Kant: AA XI, Briefwechsel 1793 , Seite 410 |
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01 | nicht nur nicht daß Sie die Meinigen lesen; sondern ich glaube so gar | ||||||
02 | dadurch selbst einzubüssen, wenn Sie von der Zeit die Sie ihren doktrinalen | ||||||
03 | Werken gewidmet haben, auch nur eine Stunde auf die Lektüre | ||||||
04 | von denjenigen Ausarbeitungen verwenden, durch welche ich die ewigen | ||||||
05 | Wahrheiten die sie mich gelehrt haben gegen Misverständnisse zu sichern | ||||||
06 | suche. | ||||||
07 | Wenn ich aber dießfalls irgend eine Ausnahme mir zu wünschen | ||||||
08 | erlaubte: so würde dieselbe die Briefe über Ihre Philosophie, | ||||||
09 | treffen, die mir durch Ihren Beyfall (: den diejenigen des Ersten | ||||||
10 | Bandes welche der Merkur vorläufig bekannt machte zu erhalten das | ||||||
11 | Glück hatten :) besonders lieb geworden sind. Sollten Sie unbeschäftigte | ||||||
12 | Zeittrümmerchen über kurz oder lang übrig haben, und dieselben dem | ||||||
13 | Zweyten Theile der gedachten Briefe zuwenden können - Auch dann | ||||||
14 | würde ich Sie bitten keineswegs das ganze Buch, sondern aus den | ||||||
15 | zwölf Briefen nur fünf nämlich den sechsten, siebenten, Achten, | ||||||
16 | Eilften und zwölften zu lesen. Der sechste versuchte es die Begriffe | ||||||
17 | von Sittlichkeit Pflicht Recht und Naturrecht, der siebente von Begehren | ||||||
18 | und Wollen, der Achte von der Freyheit zu entwickeln; der | ||||||
19 | Eilfte enthält eine Skizze zur Geschichte der Moralphilosophie; und | ||||||
20 | der Zwölfte enthält meine Erwartungen von dem Erfolg Ihrer Bemühungen. | ||||||
21 | Wenn ich nicht unrecht berichtet bin, so sind sie eben mit | ||||||
22 | der Metaphysik der Sitten und folglich mit Ideen beschäftiget, bey | ||||||
23 | denen ich nicht fürchten darf, durch den Inhalt jener Briefe Veranlassung | ||||||
24 | zu einer Unterbrechung Ihres Geschäftes zu werden - und | ||||||
25 | Sie haben dasjenige, was Sie etwa mir zur Berichtigung meiner | ||||||
26 | Versuche zu sagen für gut finden dürften, eben bey der Hand. | ||||||
27 | Ihr Urtheil über den Inhalt besonders des siebenten und achten | ||||||
28 | Briefes würde mir, dasselbe möchte nun für meine Theorie von Willen | ||||||
29 | und Freyheit günstig oder ungünstig ausfallen, zum Behuf meines | ||||||
30 | Versuches einer Theorie des Begehrungsvermögens, den ich | ||||||
31 | schon seit einigen Iahren in meiner Seele herum trage die größte | ||||||
32 | Wohlthat seyn. Ein paar Winke in ein paar Zeilen hingeworfen, | ||||||
33 | werden mich entweder über das Protonpseudos belehren, und gegen | ||||||
34 | das Unglück auf einem unrichtigen Wege weiter fortzugehen bewahren, | ||||||
35 | oder falls der Weg nicht verfehlt ist Herzstärkung zur Überwindung | ||||||
36 | der grossen Schwierigkeiten seyn, die ich bereits aus Erfahrung kenne, | ||||||
37 | und die mir noch auf demselben bevorstehen. | ||||||
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