Kant: AA XII, Briefwechsel 1798 , Seite 257 |
|||||||
Zeile:
|
Text (Kant):
|
|
|
||||
| 01 | empfunden werden möchte, wenn Sie sich darinn in Gedanken versetzten; | ||||||
| 02 | nämlich für Geistesarbeiten, bey sonst ziemlichen körperlichen | ||||||
| 03 | Wohlseyn, wie gelähmt zu seyn: den völligen Abschlus meiner Rechnung, | ||||||
| 04 | in Sachen welche das Ganze der Philosophie (so wohl Zweck | ||||||
| 05 | als Mittel anlangend) betreffen, vor sich liegen und es noch immer | ||||||
| 06 | nicht vollendet zu sehen; obwohl ich mir der Thunlichkeit dieser Aufgabe | ||||||
| 07 | bewust bin: ein Tantalischer Schmertz, der indessen doch nicht | ||||||
| 08 | hofnungslos ist. - Die Aufgabe, mit der ich mich jetzt beschäftige, betrifft | ||||||
| 09 | den "Übergang von den metaphys. Anf. Gr. d. N. W. zur Physik". Sie | ||||||
| 10 | will aufgelöset seyn; weil sonst im System der crit. Philos. eine Lücke | ||||||
| 11 | seyn würde. Die Ansprüche der Vernunft darauf lassen nicht nach: | ||||||
| 12 | das Bewustseyn des Vermögens dazu gleichfalls nicht; aber die Befriedigung | ||||||
| 13 | derselben wird, wenn gleich nicht durch völlige Lähmung | ||||||
| 14 | der Lebenskraft, doch durch immer sich einstellende Hemmungen derselben | ||||||
| 15 | bis zur höchsten Ungedult aufgeschoben. | ||||||
| 16 | Mein Gesundseyn, wie es Ihnen Andere berichtet haben, ist also | ||||||
| 17 | nicht die des Studirenden, sondern Vegetirenden (Essen, Gehen und | ||||||
| 18 | schlafen können); und mit dieser reichte, in meinem 75 sten Iahre, für | ||||||
| 19 | Ihre gütige Aufforderung, daß ich meine dermalige Einsichten in der | ||||||
| 20 | Philosophie mit denen, zu welchen Sie binnen der Zeit, da wir mit | ||||||
| 21 | einander freundschaftlich controvertirten, vergleichen möchte mein so genantes | ||||||
| 22 | Gesundseyn nicht zu; wenn es sich nicht damit etwas bessert: | ||||||
| 23 | als wozu ich, da meine jetzige Desorganisation vor etwa anderthalb | ||||||
| 24 | Iahren mit einem Catharr anhob, nicht alle Hofnung aufgegeben habe. | ||||||
| 25 | Ich gestehe: daß, wenn dieser Fall eintritt, es eine meiner angenehmsten | ||||||
| 26 | Beschäftigungen seyn wird diese Vereinigung, ich will nicht | ||||||
| 27 | sagen unserer Gesinnungen, (denn die halte ich für einhellig) sondern | ||||||
| 28 | der Darstellungsart, darinn wir uns vielleicht einander nur misverstehen | ||||||
| 29 | mögen - zu versuchen; wozu ich denn, in langsamer Durchlesung | ||||||
| 30 | Ihres Buchs, bereits den Anfang gemacht habe. | ||||||
| 31 | Beym flüchtigen Durchblättern desselben bin ich auf die Note S. 339 | ||||||
| 32 | gestoßen: in Ansehung deren ich protestiren muß. - Nicht die Untersuchung | ||||||
| 33 | vom Daseyn Gottes, der Unsterblichkeit etc. ist der Punct gewesen | ||||||
| 34 | von dem ich ausgegangen bin, sondern die Antinomie der r. V.: | ||||||
| 35 | "Die Welt hat einen Anfang -: sie hat keinen Anfang etc. bis zur | ||||||
| 36 | vierten : Es ist Freyheit im Menschen, - gegen den: es ist keine Freyheit, | ||||||
| 37 | sondern alles ist in ihm Naturnothwendigkeit"; diese war es welche | ||||||
| [ Seite 256 ] [ Seite 258 ] [ Inhaltsverzeichnis ] |
|||||||