Kant: AA VIII, Recensionen von J. G. Herders ... , Seite 063 |
|||||||
Zeile:
|
Text (Kant):
|
|
|
||||
| 01 | sich selbst bildenden Vermögens, welches letztere wir eben so wenig erklären | ||||||
| 02 | oder begreiflich machen können. | ||||||
| 03 | Mit dem achten Buche fängt ein neuer Gedankengang an, der bis | ||||||
| 04 | zum Schlusse dieses Theils fortwährt und den Ursprung der Bildung des | ||||||
| 05 | Menschen als eines vernünftigen und sittlichen Geschöpfs, mithin den Anfang | ||||||
| 06 | aller Cultur enthält, welcher nach dem Sinn des Verfassers nicht in | ||||||
| 07 | dem eigenen Vermögen der Menschengattung, sondern gänzlich außer ihm | ||||||
| 08 | in einer Belehrung und Unterweisung von andern Naturen zu suchen sei, | ||||||
| 09 | von da anhebend alles Fortschreiten in der Cultur nichts als weitere Mittheilung | ||||||
| 10 | und zufälliges Wuchern mit einer ursprünglichen Tradition | ||||||
| 11 | sei, welcher und nicht ihm selbst der Mensch alle seine Annäherung | ||||||
| 12 | zur Weisheit zuzuschreiben habe. Da Recensent, wenn er einen Fu | ||||||
| 13 | außerhalb der Natur und dem Erkenntnißweg der Vernunft setzt, sich nicht | ||||||
| 14 | weiter zu helfen weiß, da er in gelehrter Sprachforschung und Kenntniß | ||||||
| 15 | oder Beurtheilung alter Urkunden gar nicht bewandert ist, mithin die | ||||||
| 16 | daselbst erzählten und dadurch zugleich bewährten Facta philosophisch zu | ||||||
| 17 | nutzen gar nicht versteht: so bescheidet er sich von selbst, daß er hier kein | ||||||
| 18 | Urtheil habe. Indessen läßt sich von der weitläuftigen Belesenheit und | ||||||
| 19 | von der besondern Gabe des Verfassers, zerstreute Data unter einen Gesichtspunkt | ||||||
| 20 | zu fassen, wahrscheinlich zum voraus vermuthen, daß wir | ||||||
| 21 | wenigstens über den Gang menschlicher Dinge, so fern er dazu dienen kann, | ||||||
| 22 | den Charakter der Gattung und wo möglich selbst gewisse classische Verschiedenheiten | ||||||
| 23 | derselben näher kennen zu lernen, viel Schönes werden zu | ||||||
| 24 | lesen bekommen, welches auch für denjenigen, der über den ersten Anfang | ||||||
| 25 | aller menschlichen Cultur anderer Meinung wäre, belehrend sein kann. | ||||||
| 26 | Der Verfasser drückt die Grundlage der seinigen (S. 338-339 sammt der | ||||||
| 27 | Anmerkung) kürzlich so aus: "Diese (mosaische) lehrende Geschichte erzählt: | ||||||
| 28 | daß die ersten geschaffenen Menschen mit den unterweisenden Elohim im | ||||||
| 29 | Umgange gewesen, daß sie unter Anleitung derselben durch Kenntniß der | ||||||
| 30 | Thiere sich Sprache und herrschende Vernunft erworben, und da der | ||||||
| 31 | Mensch ihnen auch auf eine verbotene Art in Erkenntniß des Bösen gleich | ||||||
| 32 | werden wollen, er diese mit seinem Schaden erlangt und von nun an einen | ||||||
| 33 | anderen Ort eingenommen, eine neue, künstlichere Lebensart angefangen | ||||||
| 34 | habe. Wollte die Gottheit also, daß der Mensch Vernunft und Vorsicht | ||||||
| 35 | übte: so mußte sie sich seiner auch mit Vernunft und Vorsicht annehmen. | ||||||
| 36 | Wie nun aber die Elohim sich der Menschen angenommen, d. i. sie gelehrt, | ||||||
| 37 | gewarnt und unterrichtet haben? Wenn es nicht eben so kühn ist hierüber | ||||||
| [ Seite 062 ] [ Seite 064 ] [ Inhaltsverzeichnis ] |
|||||||