Kant: Briefwechsel, Brief 693, Von Anton Ludwig Theremin. |
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| Von Anton Ludwig Theremin. | |||||||
| 6. Febr. 1796. | |||||||
| Wohlgebohrner Herr! | |||||||
| Hochzuehrender Herr Professor! | |||||||
| Mein Bruder in Paris äußert oft in seinen Briefen an mich da | |||||||
| er dringend ersucht werde Ihre Philosophie bei der französischen Nation | |||||||
| mehr bekannt zu machen und dieses läßt er sich, als ein großer Verehrer | |||||||
| von Ihnen auch sehr angelegen sein - er ist Chef de Bureau | |||||||
| im Wohlfartsausschus und kann, seiner Geschäfte wegen diesem Fach | |||||||
| sich nicht ganz wiedmen. er meldete mir vorlängst daß er einen | |||||||
| H. v. Bielefels vermocht, in Paris einen Anfang mit Vorlesungen über | |||||||
| Kantische Philosophie zu machen - es mus aber damit nicht fortwollen. | |||||||
| Die HauptTriebfeder dieses Anliegens scheint der Bürger | |||||||
| Sieyes zu sein - dieser ist im politischen Fach wohl bekant, aber | |||||||
| nicht als Philosoph und wenn Sie die Güte haben wollten einen gelehrten | |||||||
| Briefwechsel mit ihm zu führen, welches er so sehr wünscht | |||||||
| so würden Sie sehen in wie fern er und mehrere seiner Nation Empfänglichkeit | |||||||
| für Ihre Ideen haben. Sie als ein so ächter Philosoph | |||||||
| sind gewis ein Weltbürger und werden gern zur Aufklärung einer | |||||||
| ganzen Nation mitwirken wollen - ich nehme mir die Freiheit Ihnen | |||||||
| den letzten Brief meines Bruders aus Paris mitzutheilen woraus | |||||||
| Sie sehen werden, welchen wichtigen Dienst Sie dieser Nation leisten | |||||||
| würden wenn Sie sich der Sache unterziehen - Wollten Sie die Güte | |||||||
| haben und an Sieyes ein Paar Worte schreiben so könnte ich Ihren | |||||||
| Brief im Einschlus an meinen Bruder schicken. ich bitte Sie um Verzeihung | |||||||
| wegen der Freiheit die ich mir genommen und habe die Ehre | |||||||
| mit der vollkomsten Hochachtung zu beharren | |||||||
| Ew. Wohlgebohrnen | |||||||
| gehorsamster Diener | |||||||
| Memel den 6. Febr. 96 | Theremin, Prediger | ||||||
| [Beilage.] | |||||||
| [Karl Theremin an seinen Bruder Anton Ludwig Theremin.] | |||||||
| [2. Jan. 1796.] | |||||||
| 11ten Nivose | |||||||
| Lieber Bruder | |||||||
| Si vales, bene est, ego valeo . Gestern war ich bey Sieyes wo sich ein neu | |||||||
| angekomener Kantianer fand; es wurde viel über die Kantische Philosophie gesprochen, | |||||||
| und Sieyes welcher nur als Staatsmann bekannt ist, sich aber viel mit | |||||||
| Metaphysick beschäftigt hat ohne je etwas darüber herauszugeben, führte einigen | |||||||
| von seinen Grundsätzen an worüber der Kantianer bemerckte sie träfen mit Kant | |||||||
| seine überein, welches Sieyes sehr zu schmeicheln schien. Da ich von der andern | |||||||
| Seite vernehme daß Kant gleichfals für Sieyes Hochachtung hat und sich über | |||||||
| den Werth dieses Mannes in einigen von seinen kleinen Aufsätzen herausgelaßen | |||||||
| hat, so wünschte ich sehr daß es möglich wäre unter diesen Männern ein Bekanntschaft | |||||||
| durch Correspondenz zu bewürcken wodurch der Philosophie überhaupt und | |||||||
| der französischen Nation ein würcklicher Dienst geschehe welchen Du ihr leisten | |||||||
| kanst. Laße dem HE Kant wißen daß Sieyes als Mitglied des National Instituts, | |||||||
| und der Legislatur und zumahl als ein Mann von seinem Gewichte hier, die | |||||||
| Mittel habe seine Philosophie hier einzuführen, daß er die Nothwendigkeit davon | |||||||
| einsehe in so fern er sie kennt, und das Studium davon bey den Franzosen als | |||||||
| ein Complement der Revolution betrachte. Eine Nation welche so viel Receptivitaet | |||||||
| hat wie diese, und ein Revolution wovon das schöne und edele den Fremden | |||||||
| nicht bekannt genug ist weil sie zu sehr ist besudelt worden, verdienen die Aufmercksamkeit | |||||||
| eines Philosophen; die größte Schwierigkeit läge darinn Kants Buch | |||||||
| ins französische zu übersezzen wegen der Terminologie, Sage Du mir deine Meinung | |||||||
| darüber da Du vermuthlich ein Kantianer bist, es wäre auch möglich da | |||||||
| Du dabey sehr behülflich seyn köntest und ein Professorat der Kantischen Philosophie | |||||||
| würde wahrscheinlich hier gut bezahlt werden. Sage auch dem HE Kant | |||||||
| wenn Du ihn kennest was er von dem was ich hier gesagt habe meine, ob er es | |||||||
| möglich glaube und welche die beste Art wäre seine Grundsätze in eine fremde | |||||||
| Sprache zu übertragen, Melde ihm wie Sieyes von ihm und seiner Philosophie | |||||||
| dencke, ich würde letzterem alsdann von dieser philosophischen Negotiation Rechenschaft | |||||||
| geben. Da Friede zwischen beyden Völckern herschet so ist eine solche | |||||||
| Communication sehr erlaubt; welche es auch so gar in KriegsZeiten seyn sollte: | |||||||
| Will Kant oder einer von seinen Schülern den Anfang damit machen an Sieyes | |||||||
| einige Zeilen zu schreiben, so sehe ich sehr gute Folgen von einer solchen Correspondenz | |||||||
| ein. Lebe wohl lieber Bruder, grüße Deine Kinder und die Brüder zu | |||||||
| Petersburg, ich erwarte mit Ungeduld deine Briefe. | |||||||
| C Theremin | |||||||
| [ abgedruckt in : AA XII, Seite 058 ] [ Brief 692 ] [ Brief 694 ] [ Gesamtverzeichnis des Briefwechsels ] |
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