Kant: AA XIX, Erläuterungen zu A. G. Baumgartens ... , Seite 280 |
|||||||
Zeile:
|
Text:
|
|
|
||||
| 01 | eine Lüge auszustoßen ihr innerstes umkehrt, bey mir ist es anders; ich | ||||||
| 02 | lache, wenn ich iemanden habe überlisten können und zwar mit solcher | ||||||
| 03 | Überlegung, daß es nicht entdeckt wird. Euer Gefühl mag vor euch entscheiden, | ||||||
| 04 | ihr könnt es aber mir nicht zum Gesetz machen. Allein, spricht | ||||||
| 05 | ein dritter, du magst nun die Lüge weder als dir schädlich noch als an | ||||||
| 06 | sich selbst abscheulich fliehen oder belieben, so bist du nicht frey zu thun, | ||||||
| 07 | was du wilst. - Siehe über dir das Höchste Gut, was in seinen Ideen | ||||||
| 08 | die deine Vernunft anschauen kan, sie mit der Person selbst, die ihr ergeben | ||||||
| 09 | ist, ausstößt und sie von der Glückseeligkeit ausschließt. Platoniker. | ||||||
| 10 | Woher wißt ihr die Ideen dieses höchsten Wesens? Ich besinne mich nicht, | ||||||
| 11 | iemals mit einer solchen in Bekantschaft gelanget zu seyn. Sind diese | ||||||
| 12 | Ideen nicht vielleicht zufällige Producte der Erziehung des eingeführten | ||||||
| 13 | Gebrauchs? Und wozu woher wißt ihr, daß ein solches Höchste Wesen, | ||||||
| 14 | daß ihr nur durch Vernunft kennt, sie verabscheue als darum, weil sie an | ||||||
| 15 | sich verabscheuungswürdig ist, das ist es aber eben, woran ich zweifle und | ||||||
| 16 | wovon ihr mir den Zweifel nicht habt benehmen können. | ||||||
| (g | |||||||
| 17 | Der Lehrbegrif der Moralitaet aus dem princip der reinen | ||||||
| 18 | Willkühr. | ||||||
| 19 | Dieses ist das princip der Selbstzufriedenheit a priori als der formalen | ||||||
| 20 | Bedingung aller Glückseeligkeit (parallel mit der apperception). | ||||||
| 21 | Das erste, was der Mensch thun muß, ist, daß er die Freyheit | ||||||
| 22 | unter Gesetze der Einheit bringt; denn ohne dieses ist sein Thun und | ||||||
| 23 | Lassen lauter Verwirrung. | ||||||
| 24 | Gebet einem Menschen von viel Verstand alle Mittel zur Glückseeligkeit | ||||||
| 25 | in Händen, die Neigungen werden doch mit ihm ihr Spiel | ||||||
| 26 | treiben und den Verstand in ihre Gemeinschaft ziehen -- | ||||||
| ) | |||||||
| 27 | S. IV: | ||||||
| 28 | Nachdem ich auf solche Weise alle fremde Überredungen abgewiesen | ||||||
| 29 | habe, so kehre ich mich selbst zurük und finde, ungeachtet es mir frey | ||||||
| 30 | stand, es andern zu verheelen und niemand mir überzeugende Beweise | ||||||
| 31 | davon geben konte, in mir ein Princip der Misbilligung und eines unauslöschlichen | ||||||
| 32 | innern Abscheu, der zwar bisweilen von entgegenstehenden | ||||||
| 33 | Anreitzen mag überwogen werden niemals aber vertilgt werden kan. Worauf | ||||||
| 34 | beruht diese Misbilligung? ist es unmittelbar Gefühl der Schandlichkeit, | ||||||
| [ Seite 279 ] [ Seite 281 ] [ Inhaltsverzeichnis ] |
|||||||