| Kant: Briefwechsel, Brief 576, An Friedrich Bouterwek. | |||||||
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| An Friedrich Bouterwek. | |||||||
| 7. Mai 1793. | |||||||
| Sie haben, vortrefflicher Mann! mir durch die Nachricht von | |||||||
| Ihrem Vorsatz, Vorlesungen über die Critik d. r. V. in Göttingen zu | |||||||
| halten, und durch die damit verbundene Übersendung eines dazu entworfenen | |||||||
| wohl ausgedachten Plan's, eine unerwartete Freude gemacht. | |||||||
| Es war in der That ein dichterischer, die den reinen Verstandesbegriffen | |||||||
| correspondirende Darstellung in Gewalt habender Kopf, den ich immer | |||||||
| wünschte, aber zu hoffen mir nicht getraute, um die Mittheilung dieser | |||||||
| Grundsätze zu befördern, denn die scholastische Genauigkeit in Bestimmung | |||||||
| der Begriffe, mit der Popularität einer blühenden Einbildungskraft | |||||||
| vereinigen können, ist ein zu seltenes Talent, als daß man so | |||||||
| leicht darauf rechnen könnte, es bald wo anzutreffen. - Um desto | |||||||
| mehr und, da mich Ihr, eine gründliche Einsicht in das Wesen und | |||||||
| die Articulation des Systems verrathender Abris, von Ihrer Geschicklichkeit | |||||||
| in Ausführung desselben überzeugt hat, so gratulire ich den | |||||||
| Theilnehmern an demselben und mir selbst zu dem Beytritt eines so | |||||||
| würdigen Mitarbeiters. Die frohe geistvolle Laune, dadurch mich Ihre | |||||||
| Gedichte oft vergnügt haben, hatten mich nicht erwarten lassen, da | |||||||
| die trockene Speculation auch für Sie Reitz bey sich führen könnte. | |||||||
| Aber sie führt doch unausbleiblich zu einer gewissen Erhabenheit der | |||||||
| Idee, welche die Einbildungskraft mit ins Spiel ziehen und, obzwar | |||||||
| durch diese unerreichbar, doch das Gemüth durch analogische Vorstellungsart | |||||||
| in Bewegung setzen und für sie einnehmen. - Das Übel, | |||||||
| wovon mir Hr. Hofrath Kaestner in seinem Schreiben merken lies, | |||||||
| daß die neue Terminologien von Nachbetern öfters gebraucht würden, | |||||||
| ohne ihren Sinn zu fassen, kann durch Ihren Reichthum und Gewandtheit | |||||||
| der Sprache auch großentheils gehoben werden. Wobey ich unter | |||||||
| Anwünschung des besten Fortgangs Ihrer Unternehmung, mit der | |||||||
| vollkommensten Hochachtung und Zuneigung jeder Zeit bin | |||||||
| Ew. Wohlgeborn | |||||||
| Königsberg | ganz ergebenster Diener | ||||||
| d. 7. Mai | I Kant | ||||||
| 1793. | |||||||
| [ abgedruckt in : AA XI, Seite 431 ] [ Brief 575 ] [ Brief 577 ] [ Gesamtverzeichnis des Briefwechsels ] | |||||||