Kant: AA VII, Anthropologie in pragmatischer ... , Seite 261 |
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| 01 | zu demselben in diesem Affect gegenwärtig erzählt; denn vor dem, der in | ||||||
| 02 | diesem Zustand ist, ist der, welcher seine Erzählung (von einer erlittenen | ||||||
| 03 | Beleidigung) anhört, selbst nicht sicher. | ||||||
| 04 | Verwunderung (Verlegenheit sich in das Unerwartete zu finden) | ||||||
| 05 | ist eine das natürliche Gedankenspiel zuerst hemmende, mithin unangenehme, | ||||||
| 06 | dann aber das Zuströmen der Gedanken zu der unerwarteten Vorstellung | ||||||
| 07 | desto mehr befördernde und daher angenehme Erregung des Gefühls; | ||||||
| 08 | Erstaunen heißt aber dieser Affect eigentlich alsdann nur, wenn | ||||||
| 09 | man dabei gar ungewiß wird, ob die Wahrnehmung wachend oder träumend | ||||||
| 10 | geschehe. Ein Neuling in der Welt verwundert sich über alles; wer | ||||||
| 11 | aber mit dem Lauf der Dinge durch vielfältige Erfahrung bekannt geworden, | ||||||
| 12 | macht es sich zum Grundsatze, sich über nichts zu verwundern | ||||||
| 13 | ( nihil admirari ). Wer hingegen mit forschendem Blicke die Ordnung der | ||||||
| 14 | Natur in der großen Mannigfaltigkeit derselben nachdenkend verfolgt, | ||||||
| 15 | geräth über eine Weisheit, deren er sich nicht gewärtig war, in Erstaunen: | ||||||
| 16 | eine Bewunderung, von der man sich nicht losreißen (sich nicht genug | ||||||
| 17 | verwundern) kann; welcher Affect aber alsdann nur durch die Vernunft | ||||||
| 18 | angeregt wird und eine Art von heiligem Schauer ist, den Abgrund des | ||||||
| 19 | Übersinnlichen sich vor seinen Füßen eröffnen zu sehen. | ||||||
| 20 | Von den Affecten, durch welche die Natur die Gesundheit |
[ entsprechender Abschnitt in den Reflexionen zur Antropologie (AA XV, 481) ] | |||||
| 21 | mechanisch befördert. |
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| 22 | § 79. Durch einige Affecten wird die Gesundheit von der Natur | ||||||
| 23 | mechanisch befördert. Dahin gehört vornehmlich das Lachen und das | ||||||
| 24 | Weinen. Der Zorn, wenn man (doch ohne Widerstand zu besorgen) brav | ||||||
| 25 | schelten darf, ist zwar auch ein ziemlich sicheres Mittel zur Verdauung, und | ||||||
| 26 | manche Hausfrau hat keine andere innigliche Motion, als das Ausschelten | ||||||
| 27 | der Kinder und des Gesindes, wie dann auch, wenn sich Kinder und Gesinde | ||||||
| 28 | nur hiebei geduldig betragen, eine angenehme Müdigkeit der Lebenskraft | ||||||
| 29 | durch die Maschine sich gleichförmig verbreitet; aber ohne Gefahr ist | ||||||
| 30 | dieses Mittel doch auch nicht wegen des besorglichen Widerstandes jener | ||||||
| 31 | Hausgenossen. | ||||||
| 32 | Das gutmüthige (nicht hämische, mit Bitterkeit verbundene) Lachen | ||||||
| 33 | ist dagegen beliebter und gedeihlicher: nämlich das, was man jenem persischen | ||||||
| 34 | König hätte empfehlen sollen, der einen Preis für den aussetzte, | ||||||
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