Kant: AA XII, Briefwechsel 1797 , Seite 154 |
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| 01 | daß meine Bitte abgeschlagen sei. Endlich wandte sich die Prinzessin, | ||||||
| 02 | weil mündlich für jemand den König zu bitten, verboten ist, durch | ||||||
| 03 | ein Schreiben, das ihr wirklich Ehre macht, für mich an ihren Vater, | ||||||
| 04 | aber auch dis blieb, ob es gleich Etiquette ist, daß der König seinen | ||||||
| 05 | Kindern immer antwortet, unbeantwortet und als sie den Tag vor | ||||||
| 06 | ihrer Abreise mit dem König mündlich darüber sprechen wollte, unterbrach | ||||||
| 07 | er das Gespräch mit dem allgemeinen Versprechen, j'aurai soin | ||||||
| 08 | de tout. Auf ihr Anrathen machte ich nach ihrer Abreise noch einige | ||||||
| 09 | Demarchen, und da diese auch vergeblich waren, so gab ich alle Hofnung | ||||||
| 10 | auf, auf diese Art etwas zu erlangen. Unterdessen erhielt ich einen | ||||||
| 11 | Brief von einem meiner ehemaligen Zuhörer einem reichen russischen | ||||||
| 12 | Kaufmann, der ein eifriger Anhänger ihres Systems ist, welcher mich | ||||||
| 13 | einlud, zu ihm nach Dresden zu kommen, mit ihm den Sommer zur | ||||||
| 14 | Wiederherstellung meiner Gesundheit ins Bad zu gehen und sodann | ||||||
| 15 | nach Frankreich und der Schweitz zu reisen, wenn ich in Berlin nichts | ||||||
| 16 | mehr zu verliehren hätte. Ich war auch völlig bereit, diesen gütigen | ||||||
| 17 | Vorschlag anzunehmen, als sich plötzlich eine andere Aussicht eröfnete. | ||||||
| 18 | Einer meiner ehemaligen Zuhörer, der die Stelle eines ersten Sekretärs | ||||||
| 19 | bei dem Obristen von Zastrov, dem Generaladjudanten des Königs, | ||||||
| 20 | bekleidet, hatte gehört, daß ich Berlin verlaßen wollte und rieth mir, | ||||||
| 21 | ehe ich diesen Schritt thäte, mich an den Obristen zu wenden, der mir | ||||||
| 22 | sehr gewogen sei und sich gewiß sehr für mich interessiren würde. Ich | ||||||
| 23 | ging darauf nach Potsdam, sprach mit dem Obristen, der mich mit | ||||||
| 24 | vieler Achtung und Freundschaft empfing, und es übernahm mein Gesuch | ||||||
| 25 | dem Könige vorzutragen. Der König äußerte seine große Zufriedenheit | ||||||
| 26 | mit mir und schon den folgenden Tag erhielt ich eine Cabinetsordre, | ||||||
| 27 | worin der König mir "zur Aufmunterung um in meinem Eifer zur | ||||||
| 28 | Ausbreitung nützlicher Kenntniße fortzufahren" eine lebenslängliche | ||||||
| 29 | Pension von 360 rthlr. (so groß war mein Gehalt für den Unterricht bei | ||||||
| 30 | der Prinzessin gewesen) jährlich aussetzte, doch mit dem Beding, da | ||||||
| 31 | ich fernerhin den fremden Offizieren, die sich den Winter ihrer Ausbildung | ||||||
| 32 | wegen in Berlin aufhalten und den hiesigen Chirurgen unentgeldlich | ||||||
| 33 | den Zutritt zu meinen Vorlesungen verstatte. Dadurch nun, | ||||||
| 34 | theuerster Freund, bin ich wenigstens gegen drückenden Mangel geschützt | ||||||
| 35 | und also jetzt völlig ruhig. Ich werde fürs erste auf einige | ||||||
| 36 | Monath nach Carlsbad gehen um meine Gesundheit wiederherzustellen, | ||||||
| 37 | die wirklich sehr gelitten hat, und so dann meine Geschäfte nach wie | ||||||
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