Kant: AA VIII, Über eine Entdeckung, nach ... , Seite 212 |
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| 01 | gegebene nur sinnlich ist. Herr Eberhard bejaht dagegen diese | ||||||
| 02 | Frage und führt unglücklicherweise - den Mathematiker, der alles jederzeit | ||||||
| 03 | in der Anschauung demonstrirt, an, als ob dieser, ohne seinem Begriffe eine | ||||||
| 04 | genau correspondirende Anschauung in der Einbildungskraft zu geben, | ||||||
| 05 | den Gegenstand desselben durch den Verstand gar wohl mit verschiedenen | ||||||
| 06 | Prädicaten belegen und ihn also auch ohne jene Bedingung erkennen | ||||||
| 07 | könne. Wenn nun Archimedes ein Sechs=Und=Neunzigeck um den | ||||||
| 08 | Cirkel und auch ein dergleiches in demselben beschrieb, um, daß und wie viel | ||||||
| 09 | der Cirkel kleiner sei als das erste und größer als das zweite, zu beweisen: | ||||||
| 10 | legte er da seinem Begriffe von dem genannten regulären Vieleck eine | ||||||
| 11 | Anschauung unter, oder nicht? Er legte sie unvermeidlich zum Grunde, | ||||||
| 12 | aber nicht indem er dasselbe wirklich zeichnete (welches ein unnöthiges und | ||||||
| 13 | ungereimtes Ansinnen wäre), sondern indem er die Regel der Construction | ||||||
| 14 | seines Begriffs, mithin sein Vermögen, die Größe desselben so nahe | ||||||
| 15 | der des Objects selbst, als er wolle, zu bestimmen und also dieses dem | ||||||
| 16 | Begriffe gemäß in der Anschauung zu geben, kannte und so die Realität | ||||||
| 17 | der Regel selbst und hiemit auch dieses Begriffs für den Gebrauch der | ||||||
| 18 | Einbildungskraft bewies. Hätte man ihm aufgegeben auszufinden, wie | ||||||
| 19 | aus Monaden ein Ganzes zusammengesetzt sein könne: so würde er, weil | ||||||
| 20 | er wußte, daß er dergleichen Vernunftwesen nicht im Raume zu suchen | ||||||
| 21 | habe, gestanden haben, daß man davon gar nichts zu sagen vermöge, weil | ||||||
| 22 | es übersinnliche Wesen sind, die nur in Gedanken, niemals aber als solche | ||||||
| 23 | in der Anschauung vorkommen können. - Herr Eberhard aber will die | ||||||
| 24 | letztern, so fern sie nur entweder für den Grad der Schärfe unserer Sinne | ||||||
| 25 | zu klein, oder die Vielheit derselben in einer gegebenen anschaulichen Vorstellung | ||||||
| 26 | für den dermaligen Grad der Einbildungskraft und sein Fassungsvermögen | ||||||
| 27 | zu groß ist, für nichtsinnliche Gegenstände gehalten wissen, | ||||||
| 28 | von denen wir vieles sollen durch den Verstand erkennen können; wobei | ||||||
| 29 | wir ihn denn auch lassen wollen: weil ein solcher Begriff vom Nichtsinnlichen | ||||||
| 30 | mit dem, welchen die Kritik davon giebt, nichts Ähnliches hat und, | ||||||
| 31 | da er schon im Ausdrucke einen Widerspruch bei sich führt, wohl schwerlich | ||||||
| 32 | Nachfolger haben wird. | ||||||
| 33 | Man sieht aus dem bisherigen deutlich: Herr Eberhard sucht den | ||||||
| 34 | Stoff zu aller Erkenntniß in den Sinnen, woran er auch nicht Unrecht | ||||||
| 35 | thut. Er will aber doch auch diesen Stoff zum Erkenntniß des Übersinnlichen | ||||||
| 36 | verarbeiten. Zur Brücke, dahin herüber zu kommen, dient ihm der | ||||||
| 37 | Satz des zureichenden Grundes, den er nicht allein in seiner unbeschränkten | ||||||
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