Kant: AA IX, Immanuel Kants physische ... , Seite 208

     
           
 

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Text (Kant):

 

 

 

 
  01
§. 27.
     
           
  02 Die Bewegung des Meerwassers ist dreifach, nämlich:      
  03 1. in Wellen, wovon der Wind die Ursache ist,      
  04 2. in Meerströmen und      
  05 3. in der Ebbe und Fluth.      
           
  06 Was nun zuvörderst die Wellen betrifft: so ist zu merken, daß das      
  07 Wasser in denselben nicht fortläuft, sondern beständig auf einer und derselben      
  08 Stelle stehen bleibt und nur eine schwankende Bewegung erhält,      
  09 indem der Wind nicht stark genug ist, auf einmal eine solche Quantität      
  10 Wasser in Bewegung zu setzen. Erst bei einem längern Anhalten desselben      
  11 wird dieses möglich. Hieraus kann man es sich erklären, wie es      
  12 kommt, daß die Taucher zwei bis drei Stunden nach seinem Entstehen      
  13 noch gar nichts von der Wirkung des Windes in der Tiefe empfinden.      
           
  14 Es scheint wirklich, als ob die Bewegung der Wellen fortrückend wäre,      
  15 indem die folgende Welle nach und nach anschwillt; allein es ist nur eine      
  16 schaukelnde, oscillirende, bald steigende, bald fallende Bewegung. Man      
  17 kann sich davon überzeugen, wenn man Spreu auf das Wasser streut      
  18 und einen Stein, der Wellen erregt, hineinwirft: alsdann sieht man, da      
  19 die Spreu bei der Wellenbewegung immer nur auf einer Stelle bleibt.      
           
  20 Man kann dasselbe auch darthun aus der Art, die Entfernung zu      
  21 messen, welche man auf der See zurückgelegt hat. Denn man hat noch      
  22 außer dem Calculiren, wobei man die Gestalt des Himmels mit der      
  23 Zeit, welche man auf der Fahrt zugebracht hat, vergleicht, wenn man nämlich      
  24 der Breite nach gegen den Äquator oder die Pole zu reist, eine andere      
  25 Art, die Meilen zu messen, die eben darauf beruht, daß das Wasser im      
  26 Meere immer an einer Stelle verbleibt. Man wirft nämlich ein Brett      
  27 aus, welches man auch Log nennt, dessen eines Ende an einem Taue      
  28 befestigt ist, und aus der Länge des Taues, welches man abgewunden      
  29 hat, nebst der Zeit, in welcher man von dem Brette entfernt ist, beurtheilt      
  30 man dann die Weite, die man zurückgelegt hat. Wenn also das Wasser      
  31 nicht auf einer Stelle bliebe, so würde auch das Brett mit schwimmen,      
  32 und hätte man demnach keinen festen Punkt, von dem man anfangen      
  33 könnte: so würde man auch die zurückgelegte Weite in der Art gar nicht      
  34 zu bestimmen im Stande sein. Admiral Anson maß die Weite seiner      
  35 Reise und kam drei Wochen später an die Insel, als er hätte ankommen      
  36 sollen, denn ein Strom kam ihm entgegen, der das Log zurücktrieb. Er      
  37 aber glaubte, daß er sich von demselben weiter bewege.      
           
           
     

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