Kant: AA IX, Immanuel Kant's Logik Ein ... , Seite 084

     
           
 

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Text (Kant):

 

 

 

 
  01 der ein blindes Vertrauen ist auf das Vermögen der Vernunft,      
  02 ohne Kritik sich a priori durch bloße Begriffe zu erweitern, bloß um des      
  03 scheinbaren Gelingens willen.      
           
  04 Beide Methoden sind, wenn sie allgemein werden, fehlerhaft. Denn      
  05 es giebt viele Kenntnisse, in Ansehung deren wir nicht dogmatisch verfahren      
  06 können, und von der andern Seite vertilgt der Skepticism, indem      
  07 er auf alle behauptende Erkenntniß Verzicht thut, alle unsre Bemühungen      
  08 zum Besitz einer Erkenntniß des Gewissen zu gelangen.      
           
  09 So schädlich nun aber auch dieser Skepticism ist: so nützlich und      
  10 zweckmäßig ist doch die skeptische Methode, wofern man darunter nichts      
  11 weiter als nur die Art versteht, etwas als ungewiß zu behandeln und auf      
  12 die höchste Ungewißheit zu bringen, in der Hoffnung, der Wahrheit auf      
  13 diesem Wege auf die Spur zu kommen. Diese Methode ist also eigentlich      
  14 eine bloße Suspension des Urtheilens. Sie ist dem kritischen Verfahren      
  15 sehr nützlich, worunter diejenige Methode des Philosophirens zu      
  16 verstehen ist, nach welcher man die Quellen seiner Behauptungen oder      
  17 Einwürfe untersucht, und die Gründe, worauf dieselben beruhen; eine      
  18 Methode, welche Hoffnung giebt, zur Gewißheit zu gelangen.      
           
  19 In der Mathematik und Physik findet der Skepticism nicht statt.      
  20 Nur diejenige Erkenntniß hat ihn veranlassen können, die weder mathematisch      
  21 noch empirisch ist: die rein philosophische. Der absolute      
  22 Skepticism giebt alles für Schein aus. Er unterscheidet also Schein von      
  23 Wahrheit und muß mithin doch ein Merkmal des Unterschiedes haben,      
  24 folglich ein Erkenntniß der Wahrheit voraussetzen, wodurch er sich selbst      
  25 widerspricht.      
           
  26 Wir bemerkten oben von der Wahrscheinlichkeit, daß sie eine bloße      
  27 Annäherung zur Gewißheit sei. Dieses ist nun insbesondre auch der      
  28 Fall mit den Hypothesen, durch die wir nie zu einer apodiktischen Gewißheit,      
  29 sondern immer nur zu einem bald größern, bald geringern Grade      
  30 der Wahrscheinlichkeit in unserm Erkenntnisse gelangen können.      
           
  31 Eine Hypothese ist ein Fürwahrhalten des Urtheils von der      
  32 Wahrheit eines Grundes um der Zulänglichkeit der Folgen      
  33 willen, oder kürzer; das Fürwahrhalten einer Voraussetzung als      
  34 Grundes.      
           
  35 Alles Fürwahrhalten in Hypothesen gründet sich demnach darauf,      
           
     

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