Kant: Briefwechsel, Brief 824, Von Iohann Ernst Lüdeke. |
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| Von Iohann Ernst Lüdeke. | |||||||
| 1. Nov. 1798. | |||||||
| Wohlgebohrner Herr | |||||||
| Hochzuehrender Herr Profeßor | |||||||
| Mein ganzes Herz ist erfreuet wenn ich einen Vorwand haben | |||||||
| kann an Ew. Wohlgebohren zu schreiben. Aus eigenem Drange allein | |||||||
| es zu thun ist mir eine unverantwortliche Zudringlichkeit. Sehr gern | |||||||
| nahm ich daher die Aufforderung des Herrn Buchhändlers Unzer an. | |||||||
| Dieser Brave kam zu mir und sagte er wüßte daß ich mit dem großen | |||||||
| Kant in Correspondence stände. Aber ich fiel ihm gleich ins Wort | |||||||
| Nein nein so vornehm thue ich nicht. In Correspondence stehe ich | |||||||
| nicht mit diesem großen Mann - ich Kleiner, sondern als sein ihn | |||||||
| ewig verehrender Schüler habe ich einigemahl meinem Herzen Luft gemacht | |||||||
| und ihn von meiner Hochachtung versichert und Er hat mich von | |||||||
| Seiner Liebe zu versichern die Güte gehabt. Das ist die ganze Correspondence. | |||||||
| Indeßen der gute Mann meinte, wenn ich so ein Briefchen | |||||||
| ihm mitgäbe, so würde er leichter Zugang zur Stoa des Weisen | |||||||
| finden. Und nun sah ich mich verpflichtet Ihnen eine kleine Beschwehrde | |||||||
| durch mein Schreiben zu machen. Aber ich will sie auch nur leicht | |||||||
| machen -. | |||||||
| Durch HE. K. R. Borowsky dem ich dergleichen Beschwehrden | |||||||
| schwehrer mache - erfahre ich immer etwas von Ihnen und das erfreut | |||||||
| mich dann so innigst. | |||||||
| Neues kann ich Ihnen nicht viel melden, wenigstens nicht viel | |||||||
| interreßantes. Ein Politiker bin ich so wenig, daß ich manchesmahl in | |||||||
| acht Tagen keine Zeitungen lese, weil ich das Lügen nicht liebe. Ein | |||||||
| Philosoph bin ich auch nur so für das Haus und vor allem Predigen | |||||||
| und Kranken Besuchen kann ich kaum meine Freunde mit Versen plagen. | |||||||
| Unser lieber König fährt fort für das allgemeine Beste zu sorgen. | |||||||
| Privat Häuser bauet er nicht: aber dagegen Chaussees Promenaden etc. | |||||||
| und läßt die Straßen gehbar machen, auf welchen man sonst Hals und | |||||||
| Bein ganz beqvem brechen konnte - Der Studir Wuth scheint er auch | |||||||
| Einhalt thun zu wollen. Es hatte jemand der Real Schule 3000 Thlr. | |||||||
| zu einem Stipendium für einen Studirenden schenken wollen. Man | |||||||
| schrieb an den König um dieses Capital in die Landschaft a 5 pC aufzunehmen. | |||||||
| Er erwiederte. "Er sey kein Freund von solchen Stipendien, | |||||||
| weil sie gemeinhin unbrauchbare Menschen zum studiren verleiteten, | |||||||
| und es studirten schon viel zu viel. Wenn dieser Wohlthäter | |||||||
| das Capital zur Beförderung des Kunst und Gewerbe Fleißes bestimmen | |||||||
| wollte - so würde es ihm lieb seyn. Allein der Wohlthäter war mehr | |||||||
| auf das Studiren gesteuert und hat sein Geld zurückbehalten. Laudatur | |||||||
| ab his culpatur ab illis | |||||||
| So eben kome ich vom alten Spalding, der heute mit großer Heiterkeit | |||||||
| und Seelen Ruhe in sein 85tes Iahr getreten ist. Er klagte bloß | |||||||
| über seine rechte Hand, die nicht mehr so schnell schreiben wollte, als | |||||||
| die Gedanken es verlangten. Ach ein glükliches Alter. Wie herzlich | |||||||
| wünsche ich auch Ihnen solch Glück. | |||||||
| Nun zwinge ich mich die Feder nieder zu legen um nicht lästig | |||||||
| und Zeitdiebisch zu werden. Mit der innigen Bitte schließe ich mir | |||||||
| Ihre mir so theure Gewogenheit immer zu gönnen; und mit der erneuerten | |||||||
| Versicherung, daß ich mit ächtester Hochachtung bin und bleibe | |||||||
| Ew. Wohlgebohren | |||||||
| gehorsamster Diener und | |||||||
| Berlin | dankvollester Schüler | ||||||
| am 1ten Nov: | Lüdeke | ||||||
| 1798. | |||||||
| [ abgedruckt in : AA XII, Seite 261 ] [ Brief 823b ] [ Brief 825 ] [ Gesamtverzeichnis des Briefwechsels ] |
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