| Kant: Briefwechsel, Brief 35, Von Frau Maria Charlotta Iacobi geb. Schwinck. | |||||||
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| Von Frau Maria Charlotta Iacobi geb. Schwinck. | |||||||
| 18. Ian. 1766. | |||||||
| HochEdelgebohrner Herr Magister | |||||||
| sehr wehrtgeschätzter Freünd | |||||||
| Ihre güttige Zuschrift welche ich vor einigen tagen empfing, | |||||||
| zerstreite alle furchtsahme ahndungen, die mich bei Ieder kommenden | |||||||
| Post beunruhigen, Sie sagen mir darinnen das mein Mann ruhig | |||||||
| und guttes Muths wäre, o, möchte es ihm doch niemahls daran | |||||||
| fehlen, Die unerwartete Vorfälle welche Ihn nach Hause ruften, und | |||||||
| die üble nachrichten, die mich nur gar zu sehr von dem gantzen | |||||||
| umbfange seines Schicksals unterrichteten, veruhrsachten mir viele | |||||||
| traurige Stunden, der artzt welchem ich die besserung meines auges | |||||||
| anvertraut habe, erlaubte mir nicht Ihn zu begleiten, In der einsahmkeit | |||||||
| mir selbst überlaßen, hatte ich Zeit genung die unvolkommenheit | |||||||
| aller Vergnügen einzusehen, wir düncken uns bißweillen in | |||||||
| dem Schose der Ruhe glücklich, und ehe wir uns vorsehen taumlen | |||||||
| wir in einem abgrunde von wiederwärtigkeiten. | |||||||
| Mein Mann schreibt mir die abende welche er in Ihrer, und des | |||||||
| Herrn Mintzmeisters Gesälschafft zu brächte, wären Ihm die angenehmsten, | |||||||
| warum kan er doch nicht gantze tage in dieser Geselschafft | |||||||
| endigen, denn meine Zufridenheit hängt bloß von seiner Ruhe ab, | |||||||
| übrigens mein werter Freünd haben Sie eine ungerechtigkeit begangen, | |||||||
| und sind davor abbitte schuldig, das Sie mir die Hoffnung benehmen, | |||||||
| in Ihrer Geselschafft nach Königsberg zu reisen, warum fehlt es mir | |||||||
| doch an Vermögen Ihre Verdienste (welche keine empfehlungen | |||||||
| vermehren können) zu belohnen, und Sie dadurch von allen mühsahmen | |||||||
| Verbindungen zu befreüen, | |||||||
| Ein groser Lerm von Paucken und Trompeten, und eine Menge | |||||||
| Schlitten, deren Führer Printzen und Grafen waren, machten mich | |||||||
| auf mercksahm, eine Virtel Stunde die ich anwante meine Neügierde | |||||||
| zu befridigen verhinderte mich Ihnen vorige post dieses Blat zu senden, | |||||||
| in dieser Zeit glaubte ich Herrn Kaulke zu sprechen, aber vergebens, | |||||||
| so bald ich ihn sehe will ich ihn erinneren Wort zu halten, man hoft | |||||||
| den Herrn Roussau bald in den Iegenden von Berlin zu sehen, wie | |||||||
| auch den Herrn Voltair, doch, vieleicht sind es auch nur Vermuthungen, | |||||||
| Herr Schmucker (: So heist derjenige welcher die aufsicht über | |||||||
| mein linckes hat :) wendet alle mühe an das sogenante verhärtete | |||||||
| Gersten Korn wegzubringen, es scheint Ihm auch zu gelingen, Ich sehe | |||||||
| mit ungeduld den tag meiner Abreise entgegen es soll mir auch nicht | |||||||
| an muth fehlen alleine zu reisen, umb das Ende meiner reisebeschreibung | |||||||
| zu vollenden. | |||||||
| einige reihen in Ihrem letzten Briffe sind zu schmeichelhaft für | |||||||
| mich, als das ich Sie beantworten könte, ich würde Sie auch nur | |||||||
| ungeduldig machen, meinen langen Briff zu lesen, leben Sie woll, | |||||||
| zweiflen Sie nicht an der Hochachtung mit welcher ich Iederzeit bin | |||||||
| Ew: HochEdelgebohrnen | |||||||
| Berlin den 18 Jan: : 1766 | |||||||
| ergebene Dienerin | |||||||
| Jacobi. | |||||||
| [ abgedruckt in : AA X, Seite 057 ] [ Brief 34a ] [ Brief 36 ] [ Gesamtverzeichnis des Briefwechsels ] | |||||||