Kant: AA I, Gedanken von der wahren ... , Seite 057 |
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01 | angewandt haben; folglich sind die Kräfte der Kugeln A und B ungleich, | ||||||
02 | obgleich ihre Geschwindigkeiten in umgekehrter Proportion ihrer | ||||||
03 | Massen stehen. Wenn nun die Feder R sich völlig ausgedehnt hat, | ||||||
04 | und die Körper kämen mit eben denselben Geschwindigkeiten gegen sie | ||||||
05 | zurück, welche sie ihnen beim Losspringen mitgetheilt hat, so sieht | ||||||
06 | man leicht, daß einer den andern vermittelst der Zusammendrückung | ||||||
07 | der Feder in Ruhe versetzen würde. Nun sind ihre Kräfte ungleich, | ||||||
08 | folglich erkennt man hieraus, wie es möglich sei, daß sich zwei Körper | ||||||
09 | mit ungleichen Kräften einander in Ruhe versetzen können. Hievon | ||||||
10 | macht er die Anwendung auf den Zusammenstoß der unelastischen | ||||||
11 | Körper. | ||||||
12 | § 46. |
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13 | Ich erkenne in dieser Schlußrede nicht den Herrn | Des Herrn | |||||
14 | Bernoulli, der gewohnt war, seine Beweise in viel vollkommnerer | Bernoulli | |||||
15 | Schärfe zu bilden. Es ist unstreitig gewiß, | Gedanken | |||||
16 | daß die von einander springende Feder einem von den | werden widerlegt. | |||||
17 | Körpern A und B eben so viel Kraft ertheilen müsse, als | ||||||
18 | wie dem andern. Denn sie bringt so viel Kraft in die Kugel A, als | ||||||
19 | die Intensität groß ist, mit der sie sich gegen die andere Kugel B | ||||||
20 | steift. Wenn sie sich gar nicht an irgend einen Widerhalt steifte, so | ||||||
21 | würde sie der Kugel A gar keine Kraft ertheilen, denn alsdann würde | ||||||
22 | sie ohne einzige Wirkung losspringen. Daher kann diese Feder keine | ||||||
23 | Kraft an A anwenden, ohne von der andern Seite der beweglichen | ||||||
24 | Kugel B eben denselben Grad der Gewalt einzudrücken. es sind also | ||||||
25 | die Kräfte der Kugeln A und B einander gleich und nicht, Wie Herr | ||||||
26 | Bernoulli sich fälschlich überredet hat, wie die Länge AR zu RB. | ||||||
27 | Man sieht leicht, wie der Irrthum in dem Schlusse des Herrn | ||||||
28 | Bernoulli entsprungen sei. Der Satz, auf den die Leibnizische Partei | ||||||
29 | so sehr dringt, ist die Quelle desselben: nämlich, daß die Kraft eines | ||||||
30 | Körpers sich wie die Anzahl Federn verhalte, die in ihn gewirkt | ||||||
31 | haben.*) Wir haben denselben schon oben widerlegt, und der Fall des | ||||||
32 | Herrn Bernoulli bestätigt unsern Gedanken. | ||||||
*) Die Körper A und B haben also deswegen gleiche Kräfte, weil die Federn RA und RB in sie gleich lange gewirkt haben, und weil die Theile dieser Federn alle gleich stark gespannt waren. | |||||||
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