| Kant: AA XX, Preisschrift über die ... , Seite 255 | |||||||
| Zeile: 
 | Text (Kant): 
 | 
 
 | 
 
 | ||||
| 01 | Immanuel Kant | ||||||
| 02 | über | ||||||
| 03 | die von der Königl. Akademie der Wissenschaften | ||||||
| 04 | zu Berlin | ||||||
| 05 | für das Jahr 1791 | ||||||
| 06 | ausgesetzte Preisfrage: | ||||||
| 07 | Welches | ||||||
| 08 | sind die wirklichen Fortschritte, | ||||||
| 09 | die die Metaphysik | ||||||
| 10 | seit Leibnitzens und Wolf's Zeiten | ||||||
| 11 | in Deutschland gemacht hat? | ||||||
| 12 | Herausgegeben | ||||||
| 13 | von | ||||||
| 14 | D.Friedrich Theodor Rink. | ||||||
| 15 | Königsberg, 1804 | ||||||
| 16 | bey Goebbels und Unzer. | ||||||
|  | |||||||
| 01 | Die Veranlassung dieser Schrift liegt am Tage, ich kann mich dessen | ||||||
| 02 | also überheben, hier weitläufiger davon zu reden. Die Preisfrage, von | ||||||
| 03 | der sie handelt, machte, als sie bekannt wurde, mit Recht einiges Aufsehen. | ||||||
| 04 | Drey verdiente Männer, die Herren Schwab, Reinhold und Abicht, | ||||||
| 05 | trugen den Preis davon, und ihre hierher gehörigen Aufsätze sind bereits | ||||||
| 06 | seit dem Jahre 1796 in den Händen des Publicums. Wie sie meistens, ein | ||||||
| 07 | jeder seinen eigenen Gang, bey der Untersuchung einschlugen: so ist auch | ||||||
| 08 | Kant seinen eigenthümlichen, und zwar den verschiedensten Weg gegangen, | ||||||
| 09 | den einzigen indessen, von dem sich voraussehen ließ, daß, wenn er diese | ||||||
| 10 | Preisfrage zum Gegenstande seiner Beantwortung nehmen sollte, er ihn | ||||||
| 11 | wählen würde. | ||||||
| 12 | Drey Handschriften dieses Aufsatzes sind vorhanden, aber keine derselben, | ||||||
| 13 | was zu bedauern ist, vollständig. Aus der einen war ich daher genöthigt, | ||||||
| 14 | die erste Hälfte dieser Schrift, bis zum Ende des ersten Stadiums, | ||||||
| 15 | herzunehmen; die andere lieferte mir die letzte Hälfte, vom Anfange des | ||||||
| 16 | zweiten Stadiums bis zum Ende des Aufsatzes. Da jede Handschrift eine | ||||||
| 17 | andre Bearbeitung des gegebenen Stoffes, und zwar mit kleinen Abweichungen | ||||||
| 18 | enthält: so kann es nicht fehlen, daß nicht hin und wieder | ||||||
| 19 | ein gewisser Mangel an Einheit und Zusammenstimmung in der Behandlung | ||||||
| 20 | fühlbar werden sollte, der sich unter diesen Umständen indessen | ||||||
| 21 | unmöglich ganz beseitigen ließ. Die dritte Abschrift ist in gewisser Weise | ||||||
| 22 | die vollendetste, enthält aber nur den ersten Anfang des Ganzen. Sollte | ||||||
| 23 | die eben erwähnte Inconvenienz nicht noch größer werden, durch eine | ||||||
| 24 | gezwungene Zusammenschmelzung mehrerer Bearbeitungen: so blieb | ||||||
| 25 | mir nichts andres übrig, als den Inhalt jener dritten Abschrift in der | ||||||
| 26 | Beylage abdrucken zu lassen, oder ihn ganz zu unterdrücken. Das letztere | ||||||
| 27 | schien mir eine zu eigenmächtige Beeinträchtigung der Erwartungen aller | ||||||
| 28 | Freunde der kritischen Philosophie, daher ich denn den ersten Ausweg | ||||||
| 29 | wählte. Auch giebt die Beylage noch einige Anmerkungen Kant's, die | ||||||
| 30 | sich am Rande der Manuscripte befinden, und den Anfang des zweyten | ||||||
| 31 | Stadiums, aus der von mir so genannten ersten Handschrift. | ||||||
|  | |||||||
| 01 | Doch selbst in dem, was die beyden erst genannten Handschriften enthalten, | ||||||
| 02 | giebt es einige Lücken, die Kant wahrscheinlich, wie er das gar oft | ||||||
| 03 | that, auf beygelegten, aber verloren gegangenen Zetteln mochte ergänzt | ||||||
| 04 | haben; ich habe sie an einigen Stellen durch eingeschobene Sternchen** | ||||||
| 05 | bezeichnet. | ||||||
| 06 | Soviel glaubte ich über meine Anordnung dieser Papiere sagen zu | ||||||
| 07 | müssen, um den Beurtheiler dieser Schrift in den richtigen Gesichtspunkt | ||||||
| 08 | zu derselben zu stellen. Sie anzupreisen, oder auch nur ihr Gutes, selbst | ||||||
| 09 | in dieser mangelhaften Gestalt, hervorzuheben, dessen bedarf es von meiner | ||||||
| 10 | Seite nicht. Hat doch, wie ich soeben erfahre, Kant die große Rolle | ||||||
| 11 | seines Lebens beendigt. Es läßt sich erwarten, daß nun auch der Groll, | ||||||
| 12 | den seine Geistesüberlegenheit hie oder da unschuldiger Weise veranlaßte, | ||||||
| 13 | einschlummere, und vollkommnere Unpartheylichkeit gewissenhafter | ||||||
| 14 | seine wesentlichen Verdienste würdigen werde. | ||||||
| 15 | Zur Jubilate-Messe des Jahres 1804. | ||||||
| 16 | Rink. | ||||||
| [ Seite 253 ] [ Seite 259 ] [ Inhaltsverzeichnis ] | |||||||