt, und daß das Leibnizische Kräftenmaß, das dieses nicht | ||||||
32 | zugiebt, falsch sei. | ||||||
33 | § 81. |
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34 | Weil der Gedanke, den wir hier ausgeführt haben, sehr fruchtbar | ||||||
35 | von Folgen ist, so wollen wir alle kleinen Schwierigkeiten um ihn wegräumen | ||||||
36 | und denselben, so viel möglich ist, klar und eben machen. | ||||||
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