| Kant: Briefwechsel, Brief 260, Von Marcus Herz. | |||||||
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| Von Marcus Herz. | |||||||
| 27. Febr. 1786. | |||||||
| Verehrungswürdiger Lehrer. | |||||||
| Sie empfangen, theurster Lehrer, durch den HE. D. Ioel ein | |||||||
| Exemplar meines Versuchs über den Schwindel, dessen ich in | |||||||
| meinem Briefe vom 25t Nov. Erwähnung gethan. Die Hauptidee des | |||||||
| ganzen Werks äußerte ich einst in einer jener glückseligen Unterredungen | |||||||
| mit Ihnen, deren alle ich mich immer noch mit Entzücken erinnere. | |||||||
| Da lag sie in meiner Seele wartend auf hinreichende physiologische | |||||||
| Kenntnisse um mit diesen in ein Ganzes verwebt zu werden, und in | |||||||
| ihrem Einflusse auf die Praxis, so schwach er vielleicht auch noch | |||||||
| scheinen möchte, sich zeigen zu können. Sie sehen, theurster Mann, | |||||||
| ich bin kein ganz Abtrünniger von Ihnen, bin vielmehr ein Überläufer | |||||||
| der noch Ihre Uniform trägt, und bey andern Mächten, nicht | |||||||
| Ihren Feinden, Ihren Dienst einzuführen sucht; oder, um mich | |||||||
| minder preußisch auszudrücken, ich liebe das Umherwandeln in den | |||||||
| Gränzörtern der beyden Länder, der Philosophie und der Medizin, und | |||||||
| habe meine Freude daran, wenn ich da Vorschläge und Einrichtungen | |||||||
| zu Gemeinregirungen entwerfen kann. Es wäre gut, dünkt mir, wenn | |||||||
| ähnliche Gränzörter zwischen der Philosophie und ihren benachbarten | |||||||
| Gebieten fleißig von den Philosophen so wohl als von den praktischen | |||||||
| Gelehrten und Künstlern aller Art fleißig besucht würden; jene würden | |||||||
| dadurch dem häufigen gerechten Tadel der unnützen Grübeley, und diese | |||||||
| dem der Empirie entgehen. | |||||||
| Was sagen Sie denn zu dem Aufruhr der seit und über Moses | |||||||
| Tod unter Predigern und Genies, Teufelsbannern und possigten Dichtern, | |||||||
| Schwärmern und Musikanten begint, zu dem der GeheimRath | |||||||
| zu Pimplendorf das Zeichen gab? Wenn doch ein Mann wie Sie | |||||||
| diesem lumpigten Schwarm ein einziges ernsthaftes: stille da!: zuriefe; | |||||||
| ich wette, er würde zerstreut wie Spreu vom Winde. Am ersten | |||||||
| wünschte ich den Muthwillen jenes läppischen Kantilenisten zu Wansebeck | |||||||
| geahndet, in dessen ganzem Leben und Denken die Endewörter | |||||||
| seiner kindischen Verse das einzige gereimte ist. Wie vorsetzlich hämisch | |||||||
| er unsern Moses, gegen den er ein gewisses tendre gehabt, mißverstehet, | |||||||
| um ihn um Ruhm uud Ansehen zu bringen? - Es heißt | |||||||
| hier schon seit einiger Zeit, daß Sie wider Iacobis Schrift einige | |||||||
| Bogen drucken lassen, welches mir um so wahrscheinlicher ist, da Sie | |||||||
| Moses letzten Brief unbeantwortet gelassen. Wenn es Ihnen doch | |||||||
| gefiele, bey der Gelegenheit zum Besten Ihres verstorbenen Freundes | |||||||
| wider die gegenwartigen und vermuthlich noch aufstehenden unvernünftigen | |||||||
| Iacobiten etc. Etwas zu sagen! | |||||||
| Wir sind jezo beschäfftigt die Papiere unsers Moses in Ordnung | |||||||
| zu bringen. Seine Correspondenz würde vielleicht das einzige wichtige | |||||||
| werden das dem Publiko übergeben werden könnte, wenn seine Freunde | |||||||
| uns die von ihm in Händen habende Briefe mittheilen, da er selbst | |||||||
| die wenigsten abgeschrieben hat. Wären Sie wohl so gut, theurster | |||||||
| Man, und ließen uns die Ihrigen zukommen? | |||||||
| Von Ihrem Freund dem Herrn K. R. Heilsberg höre ich und | |||||||
| sehe ich seit dem 21t. Decemb. nichts, da ich ihm die Bäder aus hepar. | |||||||
| Pris vorgeschlagen. Hat er sie nicht versucht diese Bäder? oder versucht | |||||||
| und sich darauf besser oder schlimmer befunden ? oder gar | |||||||
| kurz ich bin sehr begierig die Ursache zu wissen, worum er so schnell | |||||||
| und so plötzlich das consultiren unterbrochen hat? | |||||||
| Hier inliegend empfangen Sie eine Ankündigung wegen des zu | |||||||
| errichtenden Monuments. Aus dem Friedländerschen Hause erhalten | |||||||
| Sie deren mehrere. | |||||||
| Von Ihnen so geliebt zu werden, wie ich Sie verehre, gehört zu | |||||||
| meinen heißesten Wünschen. | |||||||
| Berlin den 27t Febr. 1786 | |||||||
| Ihr ergebenster Schüler u. Diener | |||||||
| M. Herz. | |||||||
| [ abgedruckt in : AA X, Seite 431 ] [ Brief 259 ] [ Brief 261 ] [ Gesamtverzeichnis des Briefwechsels ] | |||||||