Kant: AA IX, Immanuel Kant über ... , Seite 485 |
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| 01 | Lebens. Lehrer müssen aber keines derselben seiner Talente, sondern nur | ||||||
| 02 | seines Charakters wegen vorziehen, denn sonst entsteht eine Mißgunst, die | ||||||
| 03 | der Freundschaft zuwider ist. | ||||||
| 04 | Kinder müssen auch offenherzig sein und so heiter in ihren Blicken, | ||||||
| 05 | wie die Sonne. Das fröhliche Herz allein ist fähig, Wohlgefallen am | ||||||
| 06 | Guten zu empfinden. Eine Religion, die den Menschen finster macht, ist | ||||||
| 07 | falsch; denn er muß Gott mit frohem Herzen und nicht aus Zwang dienen. | ||||||
| 08 | Das fröhliche Herz muß nicht immer strenge im Schulzwange gehalten | ||||||
| 09 | werden, denn in diesem Falle wird es bald niedergeschlagen. Wenn es | ||||||
| 10 | Freiheit hat, so erholt es sich wieder. Dazu dienen gewisse Spiele, bei | ||||||
| 11 | denen es Freiheit hat, und wo das Kind sich bemüht, immer dem Andern | ||||||
| 12 | etwas zuvor zu thun. Alsdann wird die Seele wieder heiter. | ||||||
| 13 | Viele Leute denken, ihre Jugendjahre seien die besten und die angenehmsten | ||||||
| 14 | ihres Lebens gewesen. Aber dem ist wohl nicht so. Es sind | ||||||
| 15 | die beschwerlichsten Jahre, weil man da sehr unter der Zucht ist; selten | ||||||
| 16 | einen eigentlichen Freund und noch seltener Freiheit haben kann. Schon | ||||||
| 17 | Horaz sagt: Multa tulit fecitque puer, sudavit et alsit. | ||||||
| 18 | Kinder müssen nur in solchen Dingen unterrichtet werden, die sich | ||||||
| 19 | für ihr Alter schicken. Manche Eltern freuen sich, wenn ihre Kinder frühzeitig | ||||||
| 20 | altklug reden können. Aus solchen Kindern wird aber gemeiniglich | ||||||
| 21 | nichts. Ein Kind muß nur klug sein, wie ein Kind. Es muß kein blinder | ||||||
| 22 | Nachäffer werden. Ein Kind aber, das mit altklugen Sittensprüchen versehen | ||||||
| 23 | ist, ist ganz außer der Bestimmung seiner Jahre, und es äfft nach. | ||||||
| 24 | Es soll nur den Verstand eines Kindes haben und sich nicht zu frühe sehen | ||||||
| 25 | lassen. Ein solches Kind wird nie ein Mann von Einsichten und von aufgeheitertem | ||||||
| 26 | Verstande werden. Eben so unausstehlich ist es, wenn ein | ||||||
| 27 | Kind schon alle Moden mitmachen will, z. E. wenn es frisirt sein, Handkrausen, | ||||||
| 28 | auch wohl gar eine Tabaksdose bei sich tragen will. Es bekommt | ||||||
| 29 | dadurch ein affectirtes Wesen, das einem Kinde nicht ansteht. Eine gesittete | ||||||
| 30 | Gesellschaft ist ihm eine Last, und das Wackere eines Mannes fehlt | ||||||
| 31 | ihm am Ende gänzlich. Eben daher muß man denn aber auch der Eitelkeit | ||||||
| 32 | frühzeitig in ihm entgegenarbeiten, oder, richtiger gesagt, ihm nicht Veranlassung | ||||||
| 33 | geben, eitel zu werden. Das geschieht aber, wenn man Kindern | ||||||
| 34 | schon frühe davon vorschwatzt, wie schön sie sind, wie allerliebst ihnen dieser | ||||||
| 35 | oder jener Putz stehe, oder wenn man ihnen diesen als Belohnung verspricht | ||||||
| 36 | und ertheilt. Putz taugt für Kinder nicht. Ihre reinliche und schlechte | ||||||
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