Kant: Briefwechsel, Brief 832, Von Iohann Heinrich Immanuel Lehmann. |
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| Von Iohann Heinrich Immanuel Lehmann. | |||||||
| 1. Ian. 1799. | |||||||
| Wohlgebohrner, Hochgelahrter Herr, | |||||||
| Höchstzuverehrender Herr Professor. | |||||||
| Hoffentlich werden doch Ewr. Wohlgebohrn den Brief von dem | |||||||
| HE. Hofrath Lichtenberg welchen ich durch eine Gelegenheit nach | |||||||
| Königsberg überschicken konnte, richtig erhalten haben. Den HE. | |||||||
| Dr. Staeudlin habe ich sehr lange nicht gesprochen und da er mich | |||||||
| nicht zu sich einladet, mag ich auch nicht gehn. Ohnehin gefällt mir | |||||||
| der Mann nicht, weil er zu viel Pfaffenartiges hat. Sie werden | |||||||
| wahrscheinlich von ihm einen Brief mit seiner Moral erhalten haben. | |||||||
| Mit den HE. Lichtenberg und Blumenbach habe ich manche angenehme | |||||||
| Stunde, sowohl in ihren Lehrstunden, als außer denselben. | |||||||
| Es sind vortrefliche Männer im Umgange und beyde lassen sich Ihnen | |||||||
| bestens empfehlen. Ihr Streit der Facultäten und Ihre Anthropologie | |||||||
| hat Ihnen viel Vergnügen gemacht. Beyde lassen Sie durch mich ersuchen, | |||||||
| doch ja Ihre Physische Geographie nicht zurückzuhalten wenn | |||||||
| Sie auch nicht die Autoren citiren könnten, so würde[n] doch andere | |||||||
| dadurch aufmerksam gemacht, das beym Lesen aufzusuchen was | |||||||
| Sie unterlassen. HE. Blumenbach versichert ausdrücklich, daß er durch | |||||||
| Ihre kleinen Schriften, und besonders durch die über die MenschenRassen, | |||||||
| erst auf manches aufmerksam gemacht sey, das in Reisebeschreibungen | |||||||
| und durch Beobachtung zu suchen woran er vieleicht | |||||||
| sonst nie gedacht hätte. Er meint durch Zurückhaltung der Handschrift, | |||||||
| würde das Publicum sehr verliehren. | |||||||
| Mit Unwillen habe ich aus einem Briefe von der Frau Director | |||||||
| Rappolt vernommen, daß Ihnen der Schiffer das getrocknete Obst, | |||||||
| welches meine Mutter Ewr. Wohlgebohrn zu überschicken die Ehre | |||||||
| hatte, boshafter Weise entwandt oder verzehret. Ich habe dieserhalb | |||||||
| schon nach Hause geschrieben, und Sie können versichert seyn da | |||||||
| meine Mutter sich mit einer gleichen Quantität getrockneten Obstes, | |||||||
| von gleicher Güte, im Frühjahr, sobald die Schiffahrt angeht, einstellen | |||||||
| wird. Wenn die Würste hier erst geräuchert sind: so werde ich mich | |||||||
| auch mit selbigen einstellen: noch sind sie nicht gut. | |||||||
| Der Verfasser des Acheron ist ein Dänischer Lieutnant Elling, | |||||||
| der auch zur Verdauung der Xenien mit vielem Witze und beißender | |||||||
| Satyre die Trigalien gegen Göthe und Schiller geschrieben hat. Der | |||||||
| Recensent der Marcartneyschen Reyse nach China ist der Professor | |||||||
| Sprengel in Halle. In Göttingen sind die HE. zu Englisch gesinnt | |||||||
| als daß sie sich so gegen England versündigen sollten: sie werden auch | |||||||
| im Grunde zu sehr gedrückt. HE. Kaestner ist sehr from, geht jährlich | |||||||
| viermahl zum Abendmahl, und macht alle Christliche Gebräuche | |||||||
| mit vieler scheinbahren Andacht mit; übrigens noch immer die Geißel | |||||||
| von Göttingen. HE. Heyne hat hier unstreitig den größten Einfluß. | |||||||
| Durch seinen Schwager, den geheimen Secretair Brandes zu Hannover | |||||||
| findet er daselbst bey der Regierung immer Gehör und es hängt daher | |||||||
| alle Universitäts und Schulversorgung von ihm ab. Vortheilhaft für's | |||||||
| Land ist es, daß Heyne ein ehrlicher Mann ist. | |||||||
| Dürfte ich Ewr. Wohlgebohrn gehorsamst um ein Zeugniß bitten, | |||||||
| daß ich bey Ihnen, sechs Iahre hindurch, alle Collegia, so von Ihnen | |||||||
| gelesen worden, gehöret und Ihren Examinatoriis beygewohnet habe. | |||||||
| Es dürfte mir in der Folge ein solches Zeugniß einmahl vortheilhaft | |||||||
| seyn. In diesem halben Iahre höre ich Collegia, über die Naturlehre, | |||||||
| Naturgeschichte, das Römische Recht und die Englische Sprache, und | |||||||
| finde an die HE. Hofräthe Lichtenberg, Blumenbach, Waldek und | |||||||
| Dr. Lentin, tüchtige und gelehrte Männer. Die hiesige Bibliothek | |||||||
| ist vortreflich. Habe solche aber noch nicht benutzen können. Mit der | |||||||
| vollkommensten Hochachtung habe ich die Ehre zu seyn | |||||||
| Ewr. Wohlgebohrn | |||||||
| Meines Hochzuverehrenden Herrn Professors | |||||||
| Göttingen | gehorsamster Diener | ||||||
| den 1ten Januar | Johann Heinrich Immanuel Lehmann | ||||||
| 1799. | 1799. aus Dugerow in Vor=Pommern. | ||||||
| [ abgedruckt in : AA XII, Seite 273 ] [ Brief 831 ] [ Brief 833 ] [ Gesamtverzeichnis des Briefwechsels ] |
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