Kant: AA IX, Immanuel Kant über ... , Seite 499

     
           
 

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Text (Kant):

 

 

 

 
  01 ihn auch auf Gewissenhaftigkeit in allen Dingen hinweisen, und daß er      
  02 auch darin nicht blos Scheine, sondern alles zu sein sich bestrebe. Man      
  03 muß ihn darauf aufmerksam machen, daß er in keinem Stücke, wo er einen      
  04 Vorsatz wohl überlegt hat, ihn zum leeren Vorsatze werden lasse; lieber      
  05 muß man keinen Vorsatz fassen und die Sache im Zweifel lassen; - auf      
  06 Genügsamkeit mit äußern Umständen und Duldsamkeit in Arbeiten:      
  07 Sustine et abstine ; - auf Genügsamkeit in Vergnügungen. Wenn man      
  08 nicht blos Vergnügungen verlangt, sondern auch geduldig im Arbeiten      
  09 sein will, so wird man ein brauchbares Glied des gemeinen Wesens und      
  10 bewahrt sich vor Langweile.      
           
  11 Auf Fröhlichkeit ferner und gute Laune muß man den Jüngling hinweisen.      
  12 Die Fröhlichkeit des Herzens entspringt daraus, daß man sich      
  13 nichts vorzuwerfen hat; - auf Gleichheit der Laune. Man kann sich durch      
  14 Übung dahin bringen, daß man sich immer zum aufgeräumten Theilnehmer      
  15 der Gesellschaft disponiren kann.      
           
  16 Darauf, daß man vieles immer wie Pflicht ansieht. Eine Handlung      
  17 muß mir werth sein, nicht weil sie mit meiner Neigung stimmt, sondern      
  18 weil ich dadurch meine Pflicht erfülle.      
           
  19 Auf Menschenliebe gegen Andere und dann auch auf weltbürgerliche      
  20 Gesinnungen. In unserer Seele ist etwas, daß wir Interesse nehmen      
  21 1) an unserm Selbst, 2) an Andern, mit denen wir aufgewachsen sind,      
  22 und dann muß 3) noch ein Interesse am Weltbesten Statt finden. Man      
  23 muß Kinder mit diesem Interesse bekannt machen, damit sie ihre Seelen      
  24 daran erwärmen mögen. Sie müssen sich freuen über das Weltbeste, wenn      
  25 es auch nicht der Vortheil ihres Vaterlandes oder ihr eigner Gewinn ist.      
           
  26 Darauf, daß er einen geringen Werth setze in den Genuß der      
  27 Ergötzlichkeiten des Lebens. Die kindische Furcht vor dem Tode wird dann      
  28 wegfallen. Man muß dem Jünglinge zeigen, daß der Genuß nicht liefert,      
  29 was der Prospect versprach.      
           
  30 Auf die Nothwendigkeit endlich der Abrechnung mit sich selbst an      
  31 jedem Tage, damit man am Ende des Lebens einen Überschlag machen      
  32 könne in Betreff des Werthes seines Lebens.      
           
           
     

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