Kant: AA XVIII, Metaphysik Zweiter Theil , Seite 294 |
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| 01 | der Principien) Behauptungen nachzuhängen. Der Natürlichste Hang | |||||||||
| 02 | des Menschen in ansehung der Erkentnisse ist zum Dogmatism: 1. wegen | |||||||||
| 03 | der Faulheit, weil das Zurückgehen auf Principien schweerer ist als der | |||||||||
| 04 | Fortgang zur Anwendung einmal angenommener und in Umlauf gebrachter | |||||||||
| 05 | Principien. 2. Weil durch Critik Erkentnis nicht erweitert, | |||||||||
| 06 | sondern nur gesichert wird. 3. Aus Furcht, die Armseligkeit unseres | |||||||||
| 07 | Wissens unseren und anderer Augen aufzudecken. | |||||||||
| 08 | Skepticism ist ein gewählter Grundsatz, dem Dogmatismus Abbruch | |||||||||
| 09 | zu thun, doch nicht vermittelst der Crit in der Absicht, die Warheit | |||||||||
| 10 | wahre Überzeugung zu dagegen einzuführen, sondern nur, um die Uberredung | |||||||||
| 11 | andrer zu stürzen. Dazu Die Neigung hiezu ist nicht natürlich, | |||||||||
| 12 | sondern gekünstelt und kan nur aus dem Misfallen an der Usurpation | |||||||||
| 13 | des Dogmatismus entspringen. Den Anlaß dazu giebt ihm im historischen | |||||||||
| 14 | (g 1. stlich im ) empirischen Erkentnisse die Vielwisserey der aller, | |||||||||
| 15 | vornehmlich der alten Geschichte und der Systembau derselben, 2tens | |||||||||
| 16 | im Vernunfterkentnisse Meta speculative Philosophie, nämlich | |||||||||
| 17 | Metaphysik und allgemeine Moral mit ihren Fragen Behauptungen | |||||||||
| 18 | vom höchsten Gut. Er ist also zwar eine Bosheit, indem er nichts als | |||||||||
| 19 | Schaden anzurichten (g sucht ), nämlich der menschlichen Vernunft alle | |||||||||
| 20 | Hofnung in den wichtigsten Fragen der Vernunft zu rauben sucht: aber | |||||||||
| 21 | nicht ungewitzte Bosheit, denn der Dogmatism als (g ein Beyfall ) usurpirender | |||||||||
| 22 | Eigendünkel kan über den Wiederstand des Misologen wenigstens | |||||||||
| 23 | nicht als über Unrecht klagen. Doch ist er (g um das mindeste zu sagen ) | |||||||||
| 24 | Thorheit; denn er verwandelt alles Fürwahrhalten in Schein, den er der | |||||||||
| 25 | Warheit entgegesetzt, muß also doch Criterien des Unterschiedes derselben | |||||||||
| 26 | einräumen, und gleichwohl läugnet er diese gänzlich ab. | |||||||||
| 27 | Gefahr ist die Möglichkeit eines größeren Übels. Es ist also so | |||||||||
| 28 | wohl beym Dogmatism als Scepticism Gefahr, bey jenem der Aufraffung | |||||||||
| 29 | eines Wusts von Irrthümern unter einer kleinen Zahl Warheiten | |||||||||
| 30 | und der Verachtung der letzteren selbst wegen ihrer Verwandtschaft mit | |||||||||
| 31 | jenen; bey diesem, der Verläugnung unserer Pflicht, uns überall unserer | |||||||||
| 32 | Vernunft zu bedienen, und einer durch scheinbaren Vorwand beschönigten | |||||||||
| 33 | Faulheit der ersteren. | |||||||||
| 34 | Diese Gefahr kan nur durch den größten critischen Fleiß, auf der | |||||||||
| 35 | empirischen Seite den Qvellen (g der Geschichte ) und der Ableitung | |||||||||
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