Text 257, Georg Göz: Leich-Abdankungen, Jena 1664

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Text 257

Georg Göz: M. Georg Gaͤzens / der wohllaͤbl. Philos. Facult. zu Jehn Adjuncti, Leich-Abdanckungen / nebenst einem Anhange ezzlicher deutscher Reed-Ubungen / izzo wiederuͤm uͤbersehen (...)

Jena, 1664, Johan Jakob Bauhöfer.
Thueringisch, Jena.
Zeitraum: VII, 1664.
aufgenommen: S. 162-318 (ohne Verspartien)
Verfasser: Georg Göz, *1633 bei Jena, Generalsuperintendent in Jena, †1699
Drucker: Johann Jakob Bauhöfer aus Wien, ab 1654 in Jena, druckte dort 1660-†1692
Textart: Erbaulicher Text
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1 Abdankung
2 Bei
3 Christlicher Beerdigung
4 Der Erbarn und Viel-Tugend-samen
5 Frauen Barbaren /
6 Des
7 Wohl-Ehrenvesten/ Vorachtbarn
8 und Wohlgelahrten
9 Hn. Heinrich Krullen /
10 JC. und beruͤhmten
11 Practici, damahls in Weinmar /
12 Herzliebst-gewesenen Haus-frauen/
13 Daselbst gehalten
14 im
15 Jahr Christi 1657. den 16.
16 Augusti.
Seite 162
1 Hochansehnliche Herren/
2 Tugendbegabte Frauen und
3 Jungfrauen.
4 Gleich wie die Geschichtschreiber
5 von den maͤchtigen Perser-Lande
6 uns allerhand wunderseltzame
7 Dinge berichten/ also schreiben
8 sie absonderlich/ daß in demselben
9 auf einem wuͤsten Gefilde
10 drei abentheuerliche Berge
11 liegen. Wann die Reisenden auf
12 deren ersten kommen/ stosset ihnen
13 ein dunkeler Hall/ fast als eines
14 hefftigen Streit-Tumults/ der
15 doch ferne/ zu Ohren/ aber keine
16 verstaͤndliche Stimme. Reisen sie
17 weiter fort/ und kommen auf den
18 andern/ so vernehmen sie eine
19 deutliche Stimme auf einander stossender
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1 Reiter/ sie hoͤren das
2 Prasseln der Wagen/ das Rasseln
3 der Harnische/ unterscheiden auch
4 das trukkene Geschrei der hizzigen
5 Hengste/ als ob es ganz in der Naͤhe
6 und mitten unter ihnen waͤhre.
7 Auf dem dritten Berge aber hoͤren
8 sie ganz andere Stimmen/ als
9 ein Freuden-Geschrei und helles
10 Jauchzen uͤber erhaltener Schlacht/
11 einem Triumph nicht gar unaͤhnlich.
12
13 Ob nun wohl dieses selzame/
14 wunderwuͤrdige Werk seine gewissen
15 natuͤrlichen Ursachen hat/ und
16 ( wo einige Muhtmassung zulaͤßlich )
17 wohl dannenhero entspringen
18 mag/ daß/ gleich wie in vielen andern/
19 also auch in diesen Wunder-Bergen
20 hohle Gaͤnge und Kluͤffte
21 sein/ durch welche eine und andere
22 Qvelle abfaͤllt/ und durch ihr Anschlagen
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1 solchen und solchen Thoon
2 oder Laut verursachet: so scheinets
3 doch im uͤbrigen nicht ganz ungefaͤhr
4 zu kommen/ sondern von Gott
5 durch die Natur zu einem Sonnen Klaren
6 Spiegel der Beschaffenheit
7 menschliches Leebens uns vor die
8 Augen geleget zu sein.
9 Denn fassets/ hochgeneigte Aufmerker/
10 in etwas genaueres Nachdenken
11 Wir sind in dieser Welt
12 nichts anders als Pilgrim/ die
13 doch nicht die geringste bleibende
14 Staͤtte haben: Unser ganzer Leebens-Wandel
15 ist/ die Warheit zu
16 bekennen/ eine blosse/ aber recht saure
17 Reise uͤber drei grosse Angst-Berge.
18
19 Den ersten tretten wir an bei
20 unserer leiblichen Gebuhrt/ der
21 Schritt aus muͤtterlichem Leibe geschicht
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1 auf diesen Leebens-Berg.
2 Da scheinets/ als ob uns unser eigenes
3 Herze durch einen fernen und
4 noch dunkeln Hall zu vernehmen gaͤbe
5 den Streit/ das Creuz/ Ungluͤkk
6 und Elend/ welches unsere Bruͤder
7 hin und wieder in der Welt haben.
8 Wiewohl nun solches noch von fernen
9 ist/ und von uns deutlich nicht
10 kan vernommen werden/ so andet
11 es doch unser Gemuͤhte/ daß es mit
12 der Zeit auch uns gelten werde/ und
13 bejammern es mit klaͤglichen Thraͤnen.
14 Denn Weinen ist unsere gewoͤhnliche
15 erste Stimme. Diesen
16 Berg durchstreichen wir mit Spielen
17 und kindischer Eitelkeit.
18 Den andern aber besteigen
19 wir mit Anfang unserer bluͤhenden
20 Jugend und reifern Jahre: da
21 wird uns von Streit und Wiederwaͤrtigkeit
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1 nur allzudeutlich gesaget/
2 ja wir selbst werden mit in den
3 Streit gezogen/ und bekommen mit
4 unterschiedlichen/ Theils sehr grausamen
5 Feinden zu kaͤmpfen. Bald
6 sezzet an uns ein Schein-Feind/
7 welcher uns in schwehren Kampf
8 fuͤhret/ ob er gleich nicht eben unser
9 Verderben/ oder uns zu uͤberwinden
10 sucht: Dieser ist niemand anders/
11 als der hohe GOtt in seinem
12 verborgenen Throne/ der verwandelt
13 sich oͤffters in einen grausamen/
14 und kaͤmpfet durch harte Versuchung/
15 wird aber uͤberwunden
16 durch Glauben/ Geduld und Hoffnung/
17 wie uns die Beispiele der Heiligen/
18 Abrahams / Hiobs und der
19 Cananitin sattsamlich belehren.
20 Bald ziehen gegen uns warhafftige
21 Feinde/ die recht unser Bluht
22 und Seele suchen: Deren einen
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1 naͤhren wir auf unserm Grunde
2 und Boden/ heisset Fleisch und
3 Bluht; Zwene aber bestreiten uns
4 von aussen/ der Sathan und sein
5 lieber Bunds-Genosse/ die arge/ boͤse
6 Welt/ welche alle mehr als tausendmahl
7 tausend feurige Pfeile auf unsere
8 arme Seele abschiessen. Dieses
9 ist nun ein sehr schauriger/ und zu
10 weilen weitlaͤufftiger Berg/ und hat
11 manchem Heiligen viel Seufzer und
12 Thraͤnen ausgejaget. Hiob / dessen
13 Geduld doch fast wie unuͤberwindlich
14 schiene/ verfluchte hier
15 im Steigen seine eigene Gebuhrt.
16 David winselt und klaget:
17 Ach wie lange/ wie lange
18 verbirgest du dein Antlizz
19 vor mir und will/ daß alle seine
20 Tritte gleichsam gezaͤhlet/
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1 und seine Thraͤnen wie in einen
2 Sakk gefasset werden moͤgen:
3 Jeremias schreibt ein ganzes
4 Buch voll Thraͤnen.
5 Wir alle stehn izt gleich an diesem
6 Berge: und wer ist unter uns/ der/
7 wo er reden solte/ nicht eine weitlaͤufftige
8 Klage/ uͤber die bluhtsauren
9 Tritte dieses andern Leebens-Berges/
10 anstellen wuͤrde.
11 Den dritten Berg treten wir
12 endlich an bei dem Ausgange
13 dieses zeitlichen Leebens:
14 so bald die ermuͤdete Seele ausschreitet
15 aus der elenden zerbruͤchlichen
16 Leibes-Huͤtten/ gelanget sie in
17 Geleitschafft tausend und aber tausend
18 hellglaͤnzender Himmels-Fuͤrsten
19 auf den heiligen Berg Gottes/
20 auf die seeligen Hoͤhen des himmlischen
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1 Jerusalems / da sie denn nun
2 nicht mehr hoͤret von Krieg und
3 Kriegesgeschrei/ nicht die Stimme
4 des Klagens und Weinens/ nicht
5 das aͤngstliche Seufzen der gedruͤkkten
6 Creuz-Traͤger/ sondern
7 ein gesunder Freuden-Hall der triumphirenden
8 Uberwinder durchsuͤsset
9 sie/ ihr Mund wird voll Lachens/
10 ihre Zunge voll Ruͤhmens/
11 so daß sie auch selbst mit anstimmet
12 das neue Triumphs-Lied: Nun
13 ist das Heil/ und die Krafft/
14 und das Reich/ und die
15 Macht/ unsers Gottes und
16 seines Christus worden/
17 weil der verworfen ist/ der
18 sie verklaget Tag und Nacht
19 fuͤr GOtt. Und sie haben
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1 ihn uͤberwunden durch des
2 Lammes Blut/ und durch
3 das Wort ihrer Zeugnuͤsse/
4 und haben ihr Leeben nicht
5 geliebet biß in den Tod.
6 Daruͤm freuet euch ihr
7 Himmel/ und alle/ die drinnen
8 wohnen/ Halleluja/
9 Amen
10 Welches frohe Jubel-Geschrei
11 sonder allen Zweifel izt allbereit vor
12 dem Throne des Lamms vermehren
13 hilfft die seelig-abgeleibte Seele
14 der Weiland Viel Ehr- und
15 Tugendreichen Fr. BARBARER /
16 des Wohl-Ehrenvesten/
17 Vorachtbahrn
18 und Wohlgelahrten Herrn
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1 HEJNRJCH KRULLER /
2 JCti und wohlberuͤhmten
3 Practici allhier in
4 Weinmar / treu-lieb gewesene
5 Haus-Ehre.
6 Denn nach dem dieselbe durch
7 den Willen des Schoͤpfers aller
8 Welt die bißhero ernennte Pilgrimschafft
9 angetretten/ und solcher Gestalt
10 erst bei zarter Kindheit das
11 Wesen/ oder vielmehr Unwesen/ dieser
12 Zeitlichkeit/ wiewohl dunkel und
13 unvollkoͤmmlich/ dennoch gleichwohl
14 angeschauet: Hernachmahls
15 aber bei aufsteigenden Jahren auch
16 selbst auf den andern Berg dieses
17 muͤhsamen Welt-Leebens gerahten/
18 allda in manchen Streit und herz-nagende
19 Wiederwaͤrtigkeit geflochten
20 worden/ bald mit ihrem Gotte/
21 der sich offtmahls gegen sie in einen
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1 Grausamen verwandelt/ durch
2 Glauben und Geduld in harten
3 Anfechtungen zu streiten bekommen;
4 bald mit der ganz-erboßten
5 Welt/ die durch falsche List/ boͤse
6 Zungen/ durch Wiedersezzlichkeit
7 und Schlangen-gifftige Mißgunst
8 das jhrige weidlich wieder sie gethan/
9 sich durcharbeiten muͤssen;
10 bald auch wieder den Erbfeind
11 menschliches Nahmens / den alten
12 Drachen/ der durch grausame
13 Macht und viel List sie so wenig/ als
14 andere fromme Christen unbestuͤrmet
15 gelassen/ durch Gebet und
16 Wachen stehen muͤssen: Jn diesem
17 allen aber/ so viel menschliche Unvollkommenheit
18 zulaͤsset/ sich munter/
19 bestaͤndig/ eifrig/ und demnach
20 hochruͤhmlich erwiesen/ als hat lezzlich
21 Goͤttlicher Guͤhtigkeit aus verborgenem/
22 doch sehr weisem und ersprießlichem
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1 Raht beliebet/ ihr die
2 beschwerlichen und recht sauren Leebens-Tritte
3 abzukuͤrzen/ und sie uͤm
4 etwas zeitlicher/ vielleicht auch vor
5 vielem Ungluͤkke/ hinweg zu raffen/
6 und den dritten Leebens-Berg antretten
7 zu heissen. O seelig und uͤber
8 seelig ist ihre nun erloͤsete Seele
9 O freudig und uͤber freudig ist nun
10 ihr aller Beschwernuͤß entnommener
11 Geist O aͤdel und aber aͤdel ist
12 ihr uns unbeschreiblicher Wohlstand
13 Wann unser Mund mit so
14 himmlischen Nektar/ als der ihre/
15 bethauet waͤhre/ wann unsere Zunge
16 mit so Englischer Vollkommenheit/
17 als ihre/ durchgoͤttert stuͤnde/
18 wann unsern Geist die Goͤttliche
19 Flamme so nahe/ als den ihren/ beruͤhrete/
20 wuͤrden wir izzo ausspraͤchen
21 koͤnnen alle die Ehre/ alle die
22 Zierde/ alle die Gesundheit/ alle die
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1 Herrligkeit/ alle die Seeligkeit/ die
2 sie auf diesem dritten und lezzten
3 Leebens-Berge angetroffen/ und in
4 voͤlligen Besitz genommen hat.
5 Wir wuͤrden mit hindansezzung alles
6 gefuͤhreten Traurens uns selbst
7 eine unbeschreibliche Lust und Vergnuͤgung
8 schoͤpfen aus der uͤbermaͤssigen
9 Freude/ die sie
10 aus Besizzung der himmlischen
11 Freuden-Wohnungen
12 empfindet; Aus der
13 Lieblichkeit/ so ihr die Gesellschafft
14 der seeligen Buͤrger
15 des obern Jerusalems
16 zutraͤget; Aus der Anmuhtigkeit/
17 welche die Gegenwart
18 der Englischen Freuden-Music
19 in ihr diesen Augenblikk
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1 erwekket; Aus
2 der Troͤstung Gottes ihres
3 Vaters/ aus der Liebe Christi
4 ihres Erloͤsers/ aus dem
5 Friede GOttes ihres Heiligmachers/
6 mit einem
7 Worte: Aus dem seeligen
8 Anblikke der Schoͤnheit aller
9 Schoͤnheiten/ der Goͤttlichen
10 hoch-heiligen Majestaͤt.
11
12 Allein weil wir noch wohnen in
13 dieser irrdischen Huͤtten/ und von
14 Natur schwerer Lippen sein/ auch
15 den Zustand/ der mit Augen nicht
16 zu ergreiffen/ mit Gedanken nicht
17 zu ersteigen/ auszuspraͤchen ganz
18 untuͤchtig sind/ troͤsten wir uns mit
19 fest-gegruͤndeter und unuͤmstoͤßlicher
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1 Hoffnung/ daß nehmlich Gott/
2 den die seelig-verstorbene Fr. Krullin
3 niemahls aus ihrem Herzen gelassen/
4 Sie auch nicht gelassen/ biß
5 er ihr getahn alles/ was er ihr und
6 allen Frommen in seinem Wort bei
7 theurem Eide verheissen hat.
8 Wuͤnschen in dessen allesammt
9 aus Christlichen Herzen/ daß Gott
10 die sauren Angst-Tritte/ welche
11 nach dessen Willen der hochbetruͤbte
12 Herr Wittwer/ sammt allen an-
13 und abwesenden hohen Anverwandten
14 auf dem schmerzlichen andern
15 Berge in diesem betruͤbten
16 Creuze thut/ mit seinem kraͤfftigen
17 Beistande erleichtern/ und durch
18 seine alle Morgen neu-gruͤnende
19 Gnade in lauter Ergoͤzzungs-- und
20 gedeihliche Freuden-gaͤnge anderwertig
21 verkehren wolle. Der/ der
22 seinen Willen an der Seeligsten
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1 vollbracht/ gebe/ daß alle Leidtragende
2 ihren Willen in kindlicher
3 Demuht seinem Willen unterlassen/
4 und endlich an Glauben/ Geduld
5 und Hoffnung den Sieg erhalten
6 moͤgen.
7 Jnzwischen gehet der abgeseelte
8 Koͤrper in sein sanftes Ruhekaͤmmerlein/
9 und rastet aus von den
10 schmerzlichen Reisen/ welche er
11 durch offterwaͤhnte Angst-Berge
12 auf dem ungeheuren Gefilde dieser
13 Welt getahn/ biß er einst auf den
14 froͤlichen Morgen des lieben Juͤngsten
15 Tages seiner Seelen nachgeholet/
16 auch auf den lezzten Jubel-- und
17 Freuden-Berg versezzet/ und aller
18 Guͤhter und Gaben/ die izzo die
19 Seele in voller Seeligkeit allbereit
20 darauf geneust/ mit theilhafftig
21 gemacht werde.
22 Wann dann nun zu solcher Ruhestaͤtte
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1 diese Hoch-Ansehnliche
2 Trauer-Versam̅lung dem erblaßten
3 Leichnam das lezzte Ehren-Geleite
4 ertheilet/ erweisen sie nicht alleine
5 gegen die Seelige Fr. Krullin
6 ihre bestaͤndige Ehren-Gewogenheit
7 un̅ Freundschafft/ welche auch
8 der Tod nicht zu trennen vermocht/
9 sondern auch zu foͤrderst gegen dem
10 Klag-erfuͤllten Hn. Wittwer ihre
11 Christmildeste Condolenz und
12 Mitleiden. Wofuͤr sich derselbe
13 in aller Unterthaͤnigkeit/ Demuht
14 und Freund-willigkeit bedanket.
15 Bittet GOtt/ den Ursprung aller
16 Gluͤkkseeligkeit und Wohlstandes/
17 daß er nach seiner Himmelsbreiten
18 Gnade uͤber denselben und ihren
19 Hochloͤblichen Familien walten/ sie
20 vor betruͤbten Kreuz- und schmerzlichen
21 Trauer-Faͤllen fristen un̅ bewahren/
22 un̅ hingegen mit Seegen/
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1 Freude und allem selbst-erwuͤnschten
2 Flor von oben herab begnadigen
3 wolle. Erbeut sich auch diese
4 scheinbare hohe Gunst un̅ Freundschafft
5 mit seinen ohne diß verpflichteten
6 Aufwartungen/ und
7 schuldigen Dienstleistungen gegen
8 dieselbe sammt und sonders bei allen
9 vorfallenden Gelegenheiten bereitwilligster
10 Massen zu verdienen.
11 Mitleidens-Bezeigung
12 an
13 Den Hochbetruͤbten
14 Hn. Wittwer.
Seite 185
1 Traur-Reede
2 Bei
3 Wohlgeordneter/ Volkreicher
4 Beerdigung
5 Annen Marien /
6 Des
7 Hoch-Ehrwuͤrdigen/ Groß-Achtbahrn
8 und Hochgelahrten
9 Hn. Joh. Musæi,
10 Der H. Schrifft Weitberuͤhmten
11 Doctoris, und auf der
12 Fuͤrstl. Saͤchs. Universitaͤt Jena Hochverdienten
13 Prof. Publ. einer Hoch-Ehrwuͤrdigen
14 Theol. Facultaͤt daselbst
15 ansehnlichen Senioris, und selbiger
16 Zeit Decani,
17 Liebgearteten/ Juͤngsten Toͤchterleins/
18
19 Gehalten in Jena / den 13. Merzens/
20 im Jahr 1663.
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1 Hochansehnliche/ Großguͤnstige
2 Herren/
3 Tugendbegabte/ Ehrengeneigte
4 Frauen/
5 und
6 Jungfrauen/
7 Geehrteste Anwesende
8 ALs vor Zeiten ein Heidnisches
9 Oraculum befraget wurde:
10 Wo wohl der Mensch die meiste
11 Weisheit lernen koͤnnte? Gabs
12 zur Antwort:
13 Bei den Todten.
14 Jst eine verwikkelte und Zweifelreiche
15 Reede. Was eigentlich der
16 Abgott/ oder vielmehr der Teufel
17 durch den Abgott hiermit ans Licht
18 legen wollen/ wil sich allhier nicht
19 auskuͤnsteln lassen. Doch wird der
20 Warheit einige Gewalt nicht geschehen/
21 wenn wir die Worte dahin
22 deuten/ daß auch bei Beerdigung
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1 der Todten/ und absonderlich in
2 und an deren schoͤn-erhabnen Ruh-Gemaͤchern
3 manche Weisheit anzumerken
4 sei.
5 Denn damit izzo weitlaͤufftig
6 nicht eingefuͤhret werde/ wie viel hohes
7 Verstandes die Weisesten und
8 Tugend-belobtesten Voͤlker in die
9 unterschiedenen Begraͤbnuͤß-arten
10 verstekket/ scheinet nur dieses reiferer
11 Erwaͤgung wuͤrdig zu sein/ wie
12 sie ieder Zeit unter sich fast wie gestritten/
13 welches durch sinnreiche
14 Grab-Schrifften dem andern den
15 Vorzug nehmen/ und durch wenig
16 worte den weitlaͤuftigsten verstand
17 hervor spielen moͤchte. Meistens erblikken
18 wir an den Grabmahlen
19 der zarten Kinder und liebreizenden
20 Jugend so manche schoͤne Bilder
21 und Schrifften/ daß wir nicht
22 uͤmhin koͤnnen/ sondern freies Gemuͤhtes
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1 gestehen muͤssen/ es sei nicht
2 gemeine Weisheit allda zu lernen.
3 Lasset uns nur wenige zu Gesichte
4 fassen. Ezzliche liessen auf ihre
5 Leich-Haͤuser/ wann eine bejahrte
6 Person darein sollte versezzet werden/
7 diese Wort pregen oder aushauen:
8
9 Mortuus est.
10 Jst so viel gesagt: Er hat den Lauff
11 seiner Jahre vollendet/ ist zum gewoͤhnlichen
12 Zwekk gelanget/ und
13 durch den Weg alles Fleisches/
14 den Tod/ aus dieser Zeitlichkeit
15 ausgangen. Solte aber in das
16 ausgefuͤhrte Grab/ ein bluͤhender
17 Juͤngling oder Jungfrau/ oder
18 wohl gar ein zartes Kind gebracht
19 werden/ behielten sie zwar eben die
20 Buchstaben/ verwandelten aber
21 der Worte Meinung in eine Frage/
22 und sezzten:
Seite 189
1 Mortuus est?
2 Gleich als wolten sie andeuten: Je/
3 ists denn muͤglich/ hats geschehen
4 duͤrfen/ daß ein so frisches Blut/ ein
5 so zartes Herze/ vor abgelauffenen
6 Jahren/ bei so vollkom̅enen Kraͤfften/
7 in solcher Bluͤhte hat moͤgen
8 dahinsterben? Verwunderten sich
9 gleichsam uͤber den wunderbahren
10 Jrrthum der Natur/ und verwiesen
11 dem Tode seine unbesonnene
12 Unordnung/ daß/ da die Reihe viel
13 graue Haͤupter betroffen gehabt/
14 er auf dieses frische Alter gefallen.
15 Andere liessen an die Grab-Mahle
16 ein schoͤnes Heer der allerpraͤchtigsten
17 Blumen durch zierliche
18 Kunst abbilden/ mit der Beischrifft:
19 Citó
Seite 190
1 Das ist:
2 Jm Augenblikk
3 Solte so viel verstanden werden:
4 Wie ein solch uͤber die Maß schoͤn
5 straalendes Rosen-- und Lilien-Feld
6 durch einen sich unvermuhtet erhebenden
7 Nord-Brauß aller seiner
8 Zierraht entbloͤsset/ des annehmlichen
9 Geruchs beraubet/ der lebhafftigen
10 Farben benommen/ im
11 augenblikk dahin geschlagen wird;
12 Also ist auch die hulde Jugend-Bluͤte
13 des Eingesargten durch den
14 duͤrren Todes-Wind fast wie im
15 Augenblikk dahin geworfen/ und
16 aller ihrer Vortrefflichkeit jaͤmmerlich
17 beraubet worden.
18 Noch andere/ welches sonderlich
19 von den Persern wil geruͤhmet werden/
20 bildeten an ihren Grabstaͤtten
21 die zu ruͤste sinkende Son̅e/ mit annoch
Seite 191
1 wenigen hervor-spielenden
2 Straalen ab/ und naͤchst uͤmher
3 die Umschrifft:
4 Orietur.
5 Sie gehet wieder auf
6 Scheinet/ als ob selbige von Auferstehung
7 der Leiber einige Wissenschafft/
8 auch wohl darzu ein Vertrauen
9 gehabt/ und dannenhero
10 durch dieses Sinnbild sich unter
11 einander troͤsten wollen/ daß wie
12 der leibliche Untergang dem grossen
13 Auge dieser Welt/ der Sonnen/ im
14 geringsten nicht nachtheilig oder
15 dessen Gold-flam̅enden Straalen
16 verkleinerlich ist/ in dem sie unfehlbahr
17 bei juͤngster Morgen-Zeit wieder
18 hervor-bricht/ und mit gleichsam
19 ausgeruhtem Glanze den obern
20 Erdtheil bekuͤsset: Also sei auch
21 das zeitliche Ableiben der geliebten
Seite 192
1 Unserigen/ denselben weder zu Leibes--
2 noch zu Seelen-Untergang angesehen/
3 sondern es bleibe ihnen ein
4 suͤsser Schlaf-Gang/ eine erwuͤnschte
5 Hinlegung zu verlangter Ruhe/
6 und eine kurze Entziehung von unsern
7 Augen. So gewiß aber als
8 das alles erqvikkende Sonnen-Licht
9 sich nach seinem Untergang
10 wiederuͤm einfinde/ so gewiß/ und
11 viel gewisser werden auch die Unserigen
12 sich wiederuͤm hervor finden/
13 und unsern Augen in voller
14 Froͤlichkeit anzuschauen sein. Andere
15 haben noch andere/ nicht geringern
16 Nachdenkens Entwuͤrfe
17 und Sinn-Spruͤche beliebet/ welche
18 wir doch Kuͤrze-liebend dißmahl
19 vorbeigehen.
20 Wann/ Hochgeehrte anwesende/
21 wann/ sag ich/ zu gegenwaͤrtiger
22 Stunde uns dieses so wohl
Seite 193
1 hoͤchstloͤblich- als sehr weise Vornehmen
2 der aͤltern Welt/ ins Gedaͤchtnuͤß
3 steiget/ finden wir in
4 Warheit sattsame Ursach/ uns
5 nicht allein so bald darein zu verlieben/
6 sondern koͤnnen schwerlich lassen/
7 daß wir demselben nicht in etwas
8 nachahmen/ und aus antreibender
9 Schuldigkeit uns unterwinden/
10 das nun in sein frisches Ruhe-Kaͤmmerlein
11 versezzte Coͤrperlein
12 der weiland liebgeartesten ANNEN MARJEN /
13 Des Hoch-Ehrwuͤrdigen/
14 Großachtbahrn und Hoch-Gelahrten
15 Hn. Johannis Musæi,
16 der Heil.
17 Schrifft Weitberuͤhmten
18 Doctoris, und auf hiesiger
Seite 194
1 wohl-loͤbl. Fuͤrstl. Saͤchs.
2 Universitaͤt Hoͤchstverdienten
3 Professoris Publici, einer
4 Hoch-Ehrw. Theolog. Facult.
5 Ansehnlichen Senioris, wie
6 auch izziger Zeit Decani, und
7 der Wohl-Edlen/ HochEhr-
8 und Tugendbegabten Fr.
9 ANNEN MARGARTHEN /
10 Gebohrner
11 Foͤrsterin Herzliebst-gewesenen
12 juͤngsten Toͤchterleins/ auch mit einigen
13 Denk-- und Grabe-Schrifften
14 noch zu guter lezze/ und betruͤbtem
15 Abschiede bedienen.
16 Hier stehe nicht so wohl mit
17 Gold-trunkener Feder/ als mild-stroͤmenden
18 Thraͤnen in unser unverloͤschliches
19 Andenken gepreget:
Seite 195
1 Et mortua est?
2 Ach Faͤllst du schon/
3 Du Kinder-Krohn
4 Oder/
5 Damit wir die Meinung etwas
6 klaͤrer darlegen/ hat denn einiger
7 Schluß des so guͤhtigen Himmels
8 ie anbefehlen koͤnnen/ daß Du/ Du
9 zarteste/ schon izzo die anmuhtige
10 Leebens-Strasse verlassen/ ins finstere
11 schaurige Todes-Thal versinken/
12 und den duͤrren Sand bewohnen
13 sollst?
14 Jsts muͤglich gewesen/ daß du
15 verlangter Gast/ ehe du die Herberge
16 dieser Welt einmahl noch
17 recht mit Augen beschauet/ schon
18 wieder abgefordert werdest? ehe du
19 anfaͤngst Jahre zu zaͤhlen/ keines
20 mehr erfuͤllen darfst? ehe du weist/
21 was Alter sei/ keines mehr haben
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1 sollst? Je hats denn geschehen duͤrfen/
2 daß der unholde Tod auf deine
3 Lieblichkeiten ein Auge geworfen/
4 und das schoͤne/ zart-gebildete
5 Haus deiner noch schoͤnern Seelen
6 zu betasten/ zugelassen worden?
7 Wie sonst/ wenn bei fruͤhem
8 Morgen die verjuͤngten Sonnen-Straalen
9 ihr klares Gold in
10 die heitern Luͤffte fecheln/ das
11 menschliche Herz durch und durch
12 versuͤsset/ und alle Sinnen mit Lust
13 uͤberstroͤmet werden/ auch Hoffnung
14 zu einem lieblichen Mittage
15 ungezweifelt abfassen: So wahr
16 es/ Du Holdseelige/ mit deinem
17 hochbedenklichen Beginnen auch
18 bewandt. Es wuͤrkete bereits schon
19 in deiner zarten Seelen die seelige
20 Gottesfurcht/ welche du mit dem
21 ersten Bluts-Tropfen aus deiner
22 Hochbegabten Fr. Mutter Brust
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1 gesogen; der H. Geist Gottes/ dessen
2 Lust ist mit Euch jungen Herzen
3 zu spielen/ ließ seine Krafft in Dir
4 maͤchtig sein/ daß bei denen grossen
5 Schmerzen/ mit welchen du langwierig
6 befallen wurdest/ nicht ein
7 Zeichen einiger Ungeduld an dir
8 zu merken wahre. Die keusche
9 Scham/ durch welche dein aͤdler
10 Stamm sich so belobt/ als beliebt
11 zu machen pflegt/ fieng allbereits an
12 aus deinen Waͤnglein lieblichst hervor zu blikken.
13 Die demuͤhtige
14 Leutseeligkeit deiner Edlen Frau
15 Mutter begunte schon durch manche
16 suͤsse Schmeichelei bei dir hervor zu lachen/
17 und den ganzen Chor
18 aller weiblichen Tugenden in dein
19 Herz ein zu laden. Dannenhero
20 durfte man sich in Hoffnung wohl
21 getroͤsten/ du wuͤrdest mit der Zeit
22 deine Vortrefflichkeit dermassen erhoͤhen/
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1 daß du den Vorzug Tausenden/
2 Tausend aber nicht dir nehmen
3 koͤnnten. Und nun/ welches
4 harte Verhaͤngnis raubt denn alle
5 dieses Guht so uhrploͤzzlich? durch
6 was grimmige Gewalt wird denn
7 so vor der Zeit der Grund-Stein
8 unserer Hoffnung verrukket/ der
9 schoͤngefuͤgte Bau deiner Anmuhtigkeiten
10 abgerissen/ die Kron aller
11 Lieblichkeiten in das verdorrende
12 Graß geschmissen und zu nichte
13 bracht? Je/ ists denn muͤglich gewesen/
14 hats geschehen koͤnnen/ daß
15 solches an dir veruͤbet worden? Ach
16 billich/ daß wir an den blassen Zypressen-Strauch/
17 womit dein frisches
18 Grabes-Hoͤlchen ewig sollte beschattet
19 werden/ mit unzerbruͤchlicher
20 Schrifft graben:
21 Citó:
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1 Zu fruͤh/ du zartes Reiß/
2 Verwelkt dein ganzer
3 Preiß
4 Dann freilich/ ehe die Natur dich
5 fordert/ stellet dich des unbedachtsamen
6 Todes Grimm an den Port.
7 Zu fruͤh entfaͤrbt sich der blinkende
8 Purpur deiner lachenden Waͤnglein/
9 zerbricht das holdseeligste Augen-Paar/
10 verstummet das Herz-gegruͤndete
11 Gespraͤche deines Zulallens/
12 und wird alle deine Schoͤne
13 verzehret/ wie von Motten. Zu-fruͤh
14 entziehen sich die sonderbahren
15 Vorbohten deiner schon annahenden
16 Tugenden: nun ist nicht zu hoffen/
17 daß wir einst dich uͤber Susannen
18 ehren/ uͤber Ruht lieben/ uͤber
19 Monicam erheben wolten. Du
20 faͤllst/ und alle dieses mit dir. Dein
21 Weltberuͤhmter Herr Vater sazzte
Seite 200
1 auch dich zum Stabe seines Alters/
2 und gedachte alsdann seine Lust
3 und Freude an dir zu haben/ wann
4 andere Behaͤglichkeiten ihm entsuͤnken:
5 aber zu fruͤh bricht deine
6 Krafft unter seiner Hand. Deine
7 Tugendbegabte Fr. Mutter schaͤzzte
8 dich vor ihren Trost/ und hoffte du
9 solltest ihr dermahleinst die Augen
10 zudruͤkken/ wie sie/ leider dir izt mit
11 Thraͤnen-fliessender Hand tuhn
12 muß. Deine treu-liebende Groß-Eltern
13 gedachten bei ihrem nunmehro
14 sich findenden Alter in dir
15 wiederum zu gruͤnen/ und in tausend
16 fort zu wachsen: aber allzufruͤh
17 verlaͤßt du Sie/ und dich ihre
18 Hoffnung. Dein izt mild-thraͤnendes
19 Geschwister/ wie es hatte
20 angefangen dich im innersten Herzen
21 zu tragen; also wuͤnschte es
22 nichts hoͤher/ als deiner unzaͤhliche
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1 Jahre zu geniessen: aber/ leider
2 zu fruͤh wirst du von ihrem lieb-flammenden
3 Herzen hinweg gerissen.
4 Alle Hohe Anverwandten/
5 ja wen du nur iemahls durch deine
6 Huldseeligkeit bestritten/ wuͤnschte
7 dir Nestors Jahre und Mathusalems
8 Alterthum: Aber ach
9 Citó:
10 Zu fruͤh/ du zartes Reiß/
11 Verwelkt dein ganzer
12 Preiß
13 O waͤhre doch fast nicht zu verwundern/
14 wenn wir/ in Erwaͤgung
15 dessen allen/ mit jenem Weisen heraus braͤchen/
16 die Natur anklagten/
17 und betraurten/ daß/ da sie unvernuͤnftigen
18 zugeordnet/ und dem Geschoͤpfen so hohe Leebens-Jahre
Seite 202
1 Hirsch im Walde uff die drei hundert
2 und mehr Jahr gegoͤnnet/ der
3 Eichen auf dem Felde und andern
4 noch geringern Dingen in die tausend
5 geschenket/ der Mensch/ unter
6 allen sichtbahren Dingen das aͤdelste/
7 unter allen Thieren das schoͤnste/
8 ja unter den Menschen offtmahls
9 der allerlieblichste so kurz abspielen/
10 und mit so wenig Jahren/
11 und was sag ich Jahren? Mit so wenig
12 Tagen dahin muß.
13 Diese Leid-- und Traur-Mahle
14 sezzen unsre bestuͤrzte Sinnen dem
15 seeligst-abgeleibten Toͤchterlein:
16 und so lange wir mit den Augen an
17 der Erden/ an der Grabes-Hoͤle/
18 hangen/ koͤnnen wir nicht anders.
19 Lasset uns aber/ Hochgeehrte Leidtragende/
20 die Herzen etwas erheben/
21 und zuschauen/ was denn das
22 Kind des Himmels/ die Tochter
Seite 203
1 des stand-festen Glaubens/ unsere
2 seelige Christen-Hoffnung/ uns
3 vor ein Grabmahl an die Hand
4 gebe? Diese/ diese sag ich/ trukknet
5 unsere Wangen/ die wischet die
6 Thraͤnen aus den fast verdunkelten
7 Augen/ und heisset uns schauen
8 auf die Schrifft/ welche ihr die seeligste
9 ANNA MARJA durch
10 ihren warhafftigen Zustand gleichsam
11 selber sezzet/ in dem sie uns fast
12 abbildet:
13 Oriar:
14 Jzt schließ ich zwar den
15 Lauf;
16 Doch geh ich wieder auf
17 Die Heiden stunden zwar auch in
18 den Gedanken/ als ob sie nach einiger
19 Zeit wiederum ans Licht kaͤmen/
20 wie wir izzo aus der Perser
Seite 204
1 angefuͤhrtem Sinn-Spruch fast
2 schliessen duͤrfen: oder wie es Seneca
3 noch deutlicher anzeiget/ wenn
4 er saget: Venit iterum, qui nos in
5 lucem reponat, dies, das ist: der
6 Tag findet sich schon wieder/
7 der uns an dieses
8 Licht versezzen und zum
9 andern mahl lebend sehen
10 soll. Allein es bleibt billich im
11 Zweifel/ ob sie von Auferstehung
12 der Leiber geredet/ oder vielmehr
13 von der Pythagoréer metempsychose
14 und Stoischen palingenese, welchen
15 beiden Secten getraͤumet/ der Leib
16 gieng ohne einzige Hoffnung der
17 Wiederstattung zu Grunde/ die
18 Seele aber/ wann sie den Vergeß-Brunn
19 gekostet/ wuͤrde hernach
20 bald in diesen/ bald jenen Leib gestekket.
Seite 205
1 Nicht so bei uns Christen.
2 Wir sind mehr als gewiß/ daß wir
3 dermahleinst wiederum werden
4 mit dieser unserer Haut
5 uͤmgeben werden/ und in
6 dem unseren Fleische
7 GOtt schauen: es darf nicht
8 ein aͤderlein von uns dahinden bleiben/
9 ja Gott selbst bewahret die Gebeine
10 seiner Glaͤubigen/ daß der
11 nicht eins zerbrochen werden darf.
12 Ein vornehmer Evangelischer Theologus,
13 wenn er erzaͤhlet/ wie er sich
14 bei Absterben seines wohl-lassenden
15 aͤltesten Sohnes selbst zu troͤsten bemuͤhet/
16 gestehet freies Herzens/ daß
17 er allen Trost/ den die Vernunft
18 geben kan/ hervor gelanget/ und
19 theils mit der Allgemeinheit des
20 Todes/ theils mit Sterbens unvermeidlicher
Seite 206
1 Nohtwendigkeit/
2 theils auch mit des gegenwaͤrtigen
3 Leebens Muͤhseeligkeiten und Elende
4 sein Gemuͤhte zu besaͤnftigen gesucht:
5 alleine es habe die Vernunft
6 allewegen der Vernunft begegnet/
7 und sein entruͤstetes Herz habe iederzeit
8 etwas zu excipiren gefunden/
9 biß er endlich die Vernunft unter
10 den Gehorsam des Glaubens gefangen
11 genommen/ und den Artikul
12 von Aufferstehung der Todten
13 zur Hand gesuchet/ da sei ihm
14 Freude und erwuͤnschte Herzens-Ruh
15 mit voller Menge zugeschlagen.
16 Betruͤbteste/ Sie ergreiffen
17 doch auch selbiges Mittel/ und fassen
18 das dem seeligsten Kinde von ihme
19 fast selbst gebildete Grabmahl:
20 Wie die heutige Sonnne/ wenn sie
21 nach wenigen Stunden von unsern
22 Augen hinweg faͤllt und untergehet/
Seite 207
1 dennoch/ nach Willen des Hoͤchsten
2 Beherrschers aller Creaturen/ bei
3 fruͤher Morgen-Zeit ungezweifelt
4 wieder hervor brechen wird; also/
5 Jhr liebstes Kind ist nur auf wenige
6 Zeit zur Ruhe gangen/ in kurzer
7 Frist sol es in vollem Glanz und
8 aller Herrlichkeit wieder aufgehen.
9 Von dem Abend-Stern ist den
10 Mathematicis bewust/ daß/ wie er
11 des Abends hinter der Sonnen
12 hertritt/ und ihren Untergang begleitet;
13 also gehet er des Morgens
14 vor eben deerselben wieder auf/ und
15 kuͤndiget an/ daß nun das Licht anbreche:
16 Jhr seeliges Toͤchterlein
17 ist izt ein dunkles Abend-Sternlein/
18 aber am lichten Morgen des
19 erfreulichen Juͤngsten Tages wird
20 es mit schoͤnem Glanze verneuret
21 vor der Sonnen der Gerechtigkeit/
22 seinem Erloͤser CHristo JEsu hertreten/
Seite 208
1 und Ihnen saͤmmtlichen
2 wieder zugestellet werden.
3 Dem Alt-Vater Jsrael / als ihm
4 die unverhoffte Post zukam/ daß
5 sein Sohn Joseph / den er nun so
6 viel Jahr in seinem Herzen vor
7 todt gehalten hatte/ annoch bei Leeben/
8 und in Koͤniglichen Ehren waͤhre/
9 auch dannenhero Hoffnung/
10 denselben wieder zu sehen/ in seine
11 Arme zu bekommen/ zu kuͤssen;
12 ward sein Geist in ihm lebendig/
13 und sprach: Jch habe Schazzes
14 genung/ daß mein Kind
15 noch lebet/ ich wil hin/ und
16 ihn sehen/ darnach dann mit
17 Freuden diese Welt gesegnen.
18 Sie/ Hochwehrte/ sind
19 fast deutlicher aus dem unfehlbahren
20 Worte unsers GOTtes versichert/
Seite 209
1 daß ihr liebstes Anna Marichen
2 noch leebet/ daß sie nicht auf
3 einem irrdischen Koͤnigs-Wagen/
4 sondern auf des Elias feuerigen
5 Himmel-Wagen; nicht in Aegyptischem
6 irrdischen Uberfluß/ sondern
7 im vollen Besizz der Guͤhter des
8 Beherrschers aller Dinge; nicht
9 in der schwehren Ester-Krohne/
10 sondern in dem Kranze der Ehren/
11 in dem Glanze der Herrlichkeit/
12 in der Krohne der Goͤttlichen Klarheit
13 sich annizzo so gewiß befindet/
14 als gewiß Sie noch hier im Stande
15 der Schwachheit und Elendes
16 stehen/ und alle solchen Schmukk
17 ihnen selbst mit soͤhnlichen Seufzen
18 anwuͤnschen: Ja Sie verstehen
19 und glaͤuben sonder einiges Wanken/
20 daß nach weniger Jahre Flucht
21 ihnen das seeligste Toͤchterlein soll
Seite 210
1 wieder in ihre Haͤnde geliefert werden:
2 nicht zwar mit einem kranken
3 sterblichen Leibe/ sondern in ewiger
4 Gesundheit/ in unsterblichen Gliedmassen/
5 in vollkommener Statur,
6 durch Englische Haͤnde geschmuͤkket
7 mit alle denen Vortrefflichkeiten/
8 die der grundguͤhtige GOtt in seinem
9 Wort bei theurem Eide den
10 Christen und dero glaͤubigem Saamen
11 verheissen hat.
12 Ei derohalben/ so belieben doch
13 auch Sie des durch Freude verjuͤngten
14 Jsraels Trost-Worte/ und
15 sagen in ihren Herzen: Wir haben
16 genung/ daß unsere
17 liebste ANNA MARJA
18 noch am Leeben/ und zwar
19 in solchem Freuden-Leeben/
20 in solchen Ehren-Leeben/ in
Seite 211
1 solchem lebendigen Leeben
2 ist Sie ist gleich einer irrdischen
3 Sonnen uff heute zu
4 ruͤste gangen/ izt ruhet sie
5 von ihrem zwar kurz-gefuͤhrten/
6 doch schmerzlichen
7 Leebenslauf aus/ der Seelen
8 nach in GOttes Hand/
9 dem Leibe nach in dem kuͤhlen
10 Schoosse der Erden:
11 Morgen/ uff den froͤlichen
12 Juͤngsten Tag/ wenn alle
13 Gebeine gruͤnen werden
14 wie Graas/ wann das vergaͤngliche
15 wird anziehen
16 das unvergaͤngliche/ wann
17 wir allesammt werden eingehen
Seite 212
1 zu unsers HErren
2 Freude: Da/ da wird Sie
3 als ein Straal-reicher Morgen-Stern
4 wieder hervor kommen/
5 da wird sie wieder
6 aufgehen als selbs die Sonne
7 in ihrer Macht: Da/ da
8 soll sie uns wieder werden/
9 daß wir unserm Erloͤser antworten
10 moͤgen: Hier sind
11 wir/ und die Kinder die du
12 uns gegeben hast/ deine
13 Guͤhte sei nun ewig uͤber
14 uns/ wie wir in jenem Leeben
15 auf dich hofften. GOtt der Unsichtbare und Alleinweise/
16 dessen verborgenem Raht
17 und allerheiligstem Willen beliebt
18 hat/ dieses frische Zweiglein von
19 seinem hierdurch schmerzlich-betruͤbten
20 Stamm ab- und aus aller
21 Augen hinweg zu reissen/ wolle
22 durch die Krafft seines Geistes die
Seite 214
1 Herzen der Eltern und hohen anverwandten
2 gewaltig aufrichten/
3 Sie mit Trost seiner Gnade besaͤnftigen/
4 kuͤnftig vor allem Betruͤbnisse
5 gnaͤdigst beschirmen/ und vor
6 das heutige Leid ihnen allen viel
7 Freude und Wonne geben/ daß Sie
8 seinen Willen erkennen/ und ihn als
9 Vater ewig preisen moͤgen.
10 Deßgleichen wolle eben derselbige
11 auch mit ewiger Gnade und
12 Guͤhte uͤber meinen Hochgeehrten
13 Herren und Tugend-Edlen Frauen-Zimmer/
14 sammt dero ganzen
15 hoͤchloͤblichen familien walten/ alle
16 Betruͤbnuͤsse durch Huldreiche Vater-Hand
17 auch von ihnen ablenken/
18 alle Gedeiligkeit ihnen an gnaͤdigem
19 Uberflusse schenken/ und ihres
20 Herzens Gedanken ihm iederzeit
21 angenehm sein lassen. Massen ihnen
22 dann nicht allein solches sammt
Seite 215
1 und sonders herzlich die hochbetruͤbtesten
2 Leidtragenden anwuͤnschen/
3 sondern auch uͤber diß mit
4 unterdienstl. und Ehrenfrl. Dank
5 erkennen/ daß dieselbe von ihren
6 vornehmen Ammts-- und anderwaͤrtigen
7 hoch-angelegenen Verrichtungen
8 sich so geneigt entziehen/
9 und dem seeligst-abgeseelten Coͤrperlein
10 biß an sein Ruh-Bette so ansehnlich-
11 und zahlbahre Folge ertheilen
12 wollen. Sind des bereitwilligsten
13 Anerbietens/ bei allen/ doch
14 lieber behaͤglichen Gelegenheiten/
15 maͤnniglich nach Gebuͤhr schuldige/
16 freundliche und ehren-willige
17 Dienste zu leisten/ dadurch aber ihre
18 geflissene Dankbarkeit moͤglichst
19 an den Tag zu
20 geben.
Seite 216
1 An die
2 Wohl-Edle/ Hoch-Ehr-
3 und Tugendbegabte/
4 Fr. Mutter.
Seite 219
1 Leich-Reede
2 Bei
3 Christ-loͤblicher Beerdigung
4 Annen Justinen /
5 Des
6 Edlen/ Wohl-Ehren-Vesten/ Groß-Achtbahrn
7 und Hochgelahrten
8 Herrn
9 Caspar Posners /
10 Vortrefflichen Philosophi und auf
11 der Fuͤrstl. Saͤchs. Universitaͤt/ Jehna /
12 Hochberuͤhmten Professoris
13 Publici,
14 Juͤngst-gebohrnen/ Herzliebsten
15 Toͤchterleins/
16 Den 16. Merzens/ im Jahr Christi
17 1662. gehalten in Jena.
Seite 220
1 Hoͤchst- und Hochansehnliche
2 Herren/
3 Groß- und Ehren-geneigte
4 Frauen
5 und
6 Jungfrauen/
7 Allerseits Geehrteste Anwesende
8 JCh muß sein/ wie einer/
9 der seiner Kinder
10 gar beraubet ist: Joseph ist
11 dahin/ Simeon ist nicht
12 mehr vorhanden/ Benjamin
13 wollt ihr auch hinnehmen.
14 Es gehet alles uͤber
15 mich. Solche wehmuͤhtige
16 Reeden stieß von sich das jammervolle
Seite 221
1 Vater-Herze des alten verlebten
2 Jocobs / als ihm immer eines
3 seiner liebsten Kinder nach dem andern
4 von der Seiten gerissen wurde/
5 und es nun fast das Aussehen
6 gewann/ ob wuͤrde der uͤbrige Rest
7 auch vollends gar drauf gehen.
8 Jch/ spricht er; wil gleich als
9 so viel sagen: Der ich bißhero in
10 solcher Gluͤkkseeligkeit gesessen/ daß
11 mir GOtt zwoͤlf Fuͤrsten aus meinem
12 Lenden gegeben/ und uͤm deß
13 willen von allen Heiden uͤmher
14 theils vor seelig bin gepriesen/ theils
15 hoͤchlich beneidet worden; muß
16 nunmehro ( O aber des bittern
17 Jammers ) so liederlich/ und nicht
18 wissend wie/ dahin gerahten/ daß
19 ich sei/ als einer der seiner
20 Kinder gar beraubet ist/
Seite 222
1 als einer/ dem alle seine Ehre/ dem
2 die Krohne seines Haͤupts/ mit
3 welcher Er vor tausenden gepranget/
4 gar in den Staub geleget; dem
5 der Stab/ darauf Er sich im greisen
6 Alter zu lehnen gedachte/ als ein
7 schwaches Rohr in der Hand zerbrochen;
8 dem der Trost/ den er wieder
9 den Untergang seines Nahmens/
10 und wieder alle Feinde zu
11 haben vermeinte/ nun ganz zu Wasser
12 worden. Jch verhoffte/
13 wann ich stuͤrbe/ so sollts
14 sein/ als waͤhre ich nicht gestorben/
15 denn ich haͤtte meines
16 gleichen hinter mir gelassen.
17 Da ich lebete/ sahe
18 ich Lust/ und hatte Freude
19 an ihnen: und da ich sterben
Seite 223
1 wuͤrde/ vermeinte ich/ ich
2 wollte nicht sorgen/ denn
3 ich wuͤrde hinter mir lassen
4 einen Schuzz wieder meine
5 Feinde/ und die den Freunden
6 wieder dienen koͤnnten.
7 Aber nun ist alle meine Hoffnung
8 worden wie ein Schatte/
9 und wie ein Geschrei/ das
10 voruͤber faͤhret/ wie ein
11 Schiff auf den Wasserwogen
12 dahin laͤufft/ welches
13 man/ so es fuͤruͤber ist/ keine
14 Spur finden kan/ noch desselbigen
15 Bahn in der Fluht;
16 Oder wie ein Vogel der
17 durch die Lufft fleuget/ da
Seite 224
1 man seines Weges keine
2 Spur finden kan. Ach
3 meine auserwaͤhlten Kinder/
4 die Soͤhne meines Leibes/
5 meine gewuͤnschten
6 Soͤhne gehen dahin/ und fallen
7 unberuͤhmter Weise.
8 Denn sehet/ Joseph / den ich
9 mir in meinem Alter gezeuget hatte/
10 die suͤsse Frucht/ das liebreichste
11 Andenken meiner getreuesten Rahel /
12 das vertrauteste Herz
13 aller meiner Kinder gehet/
14 meinem Befehle zu gehorsamen/
15 aufs Feld seine Bruͤder zu suchen/
16 und siehe/ sie kommen und sagen/
17 ein wildes Thier habe ihn
18 zerrissen/ ein reissend Thier
Seite 225
1 habe Joseph gefressen. O
2 Joseph / Joseph / vergeß ich
3 dein/ so werde dieser meiner
4 rechten Hand vergessen
5 Simeon / die andere Gebuhrt
6 meiner Lea / dem es sonst
7 weder an Herzhafftigkeit/
8 noch Verstande gefehlet/ welcher
9 auch auf mein Wort ausgezogen/
10 Speise zu kaufen/
11 damit ich/ seine andere Bruͤder/
12 und unser Vieh nicht stuͤrben/
13 sondern bei Leeben bleiben moͤchten/
14 siehe der ist auch nicht mehr
15 vorhanden. Denn ihr kommt und
16 spraͤcht/ der Koͤnig in Aegypten habe
17 ihn in gefaͤngliche Hafft genommen/
Seite 226
1 uͤm dadurch zu pruͤfen/ ob ihr
2 redliches Sinnes/ oder das
3 Land zu verkundschaffen
4 dahin kommen. Ja es ist noch
5 nicht genug/ auch Benjamin /
6 an dessen Seele meine
7 eigene Seele hanget/
8 den ich uͤm deß willen nicht lassen
9 kan/ weil ich wohl weiß/ und mich
10 nochmahls schmerzlich erinnere
11 wie es seinem einzigen
12 Bruder gangen/ siehe/ diesen
13 kommt ihr nun auch vollends von
14 mir zu nehmen/ auf daß ihr jo
15 meinen Funken ausloͤschet/
16 der noch uͤbrig ist/ daß meiner
17 seeligen Rahel kein
Seite 227
1 Nahme und nichts uͤbrig
2 bleibe auf Erden. Ach es
3 gehet doch nur alles/ alles
4 uͤber mich und meine grauen
5 Haare Wo ihr durch eure
6 Unvorsichtigkeit etwas
7 verderbet/ wo ihr durch euren unzeitigen
8 Eifer ein Ungluͤkk bereitet/
9 da muß denn allezeit/ allezeit
10 ich nur das Bad ausbaden.
11 Ach bedenket doch nur/ ob irgend
12 ein Schmerz sei/ als
13 mein Schmerz/ und ein
14 Jammer/ als der Jammer/
15 der mich troffen hat. Ach
16 ihr werdet meine grauen
Seite 228
1 Haare mit Herzeleid
2 hinab bringen in die Grube.
3
4 Jst/ in Warheit/ eine recht soͤhnliche
5 und schmerzliche Klage/ welche
6 uns den traurigen Jammer/ in
7 welchem das geaͤngstete Vater-Herz
8 gestekkt/ sattsamlich abmahlet
9 und weiter zu erwaͤgen anheim laͤsset.
10 Es haͤtte aber fast nicht geringere
11 Ursach der Edle/ Wohl-Ehrn-Veste/
12 Groß-Acht-bare
13 und Hoch-Gelahrte
14 Herr Casparus Poßner /
15 uff hiesiger Fuͤrstl. Saͤchs.
16 Universitaͤt hochverdieneter
17 und Weltberuͤhmter
18 Prefessor Publicus, es haͤtte/ sag
19 ich/ dieser nicht geringere Ursach/
Seite 229
1 dem hochbejammerten Jacob die
2 Schmerzens-Worte wie aus dem
3 Munde zu entlehnen/ und zusagen:
4 Ach ich muß sein/ als einer
5 der aller seiner Kinder
6 beraubet ist.
7 Jch/ deme GOtt nun zu unterschiedenen
8 mahlen die Gnade gegoͤnnet/
9 daß ich meines Leibes
10 Frucht frisch/ froͤlich und gesund
11 auf dieser Welt erblikket/ der ich/ als
12 Christl. Eltern gebuͤhret/ hiervor
13 dem HErrn gedanket/ und so viel
14 Lust und Freude daruͤber gehabt:
15 Muß nun durch den grimmigen
16 allzufruͤh einbrechenden Tod/ sein
17 als ob ich niemahs froͤlich/ niemahs
18 gluͤkkseelig/ niemahls Vater
19 gewesen waͤhre/ als einer der
Seite 230
1 seiner liebsten Kinder/ der
2 Freude seines Herzens/ des Trosts/
3 der Zuflucht seines einst doch erfolgenden
4 Alters/ des Lebens nach
5 seinem Tode/ in welchem er aus
6 dem Grabe zu gruͤnen/ und aus seiner
7 Asche zu bluͤhen/ und sich lieblichst
8 auszubreiten gedachte/ nun
9 ganz und gar beraubet ist.
10 O Jacob behaͤlt noch eine gute
11 Zahl/ auch nach Verlust dieser
12 dreien/ uͤbrig: mir aber wird gar
13 nichts gelassen/ alles/ alles ist von
14 meiner Seiten hinweg. Denn
15 sehet Johannes Casparus
16 ist dahin/ Johannes Christianus /
17 von dem ich starke Hoffnung
18 schoͤpfte/ GOtt wuͤrde mich
19 in ihm wieder troͤsten/ ist nicht mehr
Seite 231
1 vorhanden; Johannes Christophorus
2 ist auch weg.
3 Und nunmehr koͤmmt der grimmige
4 Menschenwuͤrger/ meines einzigen
5 Funkens nicht zu verschonen/
6 sondern Annen Justinen / die
7 uͤbrige Lust und Freude meines
8 nun verlaßnen Herzens/ auch vollends
9 gar dahin zu nehmen. O das
10 mag heissen: ich muß sein als
11 einer/ der seiner Kinder
12 gar beraubet ist O so kommet
13 doch nun alle/ die ihr vor meinen
14 Zypressen voruͤber gehet/ schauet
15 und sehet/ ob irgend ein
16 Schmerz/ auch wohl selbst Jacobs
17 Schmerz sei/ wie mein
18 Schmerz/ und Jacobs Jammer/
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1 als der Jammer der mich
2 troffen hat. Denn der Herr
3 hat mich voll Jammers gemacht
4 am Tage seines
5 grimmigen Zorns.
6 Nicht weinger Ursache haͤtte
7 auch zu seufzen/ und zu jammerleichen
8 Jhrer Excellenz Herzliebste
9 Haus-Ehre/ Die Edle/ Viel-Ehr-
10 und Tugendbegabte
11 Fr. ANNA MAGDALENA /
12 Gebohrne Frankin.
13 Diese/ sag ich/ hat sattsame
14 Ursach mit dem Propheten heraus zu brechen
15 und zu schreien:
16 Meiner Herzens Freude
17 hat ein Ende/ meine Reihen
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1 sind in Weheklagen
2 verkehret/ die Krohne meines
3 Haͤupts ist abgefallen.
4 Jhr meine Auserwaͤhlten
5 Kinder/ Jhr Soͤhne
6 meines Leibes/ meine gewuͤnschten
7 Soͤhne O
8 Jhr meine einzige Freude/
9 mein ganzer Trost in meinem
10 Alter/ mein Herze und
11 mein Erbe Jch haͤtte
12 Schazzes gnug gehabt/
13 wann ich nur euch nicht haͤtte
14 verlieren muͤssen.
15 O du Ewiger und Allmaͤchtiger/
16 hast du dann deine Hand gegen
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1 mich verschlossen/ und deine Gnade
2 gar fuͤr mir verborgen? Wilt du
3 denn ewiglich mein vergessen/ und
4 soll ich sein/ wie eine Verstossene
5 und Verlassene fuͤr dir? Siehe/
6 jener Soͤhne wachsen auf
7 in ihrer Jugend/ wie die
8 Pflanzen/ und ihre Toͤchter
9 wie die Pallaͤste/ ja eine ganze
10 suͤsse Reihe sizzt als junge
11 frische Oelzweige uͤm ihren
12 Tisch heruͤm; Jch aber muß
13 alle meine Kinder ziehen
14 lassen mit Trauren und
15 Weinen/ meine aͤdle
16 Kinder/ dem Golde gleich
Seite 235
1 geacht/ wie sind sie nun den
2 erdnen Toͤpfen gleich geacht/
3 die ein Toͤpfer macht?
4 Ja/ wie sind sie so ploͤzzlich gar zu
5 Staub und Asche worden? O
6 daß doch iemand meinen
7 Jammer woͤge/ und mein
8 Leiden zusammen legte in
9 eine Wag-Schale/ so wuͤrde
10 er schwerer sein/ denn der
11 Sand am Meer. Ach sehet/
12 die Pfeile des Allmaͤchtigen
13 stekken in mir/ sein
14 Grim̅ saͤufft meinen Geist
15 aus/ und die Schrekknuͤß
16 Gottes sind auf mich gefallen?
Seite 236
1 Ach GOtt Ach GOtt bin
2 ich denn nur darzu gebohren/ daß
3 ich den Tod meiner liebsten Kinder
4 mit Augen anschauen soll?
5 Und gewiß/ wann wir auch dieser
6 Hochbetruͤbten Eltern Zustand
7 etwas genauer zu Herzen fassen/
8 und denselben mit menschlichen
9 Nachsinnen ergruͤbeln wollen/ faͤllt
10 uns ein und anderer nicht geringer
11 Scrupel bei. Wir sehen/ daß manchmahl
12 GOtt der Allerhoͤchste denen
13 Eltern/ welche ihm nicht ein mahl
14 davor danken/ ja es wohl vor eine
15 Straffe baͤurischer Gottvergeßner
16 Weise halten/ das ganze Hauß voll
17 Kinder bescheret/ sie ihnen gedeihen/
18 und frisch/ froͤlich und gesund aufwachsen
19 laͤsset. Hergegen andern/
20 welche Jhn Tag und Nacht hierum
21 anflehen/ die solche theure
Seite 237
1 Gabe und aͤdles Geschenk in aller
2 Reverenz und Ehrerbietung annehmen/
3 sie in der Furcht und Vermahnung
4 zum Herrn auferziehen
5 sollten/ die verschleußt er entweder
6 ganz und gar/ oder/ da er ihnen die
7 Frucht ihres Leibes nur auf wenig
8 Wochen/ ja manches mahl auf wenig
9 Tage zeiget/ reißt er solche so
10 bald wieder von ihren Herzen hinweg/
11 und laͤßt die betruͤbten Eltern
12 in traurige Einsamkeit fallen. Wo
13 wir hieruͤber nicht auf eine
14 Thorheit gerahten/ daß wir
15 uns mit der liederlichen Welt bereden
16 liessen/ es sei uͤmsonst/ daß man
17 GOtt diene/ und auf den HERRN
18 HERRN hoffe. Denn die jenigen/
19 die doch zu GOtt sagen:
20 Hebe dich von uns/ wir
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1 wollen von deinen Wegen
2 nichts wissen. Die da veraͤchtlich
3 fragen: Wer ist der
4 Allmaͤchtige/ daß wir ihm
5 dienen sollen? oder was
6 sind wirs gebessert/ so wir
7 ihn anruffen? Diese/ sag ich/
8 leben und nehmen zu an
9 Guͤhtern/ ihr Saame ist sicher
10 uͤm sie her/ und ihre
11 Nachkoͤm̅linge sind bei ihnen.
12 Jhre junge Kinder
13 gehen aus/ wie eine Heerd/
14 und ihre Knaben lekken;
15 Sie jauchzen mit Pauken/
16 und sind froͤlich mit Harfen:
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1 Sie werden alt bei guten
2 Tagen/ und erschrekken
3 kaum einen Augenblikk
4 vor der Hoͤllen. Hergegen
5 muß der arme Gerechte allezeit
6 viel leiden/ und ein
7 verachtet Lichtlein sein fuͤr
8 ihren Augen. Wo wir/ sag
9 ich/ nicht auf solche und dergleichen
10 Gedanken gerahten/ duͤrfen wir
11 uns doch sonst bekuͤmmern/ was
12 wohl die Ursach solches wundersamen
13 Verfahrens bei unserm GOtte
14 sei.
15 Zwarden/ wer sonst verborgene
16 Ding forschet/ dem
17 wirds zu schwer werden/
Seite 240
1 spricht der Weiseste unter den Koͤnigen:
2 und wer darf zu seinem
3 Schoͤpfer sagen: Warum
4 thust du das? Denn der Herr
5 ist der Allerhoͤchste; und
6 thut was er wil/ im Himmel/
7 und auf Erden/ im
8 Meer und in allen Tieffen.
9 Schiene also/ als ob wir uns blos
10 daran solten begnuͤgen lassen/ daß
11 wir wissen/ es gefalle dem also/ der
12 von alle seinem Thun/ weder mir
13 noch dir einige Rechenschafft zu geben
14 verbunden ist.
15 Jedoch so werden wir die Schranken
16 unserer schuldigsten Demuht in
17 keinem Wege uͤberschreiten/ wenn
18 wir uns unterwinden werden/ obberuͤhrten
19 Zweifels eine und andere
20 Ursach beizubringen/ zumahlen
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1 uns der Hoͤchste solche selbst theils
2 in seinem klaren Worte/ theils
3 durch unsere richtige Vernunft offenbahret.
4 Nehmlich/ daß der Alleinweise
5 Gott offtermahls/ frommen
6 Eltern ihren bescherten Eheseegen
7 so gar hinweg nimmt/ Daß
8 er ihnen auch nicht ein einig Ehe-Pflaͤnzlein
9 uͤbrig laͤsset/ geschicht so
10 wohl uͤm der Eltern/ als auch der
11 lieben Kinder selbst-eignen hohen
12 Nuzzens und Bestens willigen.
13 Wann GOtt/ das liebreiche
14 Vater-Herze/ an einem zarten Kinde
15 eine feine Seele/ wie dem
16 Salomo / gegeben/ und etwas
17 Guhtes findet/ wie an
18 Ahia / dem Sohn Jerobeams /
19 so raffet er sie hinweg
Seite 242
1 vor dem Ungluͤkk/ und
2 laͤsset sie zum Friede kommen
3 und ruhen in ihren
4 Kammern. Er spricht gleichsam
5 zu ihnen: Gehe hin/
6 mein Volk/ in deine Kammer/
7 und schleuß die Thuͤr
8 nach dir zu: Verbirge dich
9 einen kleinen Augenblikk/
10 biß der Zorn voruͤbergehe.
11 Als Loth von Sodoma ausgangen/
12 und nun auf freiem Felde/
13 auch der Schwefel Regen schon am
14 Himmel wahr/ konnte Gott
15 gleichsam nicht einen Tropfen
16 fallen lassen/ biß Loth
17 ins naͤchste Staͤttlein/ und
Seite 243
1 also ins sichere war: Gesichert/
2 ebener massen/ wann ie zu
3 weilen eine ganze Wolke voll
4 Straafen dem Lande uͤber dem
5 Haupte hangen/ kan der Liebe Gott
6 nichts nicht thun/ biß Er zuvor die
7 jungen unschuldigen Seelen ins sichere
8 hat. Darum so eilt er mit ihnen
9 hinweg/ als etwam eine fromme
10 Mutter mit ihrem Kindlein aus
11 einem hangenden baufaͤlligen Hause.
12 Jn der grossen Volkreichen
13 Stadt Ninive jammerte den
14 grundguͤtigen GOtt nichts so sehr/
15 als der hundert und zwanzig
16 tausend junger Kinder/
17 welche nicht wusten was
18 recht oder link wahr/ welche
19 alle dem erbaͤrmlichen Untergange
20 mit haͤtten sollen unterworfen werden.
Seite 244
1 Ja/ weil die heutige Welt so
2 gar im Argen liegt/ daß es auch
3 nicht Wunder waͤhre/ wann selbst
4 die Außerwehlten in Jrrthum
5 verfuͤhret wuͤrden/
6 wo es sonst muͤglich waͤhre:
7 Siehe/ so eilt der weise Gott auch
8 uͤm deß willen mit den zarten Seelen
9 aus diesem Leeben hinweg/ und
10 ruͤkkt Sie hin von den
11 Suͤndern/ auf daß die Boßheit
12 ihren Verstand nicht
13 verkehre/ noch die reizende
14 Lust ihre unschuldigen Herzen
15 verfuͤhre. Ferner/ tuhts
16 der Allmaͤchtige/ daß er die jungen
17 Kinder in ihrer zarten Bluͤhte
18 heisset dahin sterben/ damit
Seite 245
1 Er sie nur balde seiner himmlischen
2 Glori und Herrlichkeit mit theilhafftig
3 machen/ und der unendlichen
4 Freude geniessen lassen moͤge.
5 Denn lang hier/ spaͤte dort:
6 lange gelebet/ viel gesuͤndiget/
7 lange gelitten/ langsam
8 zu unsers Herren Freude
9 eingegangen. Er fordert sie
10 uͤm deß willen desto zeitlicher
11 aus seinem Weinberge ab/
12 auf daß sie nicht so viel von des
13 Tages Last und Hizze tragen/
14 und den Gnaden-Groschen
15 desto eher empfangen moͤgen.
16 So erwaͤgets doch nun/ Jhr
17 Christl. Vater-- und Mutter-Herzen/
18 obs denn GOtt boͤse mit den
Seite 246
1 jungen Kindern meine/ wenn er sie
2 auch gleich noch so zeitlich aus dieser
3 Welt abfordert?
4 Nicht allein aber wird auf besagte
5 Weise der Kinder so zeitlicher/
6 als ewiger Nuzz befoͤrdert; sondern
7 auch den Eltern selbst wil GOtt/
8 der verborgne GOtt/ viel tausenderlei
9 Gutes eben hierdurch zugezogen/
10 und sie so wohl im Glauben/ als
11 in der Liebe/ im Gebeht/ im Gehorsam
12 dadurch erbauet wissen. Denn
13 erstlich wil Er sie durch Anschau
14 ihrer blassen Kinder-Leiche gleichsam
15 bei der Hand an den Berg Golgatha
16 fuͤhren/ und allda die erkalteten
17 Gliedmassen seines einigen
18 Sohns beschauen heissen. Lerne
19 hier/ wil Er sagen/ wie lieb ich dich
20 und das ganze Menschliche Geschlecht
21 gehabt: So lieb nehmlich/
22 daß ich auch mein eingebohrnes
Seite 247
1 Kind Jesum in
2 den allerschmerzlichsten Tod des
3 Creuzes vor Euch dahin gegeben.
4 Du liebest dein Kind so sehre/ und
5 nicht unbillich: aber eben so sehr/
6 ja unendlich mahl mehr habe ich
7 meinen eingebohrnen
8 gehorsamen Sohn geliebt/
9 und dennoch habe ich ihn vor euch
10 in den allerschmaͤhlichsten/ allerschmerzlichsten
11 Tod des Creuzes
12 dahin gegeben/ daß er nun auch so
13 zugericht/ daß man das
14 Angesicht vor Jhm verbirgt.
15 O klahrer/ O flammender
16 Liebes-Spiegel O unergruͤndliche
17 Guͤhte/ O unerschoͤpfliche
18 Weisheit des Allersanftmuͤhtigsten
19 GOttes
20 Darnach reißt GOtt die Kinderlein
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1 in ihrer zarten Jugend noch
2 aus der Eltern Armen hinweg/ damit
3 sie denselbigen nicht hinderlich
4 sein an ihrer Seelen Heil und ewigen
5 Seeligkeit. Es geschiehet auf unterschiedliche
6 Art und Weisen/ daß
7 ein Kind seine Eltern/ die es zum
8 Himmel erziehen sollten/ selbsebst
9 uͤm den Himmel bringet Entweder
10 die Eltern lieben solches gar zu
11 zaͤrtlich/ sparen gebuͤhrender/ vernuͤnftiger
12 Zuͤchtigung/ und geben
13 hierdurch Ursach/ daß nichts/ als
14 wilde Hophni und Pinehas /
15 oder blutduͤrstige Absolons /
16 erwachsen/ und sie also
17 mit sammt denselben sich in das ewige
18 Verderben stuͤrzen. Jener
19 Grichischer Fuͤrst wollte
Seite 249
1 durchaus nicht heirahten:
2 aus Ursach/ er moͤchte etwan
3 Kinder zeugen/ und
4 dieselben hernach gar zu unmaͤssig
5 lieben. Was dieser Heide
6 besorgt/ geschicht vielen unter den
7 Christen Gottes: Darum nimmt
8 GOtt das Kind gar weg/ damit
9 entweder beide Theile erhalten/ oder
10 zum geringsten nur eines errettet
11 werde. Oder auch/ es versuͤndigen
12 sich Eltern solcher Gestalt/
13 daß sie/ in Ansehung ihrer Kinder/
14 Tag und Nacht geizen/ kargen und
15 lauffen/ vergessen GOttes und
16 ihrer selbst-eigenen armen Seelen/
17 nur damit sie ihren Jungen einen
18 grossen Vorraht von viel tausenden
19 verlassen moͤgen. So koͤmmt denn
20 nun Gott/ nimmt das Kind abermahl
21 hinweg/ und schafft den Eltern
Seite 250
1 Ruhe/ dem Kinde aber ein immer-waͤhrendes
2 Guht/ das
3 kein Dieb stehlen/ keine
4 Motte oder Rost verzehren
5 kan. Ferner und vors dritte
6 tuht eben dieses Gott/ damit er der
7 Eltern Geduld pruͤfe/ und sie in der
8 Gebehts-Schule wohl unterweise.
9 O es muß ein herber Schmerz/ ein
10 bitterer Jammer sein/ ein Stuͤkk
11 von seinem Herzen verlieren/ sein
12 Blut hin in den duͤrren Sand versezzen/
13 das jenige/ worauff man allen
14 Trost/ alle Hoffnung gestellet/ auf
15 einmahl/ ohne Hoffnung hier wieder
16 zu erlangen verlieren Darum
17 so mag wohl eine unglaͤubliche Geduld
18 darzu gehoͤren/ wenn man solches
19 mit stiller Seele und befriedigtem
20 Gemuͤhte ertragen sol. Und
Seite 251
1 scheinet/ es koͤnne Gott Eltern nirgends
2 angreifen/ da es ihnen weher
3 tuhe/ als eben da/ durch nichts
4 ihre Geduld mehr probiren/ als
5 durch Entziehung der liebsten Kinder/
6 zu mahl aller Kinder. Ach als
7 dann faͤngt das Uhrlein der Vater--
8 und Mutter-Herzen an zu klopfen
9 und zu schlagen/ da steigen die warmen
10 Seufzer biß an die Wolken/ da
11 gehet das Behten recht von Herzen/
12 da werden die Seelen/ als ein Eisen
13 zum Magnet/ also sie zum Himmel
14 gezogen. Das gefaͤllt denn unserm
15 Gotte/ und ist ein suͤsser Geruch
16 vor ihm/ es wird eine
17 liebliche wohl-klingende
18 Freuden-Stimme in den
19 Ohren des Allerhoͤchsten/ welche
Seite 252
1 ihnen zu ewigen Ruhm und Ehren
2 gedeihen.
3 Vierdtens geschichts/ auf daß
4 Gott den Eltern eine Soͤhnsucht
5 nach dem Him̅el einjage. Wo
6 unser Schazz ist/ da ist auch
7 unser Herz. Sind nun Kinder/
8 die Schaͤzze/ welche Eltern uff
9 dieser Erden am liebsten sein/ im
10 Himmel/ ei so folgt derselben Herze
11 unverrukktes Schrittes nach/ so
12 wuͤnschen sie einig und alleine nur
13 denselben nach zu fahren/ alle irrdische
14 Lust/ alle weltliche Freude
15 wird ihnen zu lauter Wermut und
16 Gallen/ und wird ihr Leib-- und
17 Wahl-Spruch:
18 Jch hab Lust abzuscheiden
19 Von dieser boͤsen Welt/
20 Soͤhn mich nach himmlischen
21 Freuden/
Seite 253
1 O Jesu komm nur bald.
2 Zum fuͤnften tuht GOtt hierdurch
3 den Eltern auch diese Wohltaht/
4 daß er sie einer leiblichen allzu
5 grossen Last oder Buͤrde befreiet.
6 Wir leben izt in solchen Zeiten/ zu
7 welchen wir billicher/ als Cicero
8 zu seinen/ sagen moͤgen: Beatissimi
9 sunt, qui liberos non susceperunt,
10 minus autem miseri, qui his
11 temporibus amiserunt, quam si eosdem
12 boná, aut deinde aliquá republicá
13 perdidissent. Das ist: Bei
14 diesem elenden Zustande aller
15 Staͤnde in der Welt/
16 sind die am seeligsten/ welchen
17 nie ein Kind gebohren
18 worden: Ursach/ weil sie solcher
19 Gestalt kein Marterholz nach
Seite 254
1 sich lassen/ oder vor Augen sehen
2 druͤfen: Die jenigen aber
3 sind so ungluͤkkseelig nicht/
4 welche nur ihre Kinder
5 noch izzo bald verlieren/ als
6 die/ welche dieselbe izt kuͤmmerlich
7 erhalten/ darnach
8 aber bei besserm Zustande
9 erst einbuͤssen sollten. Ja
10 izt lauft eben solche Zeit/ von welcher
11 wir wohl sagen moͤchten/ was
12 selbst Christus unser Heil. gesagt:
13 O Seelig sind die unfruchtbahren/
14 und die Leibe
15 die nicht gebohren haben/
16 und die Bruͤste/ die nicht geseuget
17 haben. Nehmlich uͤm
18 der Truͤbsaaln willen/ welche uͤber
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1 die Menschen/ wegen ihrer Suͤnde/
2 ergehen. Je wer demnach sein liebstes
3 Kind auser aller Gefahr/ wer
4 es im Himmel hat/ sollte denn der
5 nicht gluͤckseelig sein?
6 Zum sechsten/ nimmt Gott fruͤhzeitig/
7 auf daß ers hernach mit desto
8 groͤsserer Freude/ Ehre und
9 Wonne wiedergebe. Joseph waͤhre
10 seinem Alten Vater/ wann er
11 gleich duppelter Koͤnig in Aegypten
12 gewest waͤhre/ nimmermehr so lieb
13 gewesen/ wo er desselben nicht bei
14 nahe in die zwanzig Jahr haͤtte ermangeln
15 muͤssen. Also gehets ins
16 gemein/ was uns eine Weile aus
17 den Augen ist/ das sehen wir hernach
18 mit desto groͤsser Lust/ mit inniglichrer
19 Herzens-Freude wieder.
20 Das wuste die betruͤbte Mutter/
21 die Juͤdische Kirche wohl/ darum
22 sprach sie zu ihren in der Gefaͤngnuͤß
Seite 256
1 wallenden Kindern: Jch
2 habe euch ziehen lassen mit
3 Trauren und Weinen/
4 GOtt aber wird euch mir
5 wiedergeben mit Freude
6 und Wonne ewiglich. Auch
7 der Psalmist giebt Beifall/ wenn
8 er spricht: Sie gehen hin
9 und weinen/ und tragen
10 aͤdlen Saamen/ und kommen
11 wieder mit Freuden/
12 und bringen ihre Garben.
13 Hier lasse ich nun abermahls ein
14 Christen-Herze schliessen/ Ob es
15 denn mit den Eltern boͤse gemeinet
16 sei/ wann Gott denselben ihre Ehe-Pflaͤnzlein
17 hinweg nimmet? Sicherlich
18 niemand wird solches bejahen
19 duͤrfen.
Seite 257
1 Je demnach/ auch Jhr Hochbetruͤbten
2 Eltern/ dieweil ihr vergewissert
3 seit/ daß es nicht weniger
4 mit Euch/ als mit Euren Ehe-Pflaͤnzlein
5 sehr herzlich wohl gemeinet
6 ist/ daß sie so vielfaͤltigem Ungluͤkk
7 entzogen/ zu solcher Herrlichkeit
8 aufgenommen werden/ ihr auch
9 dabei so viel Wohltahten von Eurem
10 Gotte empfanget/ So
11 fasset eure Seelen mit Geduld/
12 erkennet die wunderliche
13 Gnade des HErrn/ und
14 saget zu Eurem GOtt aus Hiobs
15 Munde: Du HErr hasts
16 gegeben/ du Herr hasts genommen/
17 dein Nahme sei
18 gelobet in Ewigkeit. Spraͤcht
Seite 258
1 zu Euren Seeligst-abgeleibten/ mit
2 dem in gleichem Stande leebendem
3 David: wir werden wohl
4 zu euch fahren/ ihr aber
5 kommt nicht wieder hieher
6 zu uns. Item: So ziehet
7 nun hin/ lieben Kinder/ ziehet
8 hin: Wir aber seind
9 verlassen und einsam. Wir
10 haben unsere Freudenkleider
11 ausgezogen/ und die
12 Trauerkleider angezogen/
13 Wir wollen schreien zu dem
14 Ewigen fuͤr und fuͤr. GOtt
15 aber/ der bishero so manchen Riß
16 an Euch gethan/ der fahe nun kuͤnftig
17 an Euch wiederum zu bauen/
Seite 259
1 und seegne Euch ie mehr und mehr/
2 daß Euer Hauß werde/
3 wie das Hauß Perez / den
4 Thamar dem Juda gebohren/
5 von dem reichen Seegen/
6 den Euch der HErr
7 kuͤnftig geben wolle: Euer
8 Saame besizze das Thor
9 seiner Feinde ewiglich.
10 Jnzwischen ist hohes Ruhms/
11 und aller moͤglichsten Dankbezeigung
12 wuͤrdig/ daß ihre Herrlichkeiten
13 und Tugenden auch zu diesem
14 mahle sich so hochgeneigt und mildester
15 maßen mitleidig gegen die
16 Hochbetruͤbtesten Eltern und vornehme
17 Freundschafft erweisen/ von
18 ihren wichtigen Geschaͤfften sich abmuͤßigen/
19 und des Seeligsten Toͤchterchens
Seite 260
1 Leich-Procession durch
2 ihre Hochschaͤzzbahre Gegenwart
3 bezieren wollen. Wo Mittrauren
4 Trauren mindert/ wo Christliches
5 Mitleiden das Leiden wegnimmet/
6 so ist gewißlich solches bei den
7 schmerzlich-traurenden und klagenden
8 Eltern uͤberfluͤßig geschehen.
9 Welche dann solch ihnen erwiesene
10 sonderbahre Gunst/ und vornehm-achtbahre
11 Ehrenwilligkeit/ iederzeit
12 mit gebuͤhrendem Dank erkennen/
13 mit treuen Herzen ruͤhmen/ und/
14 Gott gebe nimmer bei der gleichen
15 Traur-/ sondern/ wie sie aus ganzer
16 Seele wuͤnschen/ iedesmahl bei
17 freudiger Gelegenheit/ aͤuserstem
18 Vermoͤgen nach/ durch ihre schuldige/
19 freund- und Ehrenwillige Dienste
20 zuerwiedern geflissen sein werden.
21 Worzu sie sich durch meine
22 Wenigkeit hiermit hoͤchst verpflichtet
23 haben wollen.
Seite 261
1 Traur-Gedicht
2 an
3 Vor-Wohl-erwaͤhnte
4 Eltern/
Seite 263
1 Dank-Reede/
2 Bei
3 Des Edlen/ Wohl-Ehren-vesten/
4 Groß-Achtbahrn und
5 Hochgelahrten
6 Hn. M. PHILIPPI
7 Horstens/
8 Hochberuͤhmtem Philosophi und
9 Philologi, Eloqventiae und Philosophiae
10 Practicae hoͤchst-verdienten
11 Profesoris Publici, der Wohlloͤbl.
12 Philos. Fac. wie auch gesammten
13 Universitaͤt Jena / Hochansehnlichen
14 Senioris,
15 Loͤblichst geordneter/ sehr
16 Volkreicher Leichbegaͤngnuͤs
17 Jn der Collegen-Kirche daselbst gehalten
18 den 26. Tag Febr. im Jahr
19 1664.
Seite 265
1 Des
2 Durchlauchtigsten/ Hoch-gebohrnen
3 Fuͤrsten und
4 Herrn/
5 Hn. Bernharden /
6 Herzogens zu Sachsen /
7 Juͤlich / Cleve und Bergen /
8 Landgrafens in Thuͤringen /
9 Marggrafens in Meissen /
10 Gefuͤrsteten Grafens
11 zu Henneberg / Grafens zu
12 der Mark und Ravensberg /
13 Herrn zum Ravenstein /
14 u.a.m.
Seite 266
1 Hochansehnlicher Herr
2 Abgesandter/
3 Wohl-Edler/ Vester/ Groß-Achtbahrer
4 und Hochgelahrter
5 Hr. Joh. Christophore Falkner /
6 J. U. Weitberuͤhmter Doctor und
7 Hochverdienter Professor Publice,
8 Fuͤrstl. Saͤchs. Wohlverordneter
9 Raht/ und des Schoͤpfen-Stuhls/
10 wie auch allgemeinen Hoffgerichts
11 allhier Hochansehnlicher Assessor,
12 dieser Zeit hiesiger/ Wohlloͤbl.
13 Universitaͤt
14 Rector Magnifice,
Seite 267
1 Jngleichen
2 Hoch-Ehrwuͤrdige/ Magnifici,
3 Wohl-Edle/ Wohl-Ehrenveste/ Groß-Achtbahre/
4 und Hochgelahrte/ Wohl-Weiser/
5 Wohl-Ehrwuͤrdige/ Vor-Achtbahre
6 und Wohlgelahrte
7 Herren/
8 Maͤchtige Patroni, Hochgeehrte
9 Praeceptores, Grosse Foͤrderer/
10 auch
11 Edle und Vielberuͤhmte Studiosi,
12 Geehrte Herren/ Guͤnstige
13 Freunde/
14 so wohl
15 Wohl-Edle/ Hoch-Ehr- und Tugendbegabteste
16 Frauen
17 und
18 Jungfrauen/
19 Allerseits Hochwehrteste
20 Aufmerker
Seite 268
1 WAnn wir auf den Stand
2 und Beschaffenheit begabter
3 und treuer Lehrer uff
4 hohen Schulen die Augen werfen/
5 und ferner dann uͤmschauen/
6 was von andern Staͤnden uͤber selbigem
7 vor Urtheile gestellet werden/
8 erblikken wir grosse Ungleichheit.
9 Viel bereden sich/ es sei eine ganz
10 leichte Sache/ einen Professor bedeuten/
11 man koͤnne jo etwan in einer
12 Disciplin oder Facultaͤt es zu einiger
13 Vollkommenheit bringen/
14 und dann so sei es nur ein lauteres
15 Lust-Spiel/ des Tages eine oder
16 mehr Stunden lesen/ von der so bekannt-gemachten
17 materi disputiren/
18 und also seinem Ammt voͤllige Genuͤge
19 tuhn. Andere haͤtten erst Arbeit/
20 Sie staͤken in Verantwortung:
21 schlagen also diese Wuͤrde getrost
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1 nieder. Noch mehr sind in dem
2 Wahn wie gar ersoffen/ ob gleich
3 ein ziemliches darzu gehoͤre/ daß einer
4 mit Nuzz der Jugend und Befriedigung
5 seines Gewissens den
6 Professor-Titul fuͤhre/ und eine vortreffliche
7 Wissenschafft/ sonderbahre
8 herrliche Gaaben/ grosse Leutseeligkeit/
9 und unverdroßner Fleiß erfordert
10 werde/ so sei doch/ wenn man
11 sich einmahl habilitiret/ wohl gesezzt
12 und gebuͤhrend erweise/ nichts/ als
13 gewuͤnschte Ruhe/ der beste respect,
14 Zufliegendes Reichthum/ und in
15 Summa/ ein Himmel voll lauter
16 Rosen dabei: buͤrden hierdurch diesem
17 Stande grossen Neid und Mißgunst
18 auf.
19 Aber gleichwie kein Theil unter
20 diesen das rechte Ziel erlanget/ sondern
21 beide der Sachen entweder
22 zu viel/ oder zu wenig tuhn: also
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1 wenn wir im Gegentheil die eigendliche
2 und unbetruͤgliche Beschaffenheit
3 solches theuren Standes bei
4 uns ergruͤnden/ und wohl dem aͤuserm
5 Anschau vorstellig zu machen
6 verlangen/ werden wir solches/ ob
7 schon nicht ganz vollkommen/ iedoch
8 guhter massen tuhn koͤnnen
9 in einem dreifachen Bilder-Felde/
10 dessen Bedeutung uns iedesmahl
11 die beigefuͤgte Umschrifft
12 entwerfen wird.
13 Das Erste Feld halte in sich
14 einen frischen/ mit allerhand der
15 schoͤnsten und selzamsten Arten angefuͤllten
16 Blumen-Krug/
17 mit der Umschrifft:
18 NON SINGULI SED OMNES.
19 Ob gleich aus einer solchen anmuhtigen
20 Blumen-Gesellschafft eine
21 und die andere Schoͤnheit sich
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1 praͤchtig hervor tuht/ und durch ihr
2 huldes Zulieben allen den Preiß
3 weg raubt: auch wohl Anlaß giebt/
4 daß von ihrer Zier der ganze Hauff
5 ein Rosen-- oder Lilien-Krug benahmet
6 wird: so ist doch unmuͤglich/
7 daß sie vor sich besonders einen
8 Blumen-Krug machen sollte/ es
9 gehoͤret darzu des gesammten Heeres
10 artige Zusammenfuͤgung. Ja
11 ie mehr und unterschiedlicher die
12 Blumen sein/ ie hefftiger reizt der
13 Krug die Lust der Schauenden/ ie
14 hoͤher werden auch seine Zierlichkeiten
15 geschaͤzzet. Uff gleichen
16 Schlag verhaͤlt sichs mit denen
17 Qvalitaͤten eines Professoris Academici
18 An deme ists/ in einem/
19 worzu er sich in sonderheit bestellen
20 lassen/ muß er vollkommen und dermassen
21 vortrefflich sein/ daß er darinne
22 es allen andern unvergleichlich
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1 zuvor tuhn/ und dadurch maͤnniglichs
2 Gunst und Liebe/ ja bei aller
3 Welt Ruhm erwerben koͤnne.
4 Dieses giebt ihm Nahmen und
5 Vorzug/ dieses ist unter aller seiner
6 Wissenschafft die Krohne/ dieses
7 bezieret er/ und es hinwiederum
8 ihn. Aber wie dem allen/ will doch
9 diese Vortrefflichkeit die Sache allein
10 nicht erheben/ ja er kan derselben
11 im Werke nicht einmahl habhafftig
12 werden/ wo er nicht mehr
13 Wissenschaften dieser an die Seite
14 sezzet und selbe mit ihr vermaͤhlet.
15 Wem ist unbewust/ daß die Wissenschafften
16 durch ein mehr als schwesterliches
17 Band an einander verknuͤpft
18 sein/ der gestalt/ daß einer ohne
19 die anderen gleichsam nicht wohl
20 sein kan: ich geschweige/ daß nach
21 heutiger Lehr-Art schwerlich einige
22 Disciplin oder Facultaͤt zu finden/
Seite 273
1 welche zu ihrer Ergaͤnzung nicht etwas
2 von andern entlehnet/ und
3 dannenhero aus andern wolle theils
4 verstanden/ theils erklaͤret sein.
5 Wie wird nun der jenige sich und seinem
6 Vorhaben anstehen/ der nie
7 aus seinem/ einen Blikk in des
8 Nachbahrn Garten gethan/ und
9 angemerkt/ wie er des Baums/ davon
10 er die Art entlehnet/ warte?
11 Noch dennoch will auch dieses noch
12 nicht genung sein: gesezzt/ daß einer
13 diß oder jenes trefflich inne habe
14 und verstehe; den lassen wir vor einen
15 gelehrten Mann/ aber nicht vor einen
16 gelehrten Professorem Academicum
17 passiren. Es wird allhier noch
18 weiter erfordert die selzame Gabe/
19 seine Wissenschafft andern anmuhtig
20 und ohne Verdruß bei zubringen
21 und mitzutheilen/ welche grosses
22 theils beruhet in schoͤner Redens-Lieblichkeit
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1 und genauer Eintheilung
2 vorgenommener Materien.
3 Wo diese aussen bleibet/ ist es ein
4 recht verlassenes Tuhn/ und stifftet
5 der Gelehrteste offt schlechten Nuzz.
6 Druͤm freilich wohl: Non singulae,
7 sed omnes: Viel Blumen
8 geben einen Krug; Unterschiedene
9 Gaben und Wissenschafften
10 einen Professorem
11 Academicum.
12 Jn dem andern Felde straalet
13 eine angeflammte Wachs-Kerze/
14 mit beigefuͤgter Schrifft:
15 NON SIBI, SED ALIIS.
16 Es wird nehmlich eine Wachs-Fakkel
17 angezuͤndet nicht ihr selbst/
18 sondern andern zu Nuzze: Sie
19 wirft ihre Straalen/ geneust aber
20 derer nicht/ sondern bloß Fremde:
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1 Sie entdekkt mit ihrem Glanze manche
2 Zierlichkeiten/ so die dunkele
3 Nacht unter ihrem Flor verborgen
4 hatte/ aber nicht ihren/ sondern der
5 Menschen Augen. Und in dem
6 Sie also gaͤnzlich nicht ihr eigen/
7 sondern anderer und Fremder ist/
8 wird sie auch selbst zu nichts/ zehret
9 sich in ihrer Dienstfertigkeit auf
10 und vergehet. Nicht schoͤner koͤnnte
11 das Ammt eines treuen Professoris
12 abgemahlet werden. Dieser
13 ist nicht ihm/ sondern anderen ein
14 Professor: er ist ein straal-reicher
15 Pharos, als eine oͤffentliche Welt-Fakkel
16 aufgestellet/ daß er durch
17 vortreffliche Lehre/ die Finsternuͤsse
18 der Unwissenheit/ durch sein untadelhafftiges
19 Leeben die Nebel der
20 Boßheit/ unter welchen beiden die
21 Herzen der Jugend offt gar zu tief
22 verkerkert liegen/ zerstreue/ und einen
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1 Glanz der Weisheit und Tugenden
2 in den zarten Gemuͤhtern
3 wuͤrke. Ja er ist ein von GOtt entzuͤndetes/
4 von hoher Obrigkeit
5 aufgestekktes Licht/ bei welchen maͤnniglich
6 anzuͤnden und ihme selbst
7 hernach scheinen moͤge. Dieses
8 aber desto gluͤkklicher zu erweisen/
9 huͤtet er sich vor zweien sehr schaͤdlichen
10 Wolken/ als durch welche alle
11 seine Klarheit hinterhalten werden
12 kan/ als nehmlich vor Mißgunst
13 und Unbehuͤlflichkeit/ und ist nicht
14 allein von Herzen begierig/ alle seine
15 Wissenschaft und Erfahrenheit/
16 ohne Unterschlagung einzigen Vortheils
17 denen Beduͤrfenden mit zu theilen;
18 sondern auch bei Tag und
19 Nacht fertig mit einrahten/ freundlichem
20 Anweisen/ treuer Entdekkung
21 der Jrrthume und muͤhsamen
22 Vormahlen iedermann zu erbauen:
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1 Sein Haus ist ein Oraculum Sapientiae,
2 seine Bibliothec ein Armamentarium
3 Scientiae/ davon niemand
4 ausgeschlossen. Ja er streuet
5 durch oͤffentliche Schrifften seine
6 Straalen in entlegene Lande/ und
7 leuchtet denen/ welche seine Gegenwart
8 wuͤnschen/ aber uͤm Entfernung
9 des Ortes nicht erlangen koͤnnen.
10
11 Jm dritten und lezzten Felde
12 zeiget sich ein reich-gehaͤufter
13 Weihrauch-Huͤgel/ welcher
14 durch seine Beischrifft uns dieses zuspricht:
15
16 POST FATA
17 Der Weihrauch ist ein beliebtes
18 Raͤuchwerk/ welches den Geruch
19 durch seine Anmuhtigkeiten treflich
20 vergnuͤgen/ und die Herzen der
21 Sterblichen sonderlich staͤrken kan:
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1 wird aber von den wenigsten geliebet/
2 von niemanden gepriesen/ ehe
3 und bevor er auf die Gluht geworfen
4 und von derselbigen aufgefressen
5 werde. Jst abermahls eine klare
6 Abbildung unseres Academischen
7 Schul-Lehrers. Wiewohl desselben
8 Vortrefflichkeiten und schoͤne
9 meríten/ sonderbahren Ruhms
10 und aller ersinnlichen Ehr-Bezeigung
11 iederzeit hoͤchst-wuͤrdig sind/
12 ist er doch in diesem Stuͤkk ein rechter
13 Weihrauch/ und wird derselben
14 vor seinem Ableiben gar schwerlich
15 faͤhig. Ursach dessen ist unschwer
16 zu ergruͤnden. Es ist der vergaͤllte
17 Neid/ welcher seind Cains und Abels
18 Zeiten nicht wollen sterben lernen/
19 dieser verteufelten Art/ daß
20 ie geschikkter und aͤmsiger der Professor
21 in seinem uffhabenden Ammte
22 sich erweiset/ ie boßhafftiger bestreitet
Seite 279
1 er ihn/ ie hefftiger ist er
2 dran/ den dannenhero erwachsenden
3 Nachruhm nieder zu druͤkken.
4 Bald geifert er/ seine Geschikklichkeit
5 sei jo bei weitem noch so groß
6 nicht/ als man sich einbilde; bald
7 dichtet er seiner Person einen Tadel
8 an; bald hat er in seinen Schrifften
9 ein comma nicht recht stehen sehen;
10 bald bricht er andere Ursach vom
11 Zaune. Und wie es ihm allwege
12 gelingt/ daß doch von seinen Verleumdungen
13 nur etwas/ zum geringsten
14 ein Argwohn/ kleben bleibet;
15 also haͤlt er den hoͤchst-verdienten
16 Ruhm des treuen Lehrers biß an
17 sein Ende zuruͤkke. Als denn aber/
18 weil er dem Neide nun ferner nicht
19 an seiner eingebildeten existimation
20 hinderlich sein kan/ ruhet derselbe/
21 und mag endlich leiden/ daß man
22 nachsage/ was man an ihm gehabt
Seite 280
1 habe. Dann ist auch dieses Sæculum
2 solcher Beschaffenheit/ daß
3 es nicht eher die Vortrefflichkeit
4 eines Dinges ermaͤssen kan/ als biß
5 es desselben gaͤnzlich ermangelt.
6 Wird freilich wahr/ was der Comicus
7 spricht: Virtutem incolumen
8 odimus, so lange auch die aͤdelste
9 Tugend noch bei uns in gewuͤnschten
10 Flor stehet/ wissen wir
11 nicht/ wie vortrefflich dieselbe sei/ ja
12 wir uͤbelberahtenen lieben und achten
13 sie offt wenig: Wenn sie uns aber
14 aus den Haͤnden gerukkt wird/
15 wenn wir aus dero Abwesenheit
16 unsers grossen Nachtheils inne werden/
17 da fangen wir erst an sie
18 zu erheben/ nach ihr zu verlangen/
19 und dieselbe mit sehnlichen Herzen
20 zu wuͤnschen. Darum pflegts denn
21 auch hier uͤm dieser verkehrten Art
22 willen zu geschehen/ daß ein wohlgeschikkter/
Seite 281
1 treuer Professor vor seinem
2 Ende dem Verdienen nach
3 nicht gehalten wird/ weil man
4 nehmlich/ so lange er gegenwaͤrtig/
5 und in vollem Ernst und Bemuͤhung
6 ist/ keinen Mangel spuͤren und
7 keinen Schaden merken kan/ welchen
8 doch hernach sein Abwesen mit
9 iedermanns Beseufzung hervor bringt.
10 Wo aber derselbe nachmahls
11 dem Neide aus dem Lichte
12 geraͤumet ist/ und man an dem/ daß
13 man ihn nicht mehr hat/ gewahr
14 wird/ was man an ihm gehabt/ da
15 faͤngt man an seine sonderbahre
16 Treu und aͤmsigkeit/ seine grosse
17 Geschikklichkeit/ Fertigkeit und
18 Vortrefflichkeit mit vollem Munde
19 und Federn zu erheben/ da sucht
20 man ihn/ da wuͤnscht man nur seines
21 gleichen wiederum an seiner
22 Stelle zu sehen.
Seite 282
1 Und mit solcher Farben laͤsset sich
2 ein wohlbegabter/ treu-fleißiger
3 Lehrer Hoher Schulen in Bildern
4 abdruͤkken: wo wir aber denselben
5 im Werke selbst/ und in einem vollkommenen
6 Beispiele urtheilen wollen/
7 stoͤsset uns der weiland Edle/
8 Wohl-Ehren-Veste/ Groß-Achtbare
9 und Hochgelahrte
10 Herr M. PHILIPPUS HORSTIUS,
11 vortrefflicher/
12 Hochberuͤhmter Philologus
13 und Philosophus, Eloquentiae
14 und Philosophiae Practicae
15 Hochverdienter Professor Publicus
16 Ordinarius, der Wohlloͤbl.
17 Philosophischen Facultaͤt/
18 wie auch gesammten
19 Universitaͤt allhier
Seite 283
1 Hochansehnlicher Senior,
2 Mein gewesener treu-meinender
3 Praeceptor und grosser Foͤrderer/
4 dieser/ sag ich/ stoͤsset uns vor tausenden/
5 als ein ausbuͤndiges Muster
6 des ganzen Werkes/ auf: alle
7 drei iezt eroͤffneten Felder erfuͤllet Er
8 mit solcher Zufriedenheit/ daß wir
9 uns seiner hohen Vortrefflichkeiten
10 verwundern muͤssen.
11 Der Blumen-Krug erforderte/
12 daß nicht nur eine Tugend
13 einen geschikkten Professorem beadelte/
14 nicht nur eine Wissenschaft
15 ihn begeisterte/ sondern aus unterschiedenen
16 eine vergoͤtterte Verbindung/
17 eine unzerbruͤchliche Zusammenfuͤgung
18 geschaͤhe. Dieses leistete
19 nun des Hochseeligen Hn. HORSTII
20 durch Weisheit und Tugend
21 belaͤstigter Geist uͤber alles Anfordern.
Seite 284
1 Kein Theil in der ganzen Philosophia
2 wahr zu nennen/ in welchem
3 er nicht mit maͤnniglichs erstaunen
4 gegruͤndet wahr. Jn Metaphysicis
5 und Physicis, welche doch
6 zu seiner Profession so genau erfordert
7 zu werden nicht schienen/ wuste =
8 er die subtilesten Streitigkeiten
9 zuerzaͤhlen/ ja was erzaͤhlen? mit
10 scharfem Urtheil zu entscheiden.
11 Was er in Logicis getahn/ musten
12 seine taͤgliche Discurse unter Discipuln
13 und Freunden/ meistens sein
14 treffliches judicium, wohl an den
15 Tag zu legen. Jn Ethicis und Politicis
16 wie er fast einen Haußherrn
17 bedeutete/ also mochte man ihn eine
18 umwandelnde Bibliothec nennen/
19 keine materia mochte in Vorschlag
20 kommen/ da er nicht eine verwunderns-wuͤrdige
21 Menge der Auctoren,
22 so von solcher geschrieben/ fast
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1 wie aus dem Stegereiff aufzubringen/
2 deren fuͤhrende Meinungen zu
3 unterscheiden/ und so bald die gewierigste
4 zu lehren wuste. Die Geschichte
5 aller Voͤlker und Zeiten
6 hatte er mit faͤhigem Gemuͤhte gefasset/
7 und mochte denen Erfahrnesten
8 in denselben schwerlich nach gesezzet
9 werden. Wo die nuͤzzliche
10 Dicht-Kunst/ wie sie vor alten Zeiten
11 pflegte/ also noch diesen Augenblikk
12 den ihrigen Lob und Ruhm erwerben
13 koͤnnte/ wuͤrde unsers
14 HORSTEN Nahme nur durch
15 Sie allein die Ewigkeit erwerben.
16 Wann Er die geistreiche Feder ergriff/
17 flosse unzweiflich ein ungezwungener
18 von netter Erfindung un̅
19 sinnreicher Reed-Art beliebter/ auf
20 Schlag der Alten kom̅ender Vers/
21 wordurch er manchen Wort-Kraͤnker
22 beroͤhten kunnte: alle Lieblichkeiten
Seite 286
1 schienen ihre Haͤnde in seiner
2 verewigten Dinte abgewaschen zu
3 haben. Woraus entsprosse/ daß sich
4 das aͤdle Lorber nach ihm fast wie
5 soͤhnete und in sein Haar drunge/
6 aus Vorschmakk/ daß es hier mehr
7 Glanz empfangen/ als lassen wuͤrde.
8 Jn Latein- und Grichischer
9 Sprachen wahr ER bei solcher
10 Vollkommenheit/ daß er dem Flor
11 der aͤdelsten Zeiten wenig bevor gab.
12 Jch reede viel/ aber bei denen/ welche
13 versichert sein/ daß ich der Sache
14 noch in allen zu wenig tuhe. Es
15 war seine suͤsse Reedens-Art/ durch
16 welche Er die Gemuͤhter der Zuhoͤrer
17 an sich verbunde/ wie eine begabte
18 Matron/ nichts geschminktes/
19 nichts weitgesuchtes/ nichts
20 ungleiches ereignete sich/ sondern
21 alles floß in seiner natuͤrlichen Zierde/
22 ungezwungen und mit unbeschreiblicher
Seite 287
1 Anmuhtigkeit. Hat
2 die vorige Zeit mit des Ciceronis
3 Zufluß/ mit des Senecæ Scharfsinnigkeit/
4 mit des Caesaris gravitaͤt
5 gepranget/ so wahre hier alles
6 beisammen in einer wundersamen
7 temperatur anzutreffen. Niemand
8 moͤchte HORSTENS
9 huldseelige Reed-Art schoͤner beschreiben/
10 als er der Hochseeligste
11 selber. Wo bleibt mir aber die sonderbahre
12 Wissenschafft in der aͤdlen
13 Mathesi: wie diese nur ein Spiel
14 hoher Ingenien ist/ also mochte deren
15 Lust der grosse Horst nicht ermangeln.
16 Jn dem er aber suchet/
17 nur uͤm Ergoͤzzung sich etwas darinne
18 zuergehen/ siehe so erwirbt sich
19 sein Geist/ seiner unverlaͤßlichen Gewohnheit
20 nach/ in derselben eine solche
21 Vortrefflichkeit/ daß Er auf
22 dieser Welt-gepriesenen Universitaͤt
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1 Sie mit grossem Zufluß der Jugend
2 oͤffentlich lehren darf. Und so
3 bleibt HORSTIUS in dem ihm allewege
4 gleich/ daß seinem Ingenio
5 niemand gleichet. Es sinket aber
6 demselben fruͤhzeitig zu Gemuͤhte/
7 daß ohne der Obern Facultaͤten
8 Beitrag die Weltweisheit selten
9 gluͤkklich gelehret wird: darum
10 gehet Er zeitig an die Grenzen
11 der aͤdlen Jurisprudenz und Medicin
12 und bemeistert sich von beiden
13 so viel/ daß er in keinem Discurs
14 verrahten werden kan/ Er aber/
15 was zu seinem Vorhaben dienlich/
16 mit Ruhm ergreifft. Jn der Hochheiligen
17 GOttes-Lehr nimmt Er
18 sich mehr Zeit zu beharren vor:
19 und geraͤht darinne zu solcher Erkaͤntnuͤß/
20 daß ihm Eusebie mit hoͤchster
21 Ehre oͤffter als einmahl zuwinket/
22 Er auch zu ansehnlichen
Seite 289
1 Superintenturen begierig gesuchet
2 wird. Erwaͤget/ aus so viel theuren
3 Wissenschafften ist die Weisheit
4 unseres Seeligsten zu sammengefuͤget.
5 Jedoch flammet unter
6 denselben allen vortrefflich hervor
7 die Vollkommenheit in Philosophia
8 Practica, und die Unvergleichlichkeit
9 in selzamer Beredsamkeit:
10 Diese/ diese sind die Fluͤgel/ mit welchen
11 er sich uͤber Neid und Zeit erhebet/
12 und aufsteiget zur unverwelklichen
13 Nahmens-Verewigung;
14 Dieses sind die Krohne/ durch welche
15 Er den Kern der Gelehrten beherrschete:
16 Diese sind der Glanz/
17 durch welchen Er aller Ruhm verdunkelte.
18 Zu diesem allen kamen
19 nun noch die aller geruͤmhtesten
20 Christen-Tugenden/ mit welchen
21 er sich gegen seinen Gott andaͤchtig/
22 seinen Naͤchsten aufrichtig/ sich
Seite 290
1 selbst auch nuͤchtern und keusch
2 hielte/ der gestalt/ daß von maͤnniglichen
3 das unverfaͤlschte Zeugnuͤß
4 abgeben werden muß/ HORST
5 sei ein Muster der eifrigen Gottesfurcht/
6 ein Aufenthalt alter Treu
7 und Aufrichtigkeit/ ein Spiegel
8 maͤssiger Keuschheit in seinem lang-
9 und ruhmwuͤrdigst-gefuͤhrten
10 Leeben gewesen.
11 Das andere Feld bildete
12 durch seine entbrannte Wachs-Fakkel
13 den Augen/ durch die
14 Umschrifft aber den Gemuͤhtern
15 vor/ daß ob ein Lehrer auf Hohen
16 Schulen gleich mit einem lieblichen
17 Blumen-Buͤschel koͤnne zierlichst
18 verglichen werden/ er dennoch bei
19 seinem Beruff in keinen Blumen
20 sizze/ sondern staͤtiger Arbeit und
21 saurer Bemuͤhnung mehr als zu gewiß
Seite 291
1 unterworfen sei. Hier zweiffle
2 ich nicht ohne Ursach/ ob unser
3 Hochseeliger mehr ein Muster und
4 Abbildung des Feldes/ als das
5 Feld seiner gewesen sei. Er laͤst
6 ihm unentfallen sein/ zu welchem
7 Zwekk er dem hochgepriesenen Jehn
8 vorgestellet worden/ Er faͤhet an die
9 Straalen seines Lichtes mit voller
10 Menge aus zuwerfen/ es merket die
11 gelehrte Welt/ das HORST
12 sich des gemeinen Nuzzes angemasset
13 habe. Durch seine dexteritaͤt und
14 aͤmsigkeit reiset ganz Athen und
15 Rom wieder in den Saal-Parnaß
16 ein/ durch seine Scharfsinnigkeit
17 wird Catonis strenge Sitten-Censur/
18 Platonis weise Regiments-Bestellung/
19 des von Stagira gluͤkklicher
20 Poͤbel-Zwang vorgestellet
21 und zu oͤffentlichem Brauch gelehret.
22 Seine Faust will dem unmuͤssigen
Seite 292
1 Munde nichts zuvor lassen/
2 druͤm ergreifft sie den Kiel/ und
3 praͤget manche Geist-reizende Reede/
4 wie sie von besuͤßter Zunge geflossen/
5 in ewiges Papir/ sie mahlet
6 aufs zierlichste/ in weitlaͤufftigem
7 Tractat der gesammten Welt vor/
8 wie man die Feder an Hohe und
9 niedere Stands-Personen/ an
10 Foͤrderer und Freunde fuͤhren/ und
11 durch gefuͤgte Send-Schreiben sich
12 beruͤhmt machen solle. Sie giebt
13 der luͤsternden Jugend die Limam
14 Ciceronianam wieder hervor/ stellet
15 zu maͤnniglichs Behagen des
16 Aphthonii verborgene Schaͤzze ans
17 helle Tagelicht/ und ist unverdrossen
18 eine schoͤn-gefaßte Anweisung
19 zu aller Faͤlle Reedens-Arten vor zustellen/
20 und denen Verlangenden
21 mitzutheilen.
22 Jn solche unablaͤßige Aemsigkeit
Seite 293
1 nun wirket der Hochseeligste mit
2 ein die aͤdelsten zierrathen/ welche
3 an Lehrenden verlangt zu werden
4 pflegen. Er traͤgt so wohl in Schriften/
5 als muͤndlichen Unterweisungen
6 das/ was er vortraͤgt/ in genauen
7 und sehr scheinbahren Abtheilungen
8 vor/ also/ daß die allerdunkelste
9 Sache auch von den langsamsten
10 ergriffen/ und nunmehro
11 vor ein bekanntes Spiel geachtet
12 werden darf. Zu dem ist ihm ein
13 grauender Ekel alle uͤbrige Weitlaͤufftigkeit/
14 und eine Freude/ wann
15 seine Unterweisungen wie in einem
16 Anschau die ganze Sache vorbilden/
17 und denen Lehr-begierigen einsenken
18 moͤgen. Jedoch so vermeidet
19 Er durch sonderbahre Vorsichtigkeit
20 alle Unvollkommenheit: Kuͤrze
21 zeicht gemeiniglich Verdunkelung
22 und Zerstuͤmmlung nach sich; beide
Seite 294
1 lehnet der Seeligste durch scharfes
2 Urtheil hochweißlich abe. Er mag
3 sich aber hiermit nicht befriedigen/
4 sondern suchet durch behaͤgliche
5 Willfaͤhrigkeit ihm die Gemuͤhter
6 der saͤmmtlichen Jugend viel hoͤher
7 zuverbinden: darum ist niemand
8 so begierig einen Zweifel vorzulegen/
9 als Er denselben aufzuloͤsen/
10 niemand bittet so eifrig einen ersprieslichen
11 Raht/ als fertig und
12 gedeihlig Er denselben mittheilet/
13 niemand suchet so begierig ein gelehrtes
14 Buch/ als gewuͤnscht und
15 schleunig Er aus seiner selzam-koͤstlicher
16 Bibliothec damit willfahret.
17 Mit einem Worte sein Hauß
18 wahr allhier ein wahrhafftiges Oraculum
19 Sapientiae, da die Lehr-begierige
20 Jugend/ auch andere hochgesezzte
21 Leute sich taͤglich befragen
22 musten/ Seine Bibliothec ein rechtes
Seite 295
1 Armamentarium publicum,
2 woraus niemand iemahls mit
3 traurigem Angesichte gehen durfte.
4 Alles/ alles aber gewaͤhrete der
5 Hoch-Seeligste mit solcher Treu
6 und Aufrichtigkeit/ daß in iedem
7 Worte/ so Er von sich gab/ sein Altes/
8 Deutsches Herze ganz unverdekkt
9 lage: was Er einriethe/ darauf
10 durfte man/ als auf ungeschminkten
11 Grund/ troͤstlich bauen. Und
12 alle diesen hochschaͤzzbahren Ruhm
13 beglaͤnzete Er mit unablaͤßiger Bestaͤndigkeit
14 in seinem ganzen Wandel.
15 Bestaͤndig fuhre Er fort in seinen
16 hocherbaulichen Lectionib' publicis,
17 nichts ließ er sich abwenden
18 von seiner Freude iederman ersprießlich
19 zu rahten un̅ befoͤrderlich
20 zu sein/ iederzeit sahe man ihn aͤmsig
21 in Ausarbeitung derer Schrifften/
22 welche die gelehrte Welt von
Seite 296
1 dessen nun Hochbetruͤbten Erben
2 mit verlangen erwartet. Etiam rude
3 donandus, da Er wegen uͤberhaͤufften
4 Alters aller Ammts-- und
5 anderer Buͤrden waͤhre zu erlassen
6 gewesen/ vergoͤnnte Er ihm doch
7 selbst keine Ruh/ Er stund mit dem
8 einen Fuß auf der Bahre/ mit dem
9 andern aber noch an seinem Studier-Tische/
10 fenestrae Musaei nocturno
11 igne continuo lucebant, und kon̅te
12 ihn/ wo nicht sein Alter sich durch
13 einige Schwachheit regete/ niemand
14 am Morgengruß vorkommen.
15 Aber durch diß ganze Verhalten
16 ist diese oͤffentliche/ glanz-bestraalte
17 Welt-Fakkel zwar allen
18 ins gemein nuͤzz- und ersprießlich:
19 doch hat solch aͤdler Pharos sich vor
20 sich selbst desto wenig zu erfreuen. Er
21 sucht den gemeinen Nuzz/ und vergisset
22 seinen eignen; Er ertheilet
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1 anderen Schaͤzze/ verachtet aber sich
2 einige zu haͤufen; Er begleitet andere
3 zum Seeligen Leeben/ ihm selber
4 aber verzehret Er das natuͤrliche
5 Leeben. Kurz: diese Wachs-Kerze
6 nimmt ab und erlischt.
7 Jm dritten Felde rief der
8 suͤß-auf-wallende Weihrauchs-Dampf
9 uns durch seine Umschrifft
10 zu:
11 POST FATA
12 Welches dem Edlen HORSTEN
13 wohl ehrlich zuschlaͤget. Wir bereden
14 uns/ es habe demselben in seinem
15 Leeben an ein- und anderen
16 Mißguͤnstigen nicht ermangelt:
17 den̅ wie wollte ein mit solcher Sonnen
18 bestraalter Leib keinen Schatten/
19 ein mit sothaner Tugend begabter
20 Geist keine Neider nach sich ziehen
21 Und durch deren zubellen kan
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1 wohl ein und anderer Nebel-duft
2 sich aufgethuͤrmet haben/ durch
3 welchen der vortreffliche Ehren-Glanz/
4 mit welchem HORST
5 ewig sollte bekraͤnzet stehen/ etwas
6 nieder gedrukkt/ und zu seiner Vollkommenheit
7 nicht gelassen worden.
8 Aber nun schaue hier/ Neidhard/
9 wo du bist/ HORST ist dir aus
10 dem Lichte geruͤkkt So geruhe nun/
11 daß der suͤsse Geruch seiner aͤdlen
12 Tugenden sich hocherfreulich ausbreite.
13 Sprich uns nicht drein/
14 wann wir mit vollem Munde ruͤhmen/
15 daß wir an HORSTEN
16 einen unvergleichlichen Redner/ einen
17 vollkommenen Philosophum,
18 einen untadelichen Professorem, einen
19 Spiegel Deutscher Reedligkeit
20 gehabt. Vielleicht hat auch unsere
21 Zeit-Veraͤhnlichung den hoͤchst-verdienten
22 Ruhm des Seeligsten
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1 in etwas zuruͤkk gehalten. Wir
2 sind/ aber meistens zu unserm Verderb/
3 so gesinnet/ daß wir nur durch
4 Krankheit lernen wollen/ welch ein
5 aͤdles Kleinod gesunde Gliedmassen
6 sein/ nur im stuͤrmenden Winter
7 begreifen/ wie anmuhtig die warme
8 Sommer-Lufft spiele. Etwa haben
9 wir bißhero/ so lang wir HORSTEN
10 gehabt/ nicht gemerket/
11 was wir an HORSTEN gehabt.
12 Nun/ nach dem uns dieser
13 theure Weihrauch/ wie auf der
14 Gluht zergehet/ da duͤrfen wir erst
15 merken/ daß es Weihrauch gewesen.
16 Wenn wir HORSTENS Beredsamkeit
17 nicht mehr in dieser Kirche
18 schallen hoͤren/ wen̅ wir HORSTENS
19 treue Unterweisung
20 nicht mehr von der Catheder fließe̅
21 sehen/ wenn wir HORSTENS
22 Aufrichtigkeit nicht mehr in der Facultaͤt
Seite 300
1 und guhten Rahtschlaͤgen
2 merken duͤrfen/ wenn HORSTENS
3 Bibliothec nicht mehr
4 offen/ HORSTENS / oder
5 vielmehr Phoebi Musaeum von keinen
6 Nachtlichte mehr erleuchtet stehen
7 wird/ da/ da werden wir inne werden/
8 daß HORST gewesen;
9 da wird die ganze Hochberuͤhmte
10 Universitaͤt ihr Ansehnliches
11 Mitglied/ ja Haupt und Erfahrnen
12 Seniorem, die Wohlloͤbl.
13 Facultaͤt ihren aufrichtigen und
14 vertraͤglichen Collegam, die aͤdle
15 Jugend ihren treuen und geschikktesten
16 Lehrer/ ja wir saͤmmtlich anfahen
17 HORSTENS Vortrefflichkeit
18 zu verlangen/ durch Verlangen
19 zu preisen/ durch Preiß zu verewigen.
20
21 Gleichwie nun der Seeligste
22 HORST einen eifrigen/ wohlgeschikkten
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1 und gewissenhafften oͤffentlichen
2 Lehrer abgegeben und in
3 angefuͤhrtem dreifachen Felde
4 vortrefflich gekaͤmpfet; also ist ihme
5 von dem Hoͤchsten GOtt zum
6 schoͤnen Gnaden-Lohne eine dreifache
7 Krohne beigelegt worden/
8 mit welcher Er fast unvergleichlich
9 gepranget.
10 Erstlich zwar die Krohne hoher
11 Ehren und eines unsterblichen
12 Nachruhms. Es
13 ist derselbe zu vornehmen Ehren-Aemmtern
14 vielfaͤltig mit grossem
15 Erbieten gefordert/ und durch nachdruͤkkliches
16 Zureeden gereizet worden.
17 Denn dieses wahr die Frucht
18 seiner ruhmwuͤrdigsten Reisen/ daß
19 von den beruͤhmtesten Leuten/ mit
20 welchen Er in Vertraulichkeit gerahten/
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1 Er nachmahls vielfaͤltig
2 vorgeschlagen/ und drauf gesucht
3 wurde. Allein es beliebte ihm
4 nichts/ als Jena / welches ihn durch
5 scheinbahren Himmels-Schlus erstens
6 in Bestallung bracht/ biß an
7 sein Ende zu bezieren. Dieses merkte
8 nun die begluͤkkte Universitaͤt:
9 drum sazzte Sie HORSTEN
10 zu ihrem Aug-Apfel/ und drung
11 ihm alle nur ersinnliche Ehre auf.
12 Er muste offte ihr hohes Scepter
13 durch weise Hand regieren/ noch
14 oͤffters/ aus verliehener hoher Kaiserlichen
15 Gewalt der Jugend Ehren-Titel
16 oͤffentlich austheilen/ endlich
17 gar ihr Senior und aͤltestes
18 Haupt begruͤsset werden. Und diese
19 Ehre begleitete von außen ein vortrefflicher
20 Ruhm bei Fremden/ eine
21 Verwunderung von Abgelegenen/
22 so daß HORST mit Ruhm und
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1 Preiß wie uͤberschuͤttet lebte/
2 HORSTENS Nahme allen
3 Musen heilig un̅ zuverehren schiene.
4 Darnach sazzte GOtt auf dieses
5 hochbegabte Haupt eine recht
6 selzame und ungemeine Alter-Krohne.
7 Wie unsre Zeiten sonst
8 gar schnell abspielen/ und entweder
9 die aͤngstlichen Drangsale/ oder
10 des gemeinsten Haufens Unmaͤssigkeit/
11 oder auch des Hoͤchsten
12 GOttes verborgener Schluß/ uns
13 die Leebens Jahre merklich abkuͤrzet:
14 also verlaͤngerte dennoch der
15 guͤhtige GOtt unserm Seeligsten
16 Herrn Seniori sein Alter/ und vermehrete
17 ihm die Jahre biß auf das
18 Hoͤchste Ziel/ welches dem Menschlichen
19 Leeben vom Psalmisten vorgeschrieben
20 ist. Gestalt nun anderwaͤrtig
21 hohes Alter vor eine besondere
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1 Gnaden-Gabe von GOtt selbsten
2 ausgegeben wird; also wahr
3 es uͤm destomehr bei dieser Person
4 davor zu preisen/ weil dieselbe in
5 allen den kuͤmmerlichsten Zeiten/
6 un̅ schrekknuͤß-vollen Kriegs-Laͤuften
7 mit ausgedauret/ und so viel
8 unwesens erlitten. Prangete demnach
9 dieses Haupt billich mit dem
10 Schnee seiner Haare/ ja unsere gesammte
11 Universitaͤt mit diesem
12 Haupte/ als mit einer ehrlichen
13 Krohne.
14 Drittens schmuͤkkte der grosse Leebens-Herr
15 den theuren HORST
16 mit der unschaͤzzbahren Krohne eines
17 sanften Abschiedes. Als
18 jene Mutter die Goͤtter ersuchte/
19 sie wollten doch ihren getreuen/ gehorsamen
20 Soͤhnen/ welche sich vor
21 ihre Gutsche gespannet/ und sie an
22 statt der Pferde/ zum Opfer gefuͤhret
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1 hatten/ das beste/ so zu erlangen
2 waͤhre/ geben; wurde beiden in einer
3 Nacht ein sanft und stilles Ende
4 gewaͤhret. Daher dann die Heiden
5 in den Wahn geriehten/ die
6 Goͤtter haͤtten keine aͤdlere Krohne/
7 womit sie die Sterblichen beschenken
8 koͤnnten/ als einen geruhigen
9 Abschied. O haͤtten sie noch die seelige
10 Hoffnung/ die uns Christen zufaͤllt/
11 gehabt: haͤtten sie nur/ wie aus
12 der weiten Ferne/ sehen duͤrfen/ zu
13 was ein Glaͤubiger durch ein solch
14 sanftes Erblassen uͤbertritt/ so wuͤrden
15 sie dann erst darnach gestrebet/
16 da wuͤrde̅ sie solches hoch zu erheben
17 gewust haben. Es ist ja uns Erben
18 der Seeligkeit ein solches Simeons-Stuͤndlein
19 anders nichts/ als eine
20 Erleuchtung im Finsternuͤß/ ein
21 suͤsser Schlaaf auf muͤde Reisen/
22 ein lieblicher Seelen-Kuß von unserm
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1 Himmels-Braͤutigam. Es
2 mindert alle Furcht/ lindert dem
3 Leibe die Schmerzen/ uͤberhebt die
4 Seele der Anfechtung/ und loͤst
5 das feste Band zwischen Beiden
6 ganz unvermerkt auf. Dieses/ dieses
7 ist der Wunderstab Mose / welcher
8 das rechte Todten-Meer von
9 einander theilet/ daß unsere Seele
10 trukknes Fusses hindurch kan: dieses
11 ist der feurige Engel-Wagen Elias /
12 auf welchem die Braut des
13 Lamms/ unser theuer-erkauffter
14 Geist/ unter dem Schall der lauten
15 Himmels-Posaunen/ hoͤchst erfreuet
16 einlaͤufft: Dieses ist die lichte
17 Wolke/ welche wie sie den Erstling
18 unter den Schlafenden/ Jesum Christum /
19 aufgehaben; also
20 auch alle/ die seine Erscheinung
21 lieb haben/ nachholet; und in den
22 Schoß Abrahaͤ saͤnftlich niedersezzet.
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1 Nun solches ist dem Hochseeligen
2 Herrn Seniori mit reichem
3 Uberfluß gewaͤhret Seine hochbegabte
4 Seele ist aus dem baufaͤlligen
5 Leibes-Hause ganz sanft und
6 still abgeschieden. Sein kaum noch
7 webendes Herze hat die wenige bei
8 sich habende Waͤrme gemachsam
9 aufgeben/ die vor hohem Alter
10 gleichsam starrende Augen sind saͤuberlich
11 eingebrochen/ die ihr fast
12 selbst verdrießliche Zunge hat nach
13 und nach des Lautes vergessen/ der
14 bereits-erblaßte Mund hat den zur
15 Reise laͤngst geschikkten Geist ausgehauchet/
16 iezt erlischt die wankende
17 Flamme. O unsere Seele
18 sterbe des Todes dieses Gerechten
19 Unser Ende werde
20 als dessen Ende
21 So offt mir diese aͤdel-schaͤzzbahre
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1 Krohne zu Sinne koͤmmt/ ersehe
2 ich in meinen Gedanken einen
3 Glanz/ welcher das hohe Betruͤbnis/
4 das der Hinterbliebenen
5 Leid-tragenden Herzen Wolkenweise
6 uͤmnebelt/ gaͤnzlich niederdrukken
7 sollte. Ohne ist es zwar
8 nicht/ der Achzig-Jaͤhrige
9 Horst / ist dennoch zu fruͤh verstorben
10 Zu fruͤh der Wohlloͤbl. Universitaͤt:
11 denn Maͤnner/ so das
12 gemeine Beste befoͤrdern/ sterben
13 allezeit zu schleunig. Zu fruͤh seinem
14 Christlich-gezognem Hause/
15 welches bei gewissen Personen dessen
16 treue Sorgfalt freilich noch weiter
17 erfordert haͤtte. Jedoch in dem eine
18 weitberuͤhmte Universitaͤt dessen
19 Vorstandes so lang/ und zu solchem
20 Nuzz genossen/ die weil Er vor seine
21 Person daß Maaß unserer Leebens Jahre
Seite 309
1 gaͤnzlich erfuͤllet/ dieweil
2 er auch die seinigen saͤm̅tlich zu solchem
3 Alter erzogen/ da ihre Ruhmwuͤrdige
4 Studia theils in belobter
5 Reiffe gelben/ und dem Gemeinen
6 Nuzz des Hn. Vaters Abgang zuergaͤnzen
7 drohen/ theils auch in
8 lieblichem Wachsthum zu einem
9 preiß-wuͤrdigen Zwekk fortlauffen
10 moͤgen/ haben Sie billich die immer-gruͤne
11 Guͤhte des Allerhoͤchsten
12 demuͤhtigst zu preisen/ und
13 durch gehorsame Geduld Jhren
14 Dank abzustatten.
15 Daß nun uͤber diß auch
16 Jhnen zu gegenwaͤrtigstem
17 Troste der Durchlauchtigste/
18 Hochgebohrne Fuͤrst
19 und Herr/ Herr BERNHARD /
Seite 310
1 Herzog zu Sachsen /
2 Juͤlich / Cleve und Bergen /
3 Landgraff in Thuͤringen /
4 Marggraff in Meissen /
5 Gefuͤrsteter Graff zu Henneberg /
6 Graff zu der Mark und Ravensperg /
7 Herr zum
8 Ravenstein / u.a.m. Seine
9 Christliche Hochfuͤrstliche
10 Condolenz so mildest hervorlassen/
11 und durch Seiner
12 Hochfuͤrstl. Durchl.
13 Hochansehnlichen Hn. Abgesandten/
14 hiesiger Hochloͤblichen
15 Universitaͤt RECTOREM
16 MAGNIFICUM,
Seite 311
1 dem Abgeseelten
2 Coͤrper das lezzte Gnaͤdigste
3 Geleite biß hieher an
4 Dessen ersehene Ruhstaͤtte
5 ertheilen lassen wollen/ daran
6 erweisen Sie nicht allein
7 Dero angebohrne/ Christloͤblichste
8 Pietaͤt/ sondern
9 geben auch ein scheinbahres
10 Gemerk Hochfuͤrstl. Gnade/
11 so Sie gegen Dero Alten/
12 treuen Bedienten biß
13 zum Grabe unverrukkt getragen.
14 Welches dann die
15 saͤmmtlichen Hinterbliebenen/
16 Hr. Eidam/ Hnn. Soͤhne/
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1 Fr. Tochter/ un̅ Vornehme
2 Anverwandten mit unterthaͤnigstem
3 Gehorsam
4 erkennen/ den grossen GOtt
5 imbruͤnstig anflehende/ daß
6 er Seine Hochfl. Durchl.
7 sammt dem ganzen Hochfl.
8 Hause Sachsen / als einer
9 unbeweglichen Grund-Seule
10 der Evangelischen
11 Warheit/ in unverwelklichem
12 Flor erhalten/ und
13 Deroselben alles selbst-verlangte
14 Hochfl. Wohlergehen
15 aus reicher Gnade verleihen
16 wolle: werden auch
Seite 313
1 solches mit ihren ohne das
2 verpflichteten/ aͤuserst moͤglichsten
3 Diensten in aller
4 Unterthaͤnigkeit zu beschulden
5 Zeit Lebens gehorsamst
6 beflissen sein.
7 Jn dem nun hiernaͤchst auch Eure
8 Hoch-Ehrwuͤrden/ Hoch-Edle Magnificenz/
9 Wohl-Edle und Groß-Achtbahre
10 Excellentiae/ Eure
11 Weisheit und Wohl-Ehrwuͤrden/
12 Eure Herrlichkeiten und Vornehme
13 Gunsten/ wie nichts weniger
14 Eure Hoch-Edle/ Vielbegabteste
15 Tugenden sich allerseits so hoch-
16 und Ehren-geneigt erwiesen/ und
17 mit Dero Hochschaͤzzbahren Gegenwart
18 den entseelten Coͤrper nicht
19 allein biß in die Stadt-Kirche/ zu
20 Abhaltung des geistreichen Leich-Sermons/
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1 sondern auch nunmehro
2 biß hieher an dessen eroͤffnete
3 Grabes-Hoͤle begleiten wollen.
4 Erhellet daraus Dero allerseits
5 Goͤttlicher Christen-Eifer ins gemein/
6 insonderheit aber einer Hochloͤblichen
7 Universitaͤt Collegial-Treu
8 und Freundschafft/ dero Zahlbahrn
9 Hn. Studiosorum beharrliche
10 Observanz und Liebe gegen deren
11 Seeligen Hn. Praeceptorem,
12 am allermeisten aber ihr allerseits
13 mitleidendes/ hoch-wollendes Gemuͤhte
14 gegen die Hochbetruͤbten
15 Leid-tragenden: Und befinden sich
16 demnach dieselbigen hoͤchstens verpflichtet/
17 solche sonderbahre Zuneigung
18 und ruhmwuͤrdige Willfaͤhrigkeit/
19 als eine hoͤchst erwuͤnschte
20 Wohltaht/ mit demuͤhtigstem
21 Danke zu erkennen/ Zeit Leebens
Seite 315
1 durch Ruhm zu erheben/ und keine
2 Gelegenheit/ denen sammt und
3 sonders bereit und Ehrenwilligst
4 zu dienen/ vorbei zu lassen.
5 Jndessen wuͤnschen Sie von
6 tiefstem Grunde ihrer Herzen/
7 GOtt wolle einen Hochloͤbl. Senatum
8 Academicum in ewigem Flor
9 und gedeilichem Wachsthum erhalten/
10 von dessen Ansehnlichsten Gliedern/
11 und dero familien/ alle Traur--
12 und Creuzfaͤlle gnaͤdigst abwenden/
13 und ihnen sam̅t und sonders Jacobs
14 Gedeien/ Salomons
15 Ruhm und Jhres Seeligsten
16 Herrn Vaters und
17 Freundes Alter verleihen.
18 Jm gleichen alle andere Anwesende
19 mit selbst verlangten Ersprießlichkeiten
20 viel Zeit lang also beseeligen/
21 daß Sie ihnen iedesmahl bei Freuden
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1 und Gluͤkk mit ihren geflissenen/
2 Ehrenwilligen Diensten Dank
3 zu leisten Ursach gewinnen.
4 Unser Herz kan noch nicht
5 von Euch scheiden/ Jhr
6 Seeligster Hr. SENIOR,
7 es wendet vor betruͤbtem
8 Abschiede wiederum zu
9 Euch: Unser gesammtes
10 Jehna liefert mit Thraͤnen-feuchtem
11 Munde den allerlezzten
12 schuldigsten Dank/
13 daß/ da Jhr in Jhm weder
14 Eigenthum/ noch Freunde/
15 weder Uberfluß noch Zierde
16 ersehen/ Jhr dennoch
17 Sie vor so viel andern/ die
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1 Euch diß alles vorhielten
2 und antrugen/ zum bestaͤndigen
3 Sizz erwaͤhlet/ allwo
4 Jhr Eure Tugenden dem
5 Naͤchsten/ Eure Lehren der
6 Jugend/ Eure Schrifften
7 der Welt/ Euren Leib der
8 Erden/ Eure Seele dem
9 Himmel zutheilen moͤchtet.
10 Nun so ruhet sanft in
11 der Freuden-vollen Hand
12 Gottes ruhet sanft in dem
13 kuͤhlen Schooße der Erden
14 Was Ruhm dieser Wohl-loͤbl.
15 Universitaͤt/ Was hohen
16 Nuzz der Gelehrten
17 Welt Gott durch Euch zugewendet/
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1 werden wir nach
2 Verdienst nim̅ermehr ausspraͤchen:
3 iedoch wollen
4 solches ewig nicht vergessen.