Kant: AA VIII, Über eine Entdeckung, nach ... , Seite 188 |
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| 01 | Das erste, worauf wir in diesem Streithandel zu sehen haben, ist | ||||||
| 02 | nach dem Beispiele der Juristen in der Führung eines Processes das | ||||||
| 03 | Formale. Hierüber erklärt sich Hr. Eberhard S. 255 auf folgende Art: | ||||||
| 04 | "Nach der Einrichtung, die diese Zeitschrift mit sich bringt, ist es sehr | ||||||
| 05 | wohl erlaubt: daß wir unsere Tagereisen nach Belieben abbrechen und | ||||||
| 06 | wieder fortsetzen, daß wir vorwärts und rückwärts gehen und nach | ||||||
| 07 | allen Richtungen ausbeugen können." - Nun kann man wohl einräumen: | ||||||
| 08 | daß ein Magazin in seinen verschiedenen Abtheilungen und Verschlägen gar | ||||||
| 09 | verschiedene Sachen enthalte (so wie auch in diesem auf eine Abhandlung | ||||||
| 10 | über die logische Wahrheit unmittelbar ein Beitrag zur Geschichte der | ||||||
| 11 | Bärte, auf diesen ein Gedicht folgt); allein daß in einer und derselben | ||||||
| 12 | Abtheilung ungleichartige Dinge durch einander gemengt werden, oder | ||||||
| 13 | das Hinterste zu vorderst und das Unterste zu oberst gebracht werde, vornehmlich | ||||||
| 14 | wenn es, wie hier der Fall ist, die Gegeneinanderstellung zweier | ||||||
| 15 | Systeme betrifft, wird Hr. Eberhard schwerlich durch die Eigenthümlichkeit | ||||||
| 16 | eines Magazins (welches alsdann eine Gerüllkammer sein würde) | ||||||
| 17 | rechtfertigen können: in der That ist er auch weit entfernt so zu urtheilen. | ||||||
| 18 | Diese vorgeblich kunstlose Zusammenstellung der Sätze ist in der | ||||||
| 19 | That sehr planmäßig angelegt, um den Leser, ehe noch der Probirstein | ||||||
| 20 | der Wahrheit ausgemacht ist und er also noch keinen hat, für Sätze, die | ||||||
| 21 | einer scharfen Prüfung bedürfen, zum voraus einzunehmen und nachher | ||||||
| 22 | die Gültigkeit des Probirsteins, der hintennach gewählt wird, nicht, wie | ||||||
| 23 | es doch sein sollte, aus seiner eigenen Beschaffenheit, sondern durch jene | ||||||
| 24 | Sätze, an denen er die Probe hält (nicht die an ihm die Probe halten), zu | ||||||
| 25 | beweisen. Es ist ein künstliches yστερον προτερον, welches absichtlich dazu | ||||||
| 26 | helfen soll, der Nachforschung der Elemente unserer Erkenntniß a priori | ||||||
| 27 | und des Grundes ihrer Gültigkeit in Ansehung der Objecte vor aller | ||||||
| 28 | Erfahrung, mithin der Deduction ihrer objectiven Realität (als langwierigen | ||||||
| 29 | und schweren Bemühungen) mit guter Manier auszuweichen | ||||||
| 30 | und wo möglich durch einen Federzug die Kritik zu vernichten, zugleich | ||||||
| 31 | aber für einen unbegrenzten Dogmatism der reinen Vernunft Platz zu | ||||||
| 32 | machen. Denn bekanntlich fängt die Kritik des reinen Verstandes von | ||||||
| 33 | dieser Nachforschung an, welche die Auflösung der allgemeinen Frage zum | ||||||
| 34 | Zwecke hat: wie sind synthetische Sätze a priori möglich? Und nur nach | ||||||
| 35 | einer mühvollen Erörterung aller dazu erforderlichen Bedingungen kann | ||||||
| 36 | sie zu dem entscheidenden Schlußsatze gelangen: daß keinem Begriffe seine | ||||||
| 37 | objective Realität anders gesichert werden könne, als so fern er in einer | ||||||
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