Kant: AA VIII, Zum ewigen Frieden. Ein ... , Seite 368 |
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| 01 | 3. So wie die Natur weislich die Völker trennt, welche der Wille | ||||||
| 02 | jedes Staats und zwar selbst nach Gründen des Völkerrechts gern unter | ||||||
| 03 | sich durch List oder Gewalt vereinigen möchte: so vereinigt sie auch andererseits | ||||||
| 04 | Völker, die der Begriff des Weltbürgerrechts gegen Gewaltthätigkeit | ||||||
| 05 | und Krieg nicht würde gesichert haben, durch den wechselseitigen Eigennutz. | ||||||
| 06 | Es ist der Handelsgeist, der mit dem Kriege nicht zusammen | ||||||
| 07 | bestehen kann, und der früher oder später sich jedes Volks bemächtigt. Weil | ||||||
| 08 | nämlich unter allen der Staatsmacht untergeordneten Mächten (Mitteln) | ||||||
| 09 | die Geldmacht wohl die zuverlässigste sein möchte, so sehen sich Staaten | ||||||
| 10 | (freilich wohl nicht eben durch Triebfedern der Moralität) gedrungen, den | ||||||
| 11 | edlen Frieden zu befördern und, wo auch immer in der Welt Krieg auszubrechen | ||||||
| 12 | droht, ihn durch Vermittelungen abzuwehren, gleich als ob sie | ||||||
| 13 | deshalb im beständigen Bündnisse ständen; denn große Vereinigungen | ||||||
| 14 | zum Kriege können der Natur der Sache nach sich nur höchst selten zutragen | ||||||
| 15 | und noch seltener glücken. - - Auf die Art garantirt die Natur | ||||||
| 16 | durch den Mechanism der menschlichen Neigungen selbst den ewigen | ||||||
| 17 | Frieden; freilich mit einer Sicherheit, die nicht hinreichend ist, die Zukunft | ||||||
| 18 | desselben (theoretisch) zu weissagen, aber doch in praktischer Absicht | ||||||
| 19 | zulangt und es zur Pflicht macht, zu diesem (nicht bloß schimärischen) | ||||||
| 20 | Zwecke hinzuarbeiten. | ||||||
| 21 | Zweiter Zusatz. |
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| 22 | Geheimer Artikel zum ewigen Frieden. |
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| 23 | Ein geheimer Artikel in Verhandlungen des öffentlichen Rechts ist | ||||||
| 24 | objectiv, d. i. seinem Inhalte nach betrachtet, ein Widerspruch; subjectiv | ||||||
| 25 | aber, nach der Qualität der Person beurtheilt, die ihn dictirt, kann gar | ||||||
| 26 | wohl darin ein Geheimniß statt haben, daß sie es nämlich für ihre Würde | ||||||
| 27 | bedenklich findet, sich öffentlich als Urheberin desselben anzukündigen. | ||||||
| 28 | Der einzige Artikel dieser Art ist in dem Satze enthalten: Die | ||||||
| 29 | Maximen der Philosophen über die Bedingungen der Möglichkeit | ||||||
| 30 | des öffentlichen Friedens sollen von den zum Kriege | ||||||
| 31 | gerüsteten Staaten zu Rathe gezogen werden. | ||||||
| 32 | Es scheint aber für die gesetzgebende Autorität eines Staats, dem | ||||||
| 33 | man natürlicherweise die größte Weisheit beilegen muß, verkleinerlich zu | ||||||
| 34 | sein, über die Grundsätze seines Verhaltens gegen andere Staaten bei | ||||||
| 35 | Unterthanen (den Philosophen) Belehrung zu suchen; gleichwohl aber | ||||||
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