| Kant: Briefwechsel, Brief 160, Von Iohann Ernst Lüdeke. | |||||||
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| Von Iohann Ernst Lüdeke. | |||||||
| 18. Ian. 1781 | |||||||
| Mein verehrungswürdigster Lehrer | |||||||
| Unter den so vielen, die Sie mit dem dankbarsten Herzen bey | |||||||
| diesem Nahmen nennen, werden Sie sich freilich unmöglich auf einen | |||||||
| Menschen besinnen können der länger als vor zehn Iahren das Glük | |||||||
| hatte Ihr Schüler zu seyn. Allein so gewiß es ist daß sehr viele | |||||||
| durch bekant gewordene und leuchtende Verdienste Ihnen mehr Ehre | |||||||
| gemacht haben als ich, der ich nur in einem ganz kleinen Creise geschäftig | |||||||
| seyn kann, so ist es mir doch wenigstens gewiß daß es weder | |||||||
| Einbildung noch blos fades Compliment ist, wenn ich sage daß keiner | |||||||
| Sie mit stärkern Empfindungen der Hochachtung, die mit jedem Tage | |||||||
| wächst je länger ich in dem Felde der Warheit mein Pläzchen bearbeite, | |||||||
| verehret als ich. Ihnen allein habe ich die aufrichtigste Charte | |||||||
| von dem so verwachsenem Gefilde der Philosophie zu danken und es | |||||||
| bestätigt mir jezt meine tägliche Erfahrung das, was mir Sulzer | |||||||
| sagte, als ich bey meiner Zurükkunft in Berlin meinen Unwillen darüber | |||||||
| aeußerte, daß ich Theologie hatte in Königsberg studieren müßen | |||||||
| "Danken Sie Gott dafür,! was sie an Theologischen Reichtümern verloren | |||||||
| haben, haben sie dadurch gewinnen können, daß sie einen Kant | |||||||
| "genüzt haben. Das wird ihnen auch dereinst in der Theologie | |||||||
| "viel helfen." | |||||||
| Schon lange hätte ich Ihnen meinen innigsten Dank schriftlich | |||||||
| ausgedrükt; aber eine geheime Furcht Ihnen lästig zu werden hat mich | |||||||
| bisher davon abgehalten. Da mich aber heute ein guter Freund gebeten | |||||||
| ihm eine addresse an Sie zu geben so habe ich mein Furcht überwunden | |||||||
| und ihm diesen Brief mitgegeben - Ich weiß daß ich nicht | |||||||
| der bin deßen Empfehlungen sonderliches Gewicht hätten. Das habe ich | |||||||
| ihm auch gesagt. Aber bitten kann ich doch daß Sie ihm die Freude | |||||||
| machen mit ihm ein Viertelstündchen zu sprechen. | |||||||
| Er ist ein geschikter junger Mann, deßen sonderbare Schiksaale ihm | |||||||
| nun ein unerwartetes Glük als Hofmeister nach Liefland gebracht | |||||||
| haben. Er heisst Wolmer. | |||||||
| Um mich Ihnen etwas kenntlicher zu machen will ich nur noch | |||||||
| zum Schlusse sagen, daß ich ein Vetter von der Hoyerschen Famille bin. | |||||||
| Ich habe die Ehre mit der unveränderlichsten Hochachtung zu | |||||||
| bleiben | |||||||
| Ihr | |||||||
| Berlin | ergebenster Frd u. Diener | ||||||
| am 18. Jan | I E Lüdeke | ||||||
| 1781 | Prediger an der Petri | ||||||
| Kirche | |||||||
| [ abgedruckt in : AA X, Seite 263 ] [ Brief 159 ] [ Brief 161 ] [ Gesamtverzeichnis des Briefwechsels ] | |||||||