Kant: Briefwechsel, Brief 679, An Samuel Thomas Soemmerring. |
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| An Samuel Thomas Soemmerring. | |||||||
| 17. Sept. 1795. | |||||||
| Da Herr Nicolovius mich fragt, ob ich etwas als Einschluß zu | |||||||
| seinem Briefe an Sie, theuerster Freund, mitzugeben habe; so mag | |||||||
| es folgender Einfall seyn. | |||||||
| In der Aufgabe vom gemeinen Sinnenwerkzeug ists darum hauptsächlich | |||||||
| zu thun, Einheit des Aggregats in das unendlich Mannigfaltige | |||||||
| aller sinnlichen Vorstellungen des Gemüths zu bringen, oder | |||||||
| vielmehr jene durch die Gehirnstructur begreiflich zu machen, welches | |||||||
| nur dadurch geschehen kann, daß ein Mittel da ist, selbst heterogene, | |||||||
| aber der Zeit nach aneinander gereihte Eindrücke zu asociiren, z. B. | |||||||
| die Gesichtsvorstellung von einem Garten, mit der Gehörvorstellung | |||||||
| von einer Musik in demselben, dem Geschmack einer da genossenen | |||||||
| Mahlzeit u.s.w., welche sich verwirren würden, wenn die Nervenbündel | |||||||
| sich durch wechselseitige Berührung einander afficirten. So | |||||||
| aber kann das Wasser der Gehirnhöhlen den Einfluß des einen Nerven | |||||||
| auf den andern zu vermitteln und, durch Rückwirkung des letzeren, | |||||||
| die Vorstellung, die diesem correspondirt, in ein Bewußtseyn zu verknüpfen | |||||||
| dienen, ohne daß sich diese Eindrücke vermischen, so wenig wie | |||||||
| die Töne in einem vielstimmigen Concert vermischt durch die Luft | |||||||
| fortgepflanzt werden. | |||||||
| Doch dieser Gedanke wird Ihnen wohl selbst beigewohnt haben; | |||||||
| daher setze ich nichts weiter hinzu, als daß ich mit dem größten Vergnügen | |||||||
| die Äußerung Ihrer Freundschaft und der Harmonie unsrer | |||||||
| beiderseitigen Denkungsart in Ihrem angenehmen Schreiben wahrgenommen | |||||||
| habe. | |||||||
| den 17 . Sept. 1795. | I. Kant. | ||||||
| [ abgedruckt in : AA XII, Seite 041 ] [ Brief 678 ] [ Brief 680 ] [ Gesamtverzeichnis des Briefwechsels ] |
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