| Kant: AA XI, Briefwechsel 1791 - 1792 , Seite 315 | |||||||
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| 01 | so fern das Mannigfaltige in ihm (für die Zusammensetzung | ||||||
| 02 | und die synthetische Einheit desselben) auf besondere Art gegeben ist, | ||||||
| 03 | heißt Sinnlichkeit und diese Art (der Anschauung a priori gegeben die | ||||||
| 04 | sinnliche Form der Anschauung. Beziehungsweise auf sie werden vermittelst | ||||||
| 05 | der Categorien die Gegenstände blos als Dinge in der Erscheinung | ||||||
| 06 | und nicht nach dem was sie an sich selbst sind erkannt; | ||||||
| 07 | ohne alle Anschauung werden sie gar nicht erkannt, aber doch gedacht | ||||||
| 08 | und wenn man nicht blos von aller Anschauung abstrahirt, sondern | ||||||
| 09 | sie sogar ausschließt, so kan den Categorien die objective Realität | ||||||
| 10 | (daß sie überhaupt Etwas vorstellen und nicht leere Begriffe sind) | ||||||
| 11 | nicht gesichert werden. | ||||||
| 12 | Vielleicht können Sie es vermeiden gleich anfänglich Sinnlichkeit | ||||||
| 13 | durch Receptivität, d. i. die Art der Vorstellungen wie sie im Subjecte | ||||||
| 14 | sind, so fern es von Gegenständen afficirt wird zu definiren und es | ||||||
| 15 | in dem setzen, was in einem Erkentnisse blos die Beziehung der Vorstellung | ||||||
| 16 | aufs Subject ausmacht, so, daß die Form derselben in dieser | ||||||
| 17 | Beziehung aufs Object der Anschauung nichts mehr als die Erscheinung | ||||||
| 18 | desselben erkennen läßt. Daß aber dieses Subjective nur die Art wie | ||||||
| 19 | das Subject durch Vorstellungen afficirt wird, mithin blos Receptivität | ||||||
| 20 | desselben ausmache, liegt schon darinn daß es blos die Bestimmung | ||||||
| 21 | des Subjects ist. | ||||||
| 22 | Mit einem Worte: da diese ganze Analysis nur zur Absicht hat | ||||||
| 23 | darzuthun: daß Erfahrung selbst nur vermittelst gewisser synthetischer | ||||||
| 24 | Grundsätze a priori möglich sey, dieses aber alsdann, wenn diese | ||||||
| 25 | Grundsätze wirklich vorgetragen werden, allererst recht faßlich gemacht | ||||||
| 26 | werden kan, so halte ich für rathsam, ehe diese aufgestellt werden, so | ||||||
| 27 | kurz wie möglich zu Werke zu gehen. Vielleicht kan Ihnen die Art | ||||||
| 28 | wie ich hiebey in meinen Vorlesungen verfahre, wo ich kurz seyn muß, | ||||||
| 29 | hiezu einigermaaßen behülflich seyn. | ||||||
| 30 | Ich fange damit an, daß ich Erfahrung durch empirisches Erkentnis | ||||||
| 31 | definire. Erkentnis aber ist die Vorstellung eines gegebenen | ||||||
| 32 | Objects als eines solchen durch Begriffe; sie ist empirisch, wenn das | ||||||
| 33 | Object in der Vorstellung der Sinne (welche also zugleich Empfindung | ||||||
| 34 | und diese mit Bewustseyn verbunden d. i. Wahrnehmung enthält) Erkentnis | ||||||
| 35 | aber a priori , wenn das Object zwar, aber nicht in der | ||||||
| 36 | Sinnenvorstellung (die also doch nichts desto weniger immer sinnlich | ||||||
| 37 | seyn kan) gegeben ist. Zum Erkentnis werden zweyerley Vorstellungsarten | ||||||
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