Kant: AA XII, Briefwechsel 1796 , Seite 106 |
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Text (Kant):
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| 01 | Versuch eines popularen Lehrbuchs der Rechts= und Pflichtenlehre wird | ||||||
| 02 | sich daher, wie ich hoffe, Ihrer Achtung empfelen können, da mich zu | ||||||
| 03 | Herausgabe desselben die Absicht bestimmt hat, auch dadurch ächte | ||||||
| 04 | moralische Cultur bey einem Theile unserer Iugend zu befördern. Ob | ||||||
| 05 | die Auswahl des Innhalts, ob zugleich die Form der Darstellung dem | ||||||
| 06 | vor Augen gehabten Zwecke entspreche; das muß ich Ihrem Kennerurtheile | ||||||
| 07 | überlaßen. Wenigstens glaube ich dem von meinem Freunde | ||||||
| 08 | ausgearbeiteten Theile das Verdienst einer popularen und doch unverfälschten | ||||||
| 09 | Darstellung zu eignen zu dürfen. | ||||||
| 10 | Ich für mein Theil muß es jetzt sehr bedauern, daß ich bey Verzeichnung | ||||||
| 11 | meines kurzen, popularen Grundrißes der Rechtslehre Ihre | ||||||
| 12 | so eben erschienenen Metaphys. Anfangsgründe der Rechtslehre | ||||||
| 13 | nicht habe benutzen können. Wie viel würde dadurch mein eigener | ||||||
| 14 | Abriß noch gewonnen haben! Doch vielleicht wird er auch in der | ||||||
| 15 | unvollkommenen Gestalt, die ich ihm zu geben vermogte, nicht ganz | ||||||
| 16 | seines Zweckes verfehlen. | ||||||
| 17 | Erlauben Sie mir nun noch, Verehrungswürdigster Herr Profeßor! | ||||||
| 18 | daß ich in einer literarischen Angelegenheit eine Bitte an Sie wagen | ||||||
| 19 | dürfe. Mein Gesuch betrift den Wunsch: über eine schriftstellerische | ||||||
| 20 | Arbeit, die ich gegenwärtig unter den Händen habe, im Allgemeinen | ||||||
| 21 | Ihr Urtheil zu vernehmen und von Ihnen zu wißen, ob ein Encyklopädisches | ||||||
| 22 | Lehrbuch nach dem von mir verzeichneten Stammbaum der | ||||||
| 23 | gesammten Wissenschaften für die wißenschaftl. Cultur überhaupt vortheilhaft | ||||||
| 24 | seyn könne? - Den Plan zu einem solchen Werke werden | ||||||
| 25 | Ewr Wohlgeboren in einer Abhandlung finden, welche durch die Besorgung | ||||||
| 26 | der Herrn Profeßoren Schmid und Niethammer in Iena in | ||||||
| 27 | das IVte Heft des Nieth. Philosoph. Iournals im vorigen Iahre ist | ||||||
| 28 | eingerückt worden. | ||||||
| 29 | Im Ganzen und selbst in einigen einzelnen Theilen bleibe ich | ||||||
| 30 | jenem verzeichneten Plane in der Ausführung getreu, in verschiedenen | ||||||
| 31 | andern Stücken hingegen weiche ich jetzt davon ab, nemlich bey Darstellung | ||||||
| 32 | der reinen theoretischen Philosophie; weil mich ein anhaltendes | ||||||
| 33 | geschärfteres Nachdenken immer deutlicher zu überzeugen scheint, da | ||||||
| 34 | die neuen Wege, die gewiße übrigens scharfsinnige und verdienstvolle | ||||||
| 35 | Philosophen des Tages unter Leitung vorgeschlagener erster Principien | ||||||
| 36 | alles Philosoph. Wißens im Gebiete der reinen Philosophie bis jetzt | ||||||
| 37 | eingeschlagen haben, weder leicht und sicher noch überall dem Geiste | ||||||
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