Kant: AA VIII, Zum ewigen Frieden. Ein ... , Seite 365 |
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| 01 | gothische und sarmatische Völker getrennt; und was kann wohl | ||||||
| 02 | anders die Eskimos (vielleicht uralte europäische Abenteurer, ein von | ||||||
| 03 | allen Amerikanern ganz unterschiedenes Geschlecht) im Norden und die | ||||||
| 04 | Pescheräs im Süden von Amerika bis zum Feuerlande hingetrieben | ||||||
| 05 | haben, als der Krieg, dessen sich die Natur als Mittels bedient, die Erde | ||||||
| 06 | allerwärts zu bevölkern? Der Krieg aber selbst bedarf keines besonderen Bewegungsgrundes, | ||||||
| 07 | sondern scheint auf die menschliche Natur gepfropft zu | ||||||
| 08 | sein und sogar als etwas Edles, wozu der Mensch durch den Ehrtrieb ohne | ||||||
| 09 | eigennützige Triebfedern beseelt wird, zu gelten: so daß Kriegesmuth | ||||||
| 10 | (von amerikanischen Wilden sowohl, als den europäischen in den Ritterzeiten) | ||||||
| 11 | nicht bloß, wenn Krieg ist (wie billig), sondern auch, daß Krieg | ||||||
| 12 | sei, von unmittelbarem großem Werth zu sein geurtheilt wird, und er oft, | ||||||
| 13 | bloß um jenen zu zeigen, angefangen, mithin in dem Kriege an sich selbst | ||||||
| 14 | eine innere Würde gesetzt wird, sogar daß ihm auch wohl Philosophen, | ||||||
| 15 | als einer gewissen Veredelung der Menschheit, eine Lobrede halten uneingedenk | ||||||
| 16 | des Ausspruchs jenes Griechen: "Der Krieg ist darin schlimm, da | ||||||
| 17 | er mehr böse Leute macht, als er deren wegnimmt." - So viel von dem, | ||||||
| 18 | was die Natur für ihren eigenen Zweck in Ansehung der Menschengattung | ||||||
| 19 | als einer Thierklasse thut. | ||||||
| 20 | Jetzt ist die Frage, die das Wesentliche der Absicht auf den ewigen | ||||||
| 21 | Frieden betrifft: Was die Natur in dieser Absicht beziehungsweise auf den | ||||||
| 22 | Zweck, den dem Menschen seine eigene Vernunft zur Pflicht macht, mithin | ||||||
| 23 | zu Begünstigung seiner moralischen Absicht thue, und wie sie die | ||||||
| 24 | Gewähr leiste, daß dasjenige, was der Mensch nach Freiheitsgesetzen thun | ||||||
| 25 | sollte, aber nicht thut, dieser Freiheit unbeschadet auch durch einen Zwang | ||||||
| 26 | der Natur, daß er es thun werde, gesichert sei, und zwar nach allen drei | ||||||
| 27 | Verhältnissen des öffentlichen Rechts, des Staats=, Völker= und | ||||||
| 28 | weltbürgerlichen Rechts. - Wenn ich von der Natur sage: sie | ||||||
| 29 | will, daß dieses oder jenes geschehe, so heißt das nicht soviel als: sie | ||||||
| 30 | legt uns eine Pflicht auf, es zu thun (denn das kann nur die zwangsfreie | ||||||
| 31 | praktische Vernunft), sondern sie thut es selbst, wir mögen wollen oder | ||||||
| 32 | nicht ( fata volentem ducunt, nolentem trahunt ). | ||||||
| 33 | 1. Wenn ein Volk auch nicht durch innere Mißhelligkeit genöthigt | ||||||
| 34 | würde, sich unter den Zwang öffentlicher Gesetze zu begeben, so würde es | ||||||
| 35 | doch der Krieg von außen thun, indem nach der vorher erwähnten Naturanstalt | ||||||
| 36 | ein jedes Volk ein anderes es drängende Volk zum Nachbar vor | ||||||
| 37 | sich findet, gegen das es sich innerlich zu einem Staat bilden muß, um | ||||||
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