Kant: AA IX, Immanuel Kants physische ... , Seite 193

     
           
 

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Text (Kant):

 

 

 

 
  01 könne: so ergiebt sich dennoch die Schwierigkeit von selbst, auf eine solche      
  02 Art die Tiefe auszumessen, weil man ein solches Seil, das eine deutsche      
  03 Meile lang wäre, zu verfertigen nicht im Stande sein würde, da das      
  04 Schiff überdies mehrentheils fortgeht, ob es gleich still zu stehen scheint,      
  05 und im Grunde des Meeres öfters Ströme sind, die eine dem oberen      
  06 Meerwasser ganz entgegengesetzte Richtung haben, auf welche Weise man      
  07 mehrentheils statt der perpendiculären eine schiefe Tiefenlänge erhält.      
           
  08 Es giebt nämlich öfters an ein und eben derselben Stelle des Meeres      
  09 zwei verschiedene Ströme, der eine ist der, welcher von dem Lande herkommt,      
  10 der andere aber scheint dem Monde vermittelst der Ebbe und Fluth      
  11 seine Entstehung zu verdanken. Der eine Strom geht demnach auf dem      
  12 Boden des Meeres fort und erhält weder durch Winde noch durch Hindernisse      
  13 eine andere Richtung, der andere aber befindet sich auf der      
  14 Oberfläche des Meeres.      
           
  15 Man kann aber auch durch das Loth zugleich die Beschaffenheit des      
  16 Meergrundes erfahren, weil die Höhlung des Gewichtes mit Talg bestrichen      
  17 wird, an das sich Sand, Muscheln, und was sich sonst noch auf      
  18 dem Boden befindet, anhängen. Eine Untersuchung dieser Art dient dazu,      
  19 damit auch andere Schiffer daraus sowohl, als aus der gefundenen Tiefe      
  20 des Meeres selbst zur Nachtzeit wissen können, welchem Ufer sie gegenüber      
  21 sind, welches sie zur Tageszeit aus der Gleichheit des auf der Seekarte      
  22 gezeichneten und des gegenüberstehenden Ufers wissen können, zur      
  23 Nachtzeit aber öfters weiter fahren, als sie den Raum bei Tage zu übersehen      
  24 im Stande sind. Weil aber auch der Grund des Meeres nicht      
  25 selten seine Gestalt wechselt: so kann man nicht allemal daraus mit bestimmter      
  26 Sicherheit schließen, wie weit man fortgerückt sei, und eben daher      
  27 muß man denn auch die Tiefe zu Hülfe nehmen. Wenn z. E. 20      
  28 Meilen vom Ufer auch sandichter Grund ist und 40 Meilen davon      
  29 der Boden dieselbe Beschaffenheit hat: so muß man nothwendig die      
  30 Tiefe wissen, um sich in diesem Falle nicht über die Entfernung des      
  31 Ufers zu täuschen. Ist es nun tiefer als an dem Orte, der nur 20      
  32 Meilen entfernt ist: so schließt man daraus, daß man schon weiter fortgerückt      
  33 sei.      
           
  34 Anmerkung. Die größte bisher gemessene Tiefe, in die das Senkblei,      
  35 doch ohne Grund zu treffen, herabgelassen wurde, beträgt 4680 Fuß. Also      
  36 eine Tiefe, beinahe der Höhe der Schneekoppe im Riesengebirge gleich. Wir      
  37 dürfen aber annehmen, daß die Tiefe des Meeres sich an manchen Stellen,      
           
     

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