Kant: AA XX, Preisschrift über die ... , Seite 326 |
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Text (Kant):
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| 01 | welcher, ob ihm irgend ein Gegenstand correspondiere, oder ob er leer | ||||||
| 02 | sey, d.i. ob er öberhaupt zum Erkenntnisse dienen könne, so lange, | ||||||
| 03 | jenes in einem Beyspiele gezeigt wird, immer ungewiß bleibt.* | ||||||
| 04 | No. II. |
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| 05 | Das zweyte Stadium der Metaphysik. |
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| 06 | Ihr Stillestand im Scepticism der reinen Vernunft. |
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| 07 | Obzwar Stillestand kein Fortschreiten, mithin eigentlich auch nicht | ||||||
| 08 | ein zurückgelegtes Stadium heißen kann: so ist doch, wenn das Fortgehen | ||||||
| 09 | in einer gewissen Richtung unvermeidlich ein ebenso großes Zurückgehen | ||||||
| 10 | zur Folge hat, die Folge davon eben dieselben, als ob man nicht von dr | ||||||
| 11 | Stelle gekommen wäre. | ||||||
| 12 | Raum und Zeit enthalten Verhältnisse des Bedingten zu seinen | ||||||
| 13 | Bedingungen, z.B. die bestimmte Größe eines Raumes ist nur bedin1gt | ||||||
| 14 | möglich, nämlich dadurch, daß ihn ein andrer Raum einschließt; eben 1so | ||||||
| 15 | eine bestimmte Zeit dadurch, daß sie als der Theil einer noch größern | ||||||
| 16 | Zeit vorgestellt wird, und so ist es mit allen gegeben Dingen, als | ||||||
| 17 | Erscheinungen bewandt. Die Vernunft aber verlangt, das Unbedingte, | ||||||
| 18 | und mit ihm die Totalität aller Bedingungen, zu erkennen, denn sonst | ||||||
| 19 | hört sie nicht auf zu fragen, gerade als ob noch nichts geantwortet wäre. | ||||||
| 20 | Nun würde dieses für sich allein die Vernunft noch nicht irre machen; | ||||||
| 21 | denn wie oft wird nicht nach den Warum in der Naturlehre vergeblich | ||||||
| 22 | gefragt, und doch die Entschuldigung mit seiner Unwissenheit gültig | ||||||
| 23 | * Ein gewisser Verfasser will diese Forderung durch einen Fall vereiteln, | ||||||
| 24 | der in der That der einzige in seiner Ert ist, nämlich der Begriff eines nothwendigen | ||||||
| 25 | von dessen Daseyn, weil doch die letzte Ursache wenigstens | ||||||
| 26 | ein schlechthin nothwensiges Wesen seyn müsse, wir gewiß seyn könnten, und | ||||||
| 27 | daß also die objektive Realität dieses Begriffs bewiesen werden können, ohne doch | ||||||
| 28 | eine ihm correspondierende Anschauung in irgend einem Beyspiele geben zu | ||||||
| 29 | dürfen. Aber der Begriff von eine nothwendigen Wesen ist noch gar nicht | ||||||
| 30 | der Begriff von einem auf irgens eine Weise bestimmten Dinge. Denn das | ||||||
| 31 | Daseyn ist keine Bestimmung irgend eines Dinges, und, welche innere Prädicate | ||||||
| 32 | einem Dinge aus dem Grunde, weil man es als ein dem Daseyn nach unabhängiges | ||||||
| 33 | Ding annimmt, zukommen, jäßt sich schlechterdings nicht aus seinem | ||||||
| 34 | bloßen Daseyn, es mag als nothwendig oder nicht nothwendig angenommen | ||||||
| 35 | werden, erkennen. | ||||||
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